Frage einen Menschen, was er von sich hält, und du weißt, wie er sich verhält." Unter Ideal versteht man die Vorstellung einer Sache, wie sie sein sollte, eine Art Muster- bild in der Seele, von welchem aber die Wirklichkeit oft weit absteht. Man denke an die Ideale von Glück, Tugend, Heiligkeit, die man sich wohl im Geiste vorstellt, aber selten genug thatsächlich erreicht. Man kann sich auch falsche Ideale bilden, und in diesen liegt eine große Gefahr. Denn alle Menschen jagen einem Ideale, d. h. der wahren oder erträumten Vorstellung von irgend einem Gute nach. Das Verlangen und die Hoff- nung, ein wirkliches oder eingebildetes Gut zu bekommen, bilden die Triebfeder des ganzen Strebens und Lebens in der mensch- lichen Gesellschaft. Insbesondere ist die Ju- gend geneigt, sich von Idealen begeistern und hinreißen zu lassen, und alles hängt da- von ab, daß ihre Ideale die richtigen seien.
Gelingt es, den Jüngling für Hohes und Edles, Wissenschaft, Tugend, Wohl der Kirche und des Vaterlandes zu begeistern, so be- darf er keines weiteren Anspornes mehr, kein Opfer ist ihm zu schwer, kein Hinder- nis zu groß, er bedarf nur eines Zügels für
Frage einen Menschen, was er von sich hält, und du weißt, wie er sich verhält.“ Unter Ideal versteht man die Vorstellung einer Sache, wie sie sein sollte, eine Art Muster- bild in der Seele, von welchem aber die Wirklichkeit oft weit absteht. Man denke an die Ideale von Glück, Tugend, Heiligkeit, die man sich wohl im Geiste vorstellt, aber selten genug thatsächlich erreicht. Man kann sich auch falsche Ideale bilden, und in diesen liegt eine große Gefahr. Denn alle Menschen jagen einem Ideale, d. h. der wahren oder erträumten Vorstellung von irgend einem Gute nach. Das Verlangen und die Hoff- nung, ein wirkliches oder eingebildetes Gut zu bekommen, bilden die Triebfeder des ganzen Strebens und Lebens in der mensch- lichen Gesellschaft. Insbesondere ist die Ju- gend geneigt, sich von Idealen begeistern und hinreißen zu lassen, und alles hängt da- von ab, daß ihre Ideale die richtigen seien.
Gelingt es, den Jüngling für Hohes und Edles, Wissenschaft, Tugend, Wohl der Kirche und des Vaterlandes zu begeistern, so be- darf er keines weiteren Anspornes mehr, kein Opfer ist ihm zu schwer, kein Hinder- nis zu groß, er bedarf nur eines Zügels für
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Frage einen Menschen, was er von sich hält,
und du weißt, wie er sich verhält.“ Unter
Ideal versteht man die Vorstellung einer
Sache, wie sie sein sollte, eine Art Muster-
bild in der Seele, von welchem aber die
Wirklichkeit oft weit absteht. Man denke an
die Ideale von Glück, Tugend, Heiligkeit, die
man sich wohl im Geiste vorstellt, aber selten
genug thatsächlich erreicht. Man kann sich auch
falsche Ideale bilden, und in diesen liegt
eine große Gefahr. Denn alle Menschen
jagen einem Ideale, d. h. der wahren oder
erträumten Vorstellung von irgend einem
Gute nach. Das Verlangen und die Hoff-
nung, ein wirkliches oder eingebildetes Gut
zu bekommen, bilden die Triebfeder des
ganzen Strebens und Lebens in der mensch-
lichen Gesellschaft. Insbesondere ist die Ju-
gend geneigt, sich von Idealen begeistern
und hinreißen zu lassen, und alles hängt da-
von ab, daß ihre Ideale die richtigen seien.
Gelingt es, den Jüngling für Hohes und
Edles, Wissenschaft, Tugend, Wohl der Kirche
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Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/211>, abgerufen am 25.11.2024.
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