Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895].

Bild:
<< vorherige Seite
19. Die Zweite Periode der Erziehung.

Das Kind ist in den ersten Jahren nicht
bloß dem Körper nach unfähig, sich selber
zu helfen, es steht auch mit seiner Seele un-
ter Vormundschaft. Es kann sich wohl der
Sinne bedienen, und das Leben der Seele
dämmert allmählich auf, aber so lange es
den vollen Gebrauch der Vernunft und des
freien Willens nicht besitzt, steht es in geisti-
ger Abhängigkeit von seinen Erziehern. Ihr
Wort ist ihm Wahrheit, es glaubt, was sie sa-
gen, ihr Wille ist ihm Gesetz, es muß gern oder
ungern demselben sich fügen. Schon in dieser
Zeit läßt sich vieles für die Erziehung thun,
wie im vorausgehenden angedeutet wurde.
Aber während das Kind noch abhängig ist,
muß man schon jene Zeit im Auge haben,
in der es frei und sein eigener Herr sein
wird.

Zunächst geht im Kinde selber eine Ver-
änderung vor. Es fängt an zu denken, und
beschäftigt sich auch mit den Gründen von
dem, was ihm befohlen wird. Es erlangt
den Gebrauch des freien Willens und von
dort an ist sein Gehorsam etwas ganz an-

19. Die Zweite Periode der Erziehung.

Das Kind ist in den ersten Jahren nicht
bloß dem Körper nach unfähig, sich selber
zu helfen, es steht auch mit seiner Seele un-
ter Vormundschaft. Es kann sich wohl der
Sinne bedienen, und das Leben der Seele
dämmert allmählich auf, aber so lange es
den vollen Gebrauch der Vernunft und des
freien Willens nicht besitzt, steht es in geisti-
ger Abhängigkeit von seinen Erziehern. Ihr
Wort ist ihm Wahrheit, es glaubt, was sie sa-
gen, ihr Wille ist ihm Gesetz, es muß gern oder
ungern demselben sich fügen. Schon in dieser
Zeit läßt sich vieles für die Erziehung thun,
wie im vorausgehenden angedeutet wurde.
Aber während das Kind noch abhängig ist,
muß man schon jene Zeit im Auge haben,
in der es frei und sein eigener Herr sein
wird.

Zunächst geht im Kinde selber eine Ver-
änderung vor. Es fängt an zu denken, und
beschäftigt sich auch mit den Gründen von
dem, was ihm befohlen wird. Es erlangt
den Gebrauch des freien Willens und von
dort an ist sein Gehorsam etwas ganz an-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="19">
          <pb facs="#f0150" xml:id="E29V3_001_1895_pb0136_0001" n="136"/>
          <head rendition="#c">19. Die Zweite Periode der Erziehung.</head><lb/>
          <p>Das Kind ist in den ersten Jahren nicht<lb/>
bloß dem Körper nach unfähig, sich selber<lb/>
zu helfen, es steht auch mit seiner Seele un-<lb/>
ter Vormundschaft. Es kann sich wohl der<lb/>
Sinne bedienen, und das Leben der Seele<lb/>
dämmert allmählich auf, aber so lange es<lb/>
den vollen Gebrauch der Vernunft und des<lb/>
freien Willens nicht besitzt, steht es in geisti-<lb/>
ger Abhängigkeit von seinen Erziehern. Ihr<lb/>
Wort ist ihm Wahrheit, es glaubt, was sie sa-<lb/>
gen, ihr Wille ist ihm Gesetz, es muß gern oder<lb/>
ungern demselben sich fügen. Schon in dieser<lb/>
Zeit läßt sich vieles für die Erziehung thun,<lb/>
wie im vorausgehenden angedeutet wurde.<lb/>
Aber während das Kind noch abhängig ist,<lb/>
muß man schon jene Zeit im Auge haben,<lb/>
in der es frei und sein eigener Herr sein<lb/>
wird.</p>
          <p>Zunächst geht im Kinde selber eine Ver-<lb/>
änderung vor. Es fängt an zu denken, und<lb/>
beschäftigt sich auch mit den Gründen von<lb/>
dem, was ihm befohlen wird. Es erlangt<lb/>
den Gebrauch des freien Willens und von<lb/>
dort an ist sein Gehorsam etwas ganz an-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0150] 19. Die Zweite Periode der Erziehung. Das Kind ist in den ersten Jahren nicht bloß dem Körper nach unfähig, sich selber zu helfen, es steht auch mit seiner Seele un- ter Vormundschaft. Es kann sich wohl der Sinne bedienen, und das Leben der Seele dämmert allmählich auf, aber so lange es den vollen Gebrauch der Vernunft und des freien Willens nicht besitzt, steht es in geisti- ger Abhängigkeit von seinen Erziehern. Ihr Wort ist ihm Wahrheit, es glaubt, was sie sa- gen, ihr Wille ist ihm Gesetz, es muß gern oder ungern demselben sich fügen. Schon in dieser Zeit läßt sich vieles für die Erziehung thun, wie im vorausgehenden angedeutet wurde. Aber während das Kind noch abhängig ist, muß man schon jene Zeit im Auge haben, in der es frei und sein eigener Herr sein wird. Zunächst geht im Kinde selber eine Ver- änderung vor. Es fängt an zu denken, und beschäftigt sich auch mit den Gründen von dem, was ihm befohlen wird. Es erlangt den Gebrauch des freien Willens und von dort an ist sein Gehorsam etwas ganz an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.

In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.
  • Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/150
Zitationshilfe: Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/150>, abgerufen am 10.05.2024.