religiöse und sittliche Erziehung zurücktritt, und alles Gewicht auf die Ausführung des Unterrichtsprogramms gelegt wird, da wer- den die Zügel der Erziehung, welche der Hand der Lehrer entgleiten, von den Schü- lern selber aufgegriffen. Es bildet sich eine von Schule und Lehrern unabhängige öffent- liche Meinung der Schülerwelt, ein gewisser Studentengeist, der in diesen Kreisen eine unbedingte Herrschaft ausübt. Wendet er sich gegen einen Lehrer, so ist sein Ansehen und sein Einfluß gebrochen. Billiget und verherrlichet er gewisse vom Schulreglement verbotene Dinge, so gilt jeder Ungehor- sam gegen die Schulgesetze als Helden- that. Greift er Religion und Sittlichkeit an, so schämt sich der einzelne Schüler seiner religiösen Gesinnungen und Hand- lungen, und wetteifert mit den andern in den Sünden, die hier Ruhm ernten. Der neue Ankömmling beugt sich vor diesem Studentengeist anfänglich aus Schüchternheit und mit innerem Widerstreben, bald aber ist er mit Lust dabei, und allmählich macht er sich selber zum Träger und Beförderer dieses Studentengeistes. Was dieser für eine tyran- nische Herrschaft ausübt, ergiebt sich aus
religiöse und sittliche Erziehung zurücktritt, und alles Gewicht auf die Ausführung des Unterrichtsprogramms gelegt wird, da wer- den die Zügel der Erziehung, welche der Hand der Lehrer entgleiten, von den Schü- lern selber aufgegriffen. Es bildet sich eine von Schule und Lehrern unabhängige öffent- liche Meinung der Schülerwelt, ein gewisser Studentengeist, der in diesen Kreisen eine unbedingte Herrschaft ausübt. Wendet er sich gegen einen Lehrer, so ist sein Ansehen und sein Einfluß gebrochen. Billiget und verherrlichet er gewisse vom Schulreglement verbotene Dinge, so gilt jeder Ungehor- sam gegen die Schulgesetze als Helden- that. Greift er Religion und Sittlichkeit an, so schämt sich der einzelne Schüler seiner religiösen Gesinnungen und Hand- lungen, und wetteifert mit den andern in den Sünden, die hier Ruhm ernten. Der neue Ankömmling beugt sich vor diesem Studentengeist anfänglich aus Schüchternheit und mit innerem Widerstreben, bald aber ist er mit Lust dabei, und allmählich macht er sich selber zum Träger und Beförderer dieses Studentengeistes. Was dieser für eine tyran- nische Herrschaft ausübt, ergiebt sich aus
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religiöse und sittliche Erziehung zurücktritt,
und alles Gewicht auf die Ausführung des
Unterrichtsprogramms gelegt wird, da wer-
den die Zügel der Erziehung, welche der
Hand der Lehrer entgleiten, von den Schü-
lern selber aufgegriffen. Es bildet sich eine
von Schule und Lehrern unabhängige öffent-
liche Meinung der Schülerwelt, ein gewisser
Studentengeist, der in diesen Kreisen eine
unbedingte Herrschaft ausübt. Wendet er
sich gegen einen Lehrer, so ist sein Ansehen
und sein Einfluß gebrochen. Billiget und
verherrlichet er gewisse vom Schulreglement
verbotene Dinge, so gilt jeder Ungehor-
sam gegen die Schulgesetze als Helden-
that. Greift er Religion und Sittlichkeit
an, so schämt sich der einzelne Schüler
seiner religiösen Gesinnungen und Hand-
lungen, und wetteifert mit den andern in
den Sünden, die hier Ruhm ernten. Der
neue Ankömmling beugt sich vor diesem
Studentengeist anfänglich aus Schüchternheit
und mit innerem Widerstreben, bald aber ist
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Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/267>, abgerufen am 22.11.2024.
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