sern, und drückten ihre Freude, Leontin und seinen Freund bey sich zu sehen, mit den aufrichtigsten Worten aus. Das Fräulein wurde bey ihrer An¬ kunft über und über roth und wagte nicht, die Au¬ gen aufzuschlagen, denn sie erkannte beyde recht gut wieder. Neben ihr stand ein ziemlich junger, blei¬ cher Mann, in dem sie sogleich dieselbe Gestalt wie¬ dererkannten, die gestern mit so einer ironischen Wuth getanzt und musiziert hatte. Seine auffal¬ lenden Gesichtszüge hatten sich tief in Leontins Ge¬ dächtniß gedrückt. Aber es war heut gar keine Spur von Gestern an ihm, er schien ein ganz an¬ derer Mensch. Er sah schlicht, still und traurig und war verlegen im Gespräche. Es war ein Theolog, der, zu arm, seine Studien zu vollenden, auf dem Schlosse des Herrn v. A. Unterhalt, Freunde und Heymath gefunden und dafür die Leitung des Schul¬ wesens auf den sämmtlichen Gütern übernommen hatte. Der Ritter von der traurigen Gestalt dage¬ gen schaute von seinem Schimmel während dem Empfange und der ersten Unterhaltung so unheim¬ lich und komisch darein, daß Leontin gar nicht von ihm wegseh'n konnte. Jeder Bauer, den seine Ar¬ beit an ihm vorüberführte, gesegnete die Gestalt mit einem tüchtigen Witze, wobey sich jener immer heftig vertheidigte. Leontin erhielt sich nur noch mit vieler Mühe, sich mit darein zu mischen, als die Tante endlich die Gesellschaft aufforderte, sich nach Hause zu begeben, und alles aufbrach. Die sonderbare Gestalt sezte sich nun voraus im Galopp.
ſern, und drückten ihre Freude, Leontin und ſeinen Freund bey ſich zu ſehen, mit den aufrichtigſten Worten aus. Das Fräulein wurde bey ihrer An¬ kunft über und über roth und wagte nicht, die Au¬ gen aufzuſchlagen, denn ſie erkannte beyde recht gut wieder. Neben ihr ſtand ein ziemlich junger, blei¬ cher Mann, in dem ſie ſogleich dieſelbe Geſtalt wie¬ dererkannten, die geſtern mit ſo einer ironiſchen Wuth getanzt und muſiziert hatte. Seine auffal¬ lenden Geſichtszüge hatten ſich tief in Leontins Ge¬ dächtniß gedrückt. Aber es war heut gar keine Spur von Geſtern an ihm, er ſchien ein ganz an¬ derer Menſch. Er ſah ſchlicht, ſtill und traurig und war verlegen im Geſpräche. Es war ein Theolog, der, zu arm, ſeine Studien zu vollenden, auf dem Schloſſe des Herrn v. A. Unterhalt, Freunde und Heymath gefunden und dafür die Leitung des Schul¬ weſens auf den ſämmtlichen Gütern übernommen hatte. Der Ritter von der traurigen Geſtalt dage¬ gen ſchaute von ſeinem Schimmel während dem Empfange und der erſten Unterhaltung ſo unheim¬ lich und komiſch darein, daß Leontin gar nicht von ihm wegſeh'n konnte. Jeder Bauer, den ſeine Ar¬ beit an ihm vorüberführte, geſegnete die Geſtalt mit einem tüchtigen Witze, wobey ſich jener immer heftig vertheidigte. Leontin erhielt ſich nur noch mit vieler Mühe, ſich mit darein zu miſchen, als die Tante endlich die Geſellſchaft aufforderte, ſich nach Hauſe zu begeben, und alles aufbrach. Die ſonderbare Geſtalt ſezte ſich nun voraus im Galopp.
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ſern, und drückten ihre Freude, Leontin und ſeinen
Freund bey ſich zu ſehen, mit den aufrichtigſten
Worten aus. Das Fräulein wurde bey ihrer An¬
kunft über und über roth und wagte nicht, die Au¬
gen aufzuſchlagen, denn ſie erkannte beyde recht gut
wieder. Neben ihr ſtand ein ziemlich junger, blei¬
cher Mann, in dem ſie ſogleich dieſelbe Geſtalt wie¬
dererkannten, die geſtern mit ſo einer ironiſchen
Wuth getanzt und muſiziert hatte. Seine auffal¬
lenden Geſichtszüge hatten ſich tief in Leontins Ge¬
dächtniß gedrückt. Aber es war heut gar keine
Spur von Geſtern an ihm, er ſchien ein ganz an¬
derer Menſch. Er ſah ſchlicht, ſtill und traurig und
war verlegen im Geſpräche. Es war ein Theolog,
der, zu arm, ſeine Studien zu vollenden, auf dem
Schloſſe des Herrn v. A. Unterhalt, Freunde und
Heymath gefunden und dafür die Leitung des Schul¬
weſens auf den ſämmtlichen Gütern übernommen
hatte. Der Ritter von der traurigen Geſtalt dage¬
gen ſchaute von ſeinem Schimmel während dem
Empfange und der erſten Unterhaltung ſo unheim¬
lich und komiſch darein, daß Leontin gar nicht von
ihm wegſeh'n konnte. Jeder Bauer, den ſeine Ar¬
beit an ihm vorüberführte, geſegnete die Geſtalt
mit einem tüchtigen Witze, wobey ſich jener immer
heftig vertheidigte. Leontin erhielt ſich nur noch
mit vieler Mühe, ſich mit darein zu miſchen, als
die Tante endlich die Geſellſchaft aufforderte, ſich
nach Hauſe zu begeben, und alles aufbrach. Die
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/111>, abgerufen am 09.11.2024.
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