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Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895].

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Religion und Sittlichkeit. Sittlich
erziehen, d. h. die Kinder mit einem gewissen
Maße bürgerlicher Tugenden ausstatten, will
auch die Welt, aber sie irrt sich in Bezug auf
die Erfordernisse. Das Christentum bietet
dem sittlichen Leben und der sittlichen Er-
ziehung das feste und zuverlässige Fundament
erstens in seinen Glaubenslehren, welche den
Christen mit den stärksten Beweggründen
(Allwissenheit und Gerechtigkeit Gottes, ewi-
ger Lohn, ewige Strafe) vom Bösen ab-
schrecken und zum Guten antreiben, und
zweitens in der göttlichen Gnade, welche den
Christen mit Licht und Kraft von Oben zum
Guten befähiget.

Die Welt glaubt dieses christliche Funda-
ment der Sittlichkeit entbehren zu können,
sie will gut erziehen nur mit natürlichen
Beweggründen und nur mit natürlichen
Mitteln. Bis zu einem gewissen Punkte mag
das auch scheinbar gelingen, bis nämlich der
junge Mensch unabhängig wird, und die
Versuchungen und Kämpfe des Lebens ihn
auf die Probe stellen. Da zeigt es sich dann
bald, daß man in der Erziehung falsch ge-
rechnet hat, und der ganze sittliche Bau nur
auf Sand gebaut war. Die Baumeister hatten

Religion und Sittlichkeit. Sittlich
erziehen, d. h. die Kinder mit einem gewissen
Maße bürgerlicher Tugenden ausstatten, will
auch die Welt, aber sie irrt sich in Bezug auf
die Erfordernisse. Das Christentum bietet
dem sittlichen Leben und der sittlichen Er-
ziehung das feste und zuverlässige Fundament
erstens in seinen Glaubenslehren, welche den
Christen mit den stärksten Beweggründen
(Allwissenheit und Gerechtigkeit Gottes, ewi-
ger Lohn, ewige Strafe) vom Bösen ab-
schrecken und zum Guten antreiben, und
zweitens in der göttlichen Gnade, welche den
Christen mit Licht und Kraft von Oben zum
Guten befähiget.

Die Welt glaubt dieses christliche Funda-
ment der Sittlichkeit entbehren zu können,
sie will gut erziehen nur mit natürlichen
Beweggründen und nur mit natürlichen
Mitteln. Bis zu einem gewissen Punkte mag
das auch scheinbar gelingen, bis nämlich der
junge Mensch unabhängig wird, und die
Versuchungen und Kämpfe des Lebens ihn
auf die Probe stellen. Da zeigt es sich dann
bald, daß man in der Erziehung falsch ge-
rechnet hat, und der ganze sittliche Bau nur
auf Sand gebaut war. Die Baumeister hatten

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[62/0076] Religion und Sittlichkeit. Sittlich erziehen, d. h. die Kinder mit einem gewissen Maße bürgerlicher Tugenden ausstatten, will auch die Welt, aber sie irrt sich in Bezug auf die Erfordernisse. Das Christentum bietet dem sittlichen Leben und der sittlichen Er- ziehung das feste und zuverlässige Fundament erstens in seinen Glaubenslehren, welche den Christen mit den stärksten Beweggründen (Allwissenheit und Gerechtigkeit Gottes, ewi- ger Lohn, ewige Strafe) vom Bösen ab- schrecken und zum Guten antreiben, und zweitens in der göttlichen Gnade, welche den Christen mit Licht und Kraft von Oben zum Guten befähiget. Die Welt glaubt dieses christliche Funda- ment der Sittlichkeit entbehren zu können, sie will gut erziehen nur mit natürlichen Beweggründen und nur mit natürlichen Mitteln. Bis zu einem gewissen Punkte mag das auch scheinbar gelingen, bis nämlich der junge Mensch unabhängig wird, und die Versuchungen und Kämpfe des Lebens ihn auf die Probe stellen. Da zeigt es sich dann bald, daß man in der Erziehung falsch ge- rechnet hat, und der ganze sittliche Bau nur auf Sand gebaut war. Die Baumeister hatten

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Zitationshilfe: Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/76>, abgerufen am 13.05.2024.