Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895].

Bild:
<< vorherige Seite

Frage einen Menschen, was er von sich hält,
und du weißt, wie er sich verhält."
Unter
Ideal versteht man die Vorstellung einer
Sache, wie sie sein sollte, eine Art Muster-
bild in der Seele, von welchem aber die
Wirklichkeit oft weit absteht. Man denke an
die Ideale von Glück, Tugend, Heiligkeit, die
man sich wohl im Geiste vorstellt, aber selten
genug thatsächlich erreicht. Man kann sich auch
falsche Ideale bilden, und in diesen liegt
eine große Gefahr. Denn alle Menschen
jagen einem Ideale, d. h. der wahren oder
erträumten Vorstellung von irgend einem
Gute nach. Das Verlangen und die Hoff-
nung, ein wirkliches oder eingebildetes Gut
zu bekommen, bilden die Triebfeder des
ganzen Strebens und Lebens in der mensch-
lichen Gesellschaft. Insbesondere ist die Ju-
gend geneigt, sich von Idealen begeistern
und hinreißen zu lassen, und alles hängt da-
von ab, daß ihre Ideale die richtigen seien.

Gelingt es, den Jüngling für Hohes und
Edles, Wissenschaft, Tugend, Wohl der Kirche
und des Vaterlandes zu begeistern, so be-
darf er keines weiteren Anspornes mehr,
kein Opfer ist ihm zu schwer, kein Hinder-
nis zu groß, er bedarf nur eines Zügels für

Frage einen Menschen, was er von sich hält,
und du weißt, wie er sich verhält.“
Unter
Ideal versteht man die Vorstellung einer
Sache, wie sie sein sollte, eine Art Muster-
bild in der Seele, von welchem aber die
Wirklichkeit oft weit absteht. Man denke an
die Ideale von Glück, Tugend, Heiligkeit, die
man sich wohl im Geiste vorstellt, aber selten
genug thatsächlich erreicht. Man kann sich auch
falsche Ideale bilden, und in diesen liegt
eine große Gefahr. Denn alle Menschen
jagen einem Ideale, d. h. der wahren oder
erträumten Vorstellung von irgend einem
Gute nach. Das Verlangen und die Hoff-
nung, ein wirkliches oder eingebildetes Gut
zu bekommen, bilden die Triebfeder des
ganzen Strebens und Lebens in der mensch-
lichen Gesellschaft. Insbesondere ist die Ju-
gend geneigt, sich von Idealen begeistern
und hinreißen zu lassen, und alles hängt da-
von ab, daß ihre Ideale die richtigen seien.

Gelingt es, den Jüngling für Hohes und
Edles, Wissenschaft, Tugend, Wohl der Kirche
und des Vaterlandes zu begeistern, so be-
darf er keines weiteren Anspornes mehr,
kein Opfer ist ihm zu schwer, kein Hinder-
nis zu groß, er bedarf nur eines Zügels für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="27">
          <p><q><pb facs="#f0211" xml:id="E29V3_001_1895_pb0197_0001" n="197"/>
Frage einen Menschen, was er von sich hält,<lb/>
und du weißt, wie er sich verhält.&#x201C;</q> Unter<lb/>
Ideal versteht man die Vorstellung einer<lb/>
Sache, wie sie sein sollte, eine Art Muster-<lb/>
bild in der Seele, von welchem aber die<lb/>
Wirklichkeit oft weit absteht. Man denke an<lb/>
die Ideale von Glück, Tugend, Heiligkeit, die<lb/>
man sich wohl im Geiste vorstellt, aber selten<lb/>
genug thatsächlich erreicht. Man kann sich auch<lb/>
falsche Ideale bilden, und in diesen liegt<lb/>
eine große Gefahr. Denn alle Menschen<lb/>
jagen einem Ideale, d. h. der wahren oder<lb/>
erträumten Vorstellung von irgend einem<lb/>
Gute nach. Das Verlangen und die Hoff-<lb/>
nung, ein wirkliches oder eingebildetes Gut<lb/>
zu bekommen, bilden die Triebfeder des<lb/>
ganzen Strebens und Lebens in der mensch-<lb/>
lichen Gesellschaft. Insbesondere ist die Ju-<lb/>
gend geneigt, sich von Idealen begeistern<lb/>
und hinreißen zu lassen, und alles hängt da-<lb/>
von ab, daß ihre Ideale die richtigen seien.</p>
          <p>Gelingt es, den Jüngling für Hohes und<lb/>
Edles, Wissenschaft, Tugend, Wohl der Kirche<lb/>
und des Vaterlandes zu begeistern, so be-<lb/>
darf er keines weiteren Anspornes mehr,<lb/>
kein Opfer ist ihm zu schwer, kein Hinder-<lb/>
nis zu groß, er bedarf nur eines Zügels für<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0211] Frage einen Menschen, was er von sich hält, und du weißt, wie er sich verhält.“ Unter Ideal versteht man die Vorstellung einer Sache, wie sie sein sollte, eine Art Muster- bild in der Seele, von welchem aber die Wirklichkeit oft weit absteht. Man denke an die Ideale von Glück, Tugend, Heiligkeit, die man sich wohl im Geiste vorstellt, aber selten genug thatsächlich erreicht. Man kann sich auch falsche Ideale bilden, und in diesen liegt eine große Gefahr. Denn alle Menschen jagen einem Ideale, d. h. der wahren oder erträumten Vorstellung von irgend einem Gute nach. Das Verlangen und die Hoff- nung, ein wirkliches oder eingebildetes Gut zu bekommen, bilden die Triebfeder des ganzen Strebens und Lebens in der mensch- lichen Gesellschaft. Insbesondere ist die Ju- gend geneigt, sich von Idealen begeistern und hinreißen zu lassen, und alles hängt da- von ab, daß ihre Ideale die richtigen seien. Gelingt es, den Jüngling für Hohes und Edles, Wissenschaft, Tugend, Wohl der Kirche und des Vaterlandes zu begeistern, so be- darf er keines weiteren Anspornes mehr, kein Opfer ist ihm zu schwer, kein Hinder- nis zu groß, er bedarf nur eines Zügels für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.

In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.
  • Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/211
Zitationshilfe: Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/211>, abgerufen am 25.11.2024.