[Eckstein, Ernst:] Dudler und Dulder. Studien über die Anmaßungen der Tonkunst. Leipzig, 1893.So schreibt zum Beispiel der jüngere Plinius von seiner liebenswürdigen, aber keineswegs exceptionell veranlagten Gattin Kalpurnia: "Sie componirt und singt meine Verse zur Kithara, ohne von einem andern Künstler Unterricht erhalten zu haben, als von Amor, der ja von jeher der beste Lehrmeister war." Unter solchen Verhältnissen ging das an: wie's aber jetzt steht, opfert ein unmusikalisches Kind einem fast wertlosen Ziel seine besten Erholungsstunden, beziehungsweise die Zeit, die es aus die Erlernung weit wichtigerer und für seine Zukunft vorteilhafterer Dinge hätte verwenden können. Und warum? Nur weil es die Mode verlangt, die conventionelle Rücksichtslosigkeit, die uns knechtet, die musikalische Tyrannei, die hier mit einer mächtigen Bundesgenossin, der Eitelkeit, an dem nämlichen Strange zieht. Die Mehrzahl der talentlosen Kinder, die ihre Zeit am Klavier vergeuden, sind Mädchen, -- und bei dem schönen Geschlecht ist der Musik-Dilettantismus häufig nur Mittel zum Zweck. Das galt schon im alten Rom, dessen unmusikalisch veranlagte Töchter mit ihrem forcirten Musik-Betrieb vielfach an die ebenso unmusikalisch veranlagten Engländerinnen und Amerikanerinnen von heute erinnern. Das Spielen und Trällern, selbst wenn die Kunst im höheren Sinne dabei zu kurz kam, galt den verfeinerten Spät-Quiritinnen als die Vorbedingung echter Salonfähigkeit. Der Dichter Statius spricht in klangvollen Versen die Hoffnung aus, seine geliebte Tochter werde nun ganz gewiß bald einen Freier bekommen, da sie im Punkte der musikalischen Bildung allen Anforderungen der Neuzeit entspreche. Ich weiß im Augenblick nicht, ob der So schreibt zum Beispiel der jüngere Plinius von seiner liebenswürdigen, aber keineswegs exceptionell veranlagten Gattin Kalpurnia: „Sie componirt und singt meine Verse zur Kithara, ohne von einem andern Künstler Unterricht erhalten zu haben, als von Amor, der ja von jeher der beste Lehrmeister war.“ Unter solchen Verhältnissen ging das an: wie’s aber jetzt steht, opfert ein unmusikalisches Kind einem fast wertlosen Ziel seine besten Erholungsstunden, beziehungsweise die Zeit, die es aus die Erlernung weit wichtigerer und für seine Zukunft vorteilhafterer Dinge hätte verwenden können. Und warum? Nur weil es die Mode verlangt, die conventionelle Rücksichtslosigkeit, die uns knechtet, die musikalische Tyrannei, die hier mit einer mächtigen Bundesgenossin, der Eitelkeit, an dem nämlichen Strange zieht. Die Mehrzahl der talentlosen Kinder, die ihre Zeit am Klavier vergeuden, sind Mädchen, — und bei dem schönen Geschlecht ist der Musik-Dilettantismus häufig nur Mittel zum Zweck. Das galt schon im alten Rom, dessen unmusikalisch veranlagte Töchter mit ihrem forcirten Musik-Betrieb vielfach an die ebenso unmusikalisch veranlagten Engländerinnen und Amerikanerinnen von heute erinnern. Das Spielen und Trällern, selbst wenn die Kunst im höheren Sinne dabei zu kurz kam, galt den verfeinerten Spät-Quiritinnen als die Vorbedingung echter Salonfähigkeit. Der Dichter Statius spricht in klangvollen Versen die Hoffnung aus, seine geliebte Tochter werde nun ganz gewiß bald einen Freier bekommen, da sie im Punkte der musikalischen Bildung allen Anforderungen der Neuzeit entspreche. 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So schreibt zum Beispiel der jüngere Plinius von seiner liebenswürdigen, aber keineswegs exceptionell veranlagten Gattin Kalpurnia:
„Sie componirt und singt meine Verse zur Kithara, ohne von einem andern Künstler Unterricht erhalten zu haben, als von Amor, der ja von jeher der beste Lehrmeister war.“
Unter solchen Verhältnissen ging das an: wie’s aber jetzt steht, opfert ein unmusikalisches Kind einem fast wertlosen Ziel seine besten Erholungsstunden, beziehungsweise die Zeit, die es aus die Erlernung weit wichtigerer und für seine Zukunft vorteilhafterer Dinge hätte verwenden können.
Und warum? Nur weil es die Mode verlangt, die conventionelle Rücksichtslosigkeit, die uns knechtet, die musikalische Tyrannei, die hier mit einer mächtigen Bundesgenossin, der Eitelkeit, an dem nämlichen Strange zieht. Die Mehrzahl der talentlosen Kinder, die ihre Zeit am Klavier vergeuden, sind Mädchen, — und bei dem schönen Geschlecht ist der Musik-Dilettantismus häufig nur Mittel zum Zweck. Das galt schon im alten Rom, dessen unmusikalisch veranlagte Töchter mit ihrem forcirten Musik-Betrieb vielfach an die ebenso unmusikalisch veranlagten Engländerinnen und Amerikanerinnen von heute erinnern. Das Spielen und Trällern, selbst wenn die Kunst im höheren Sinne dabei zu kurz kam, galt den verfeinerten Spät-Quiritinnen als die Vorbedingung echter Salonfähigkeit. Der Dichter Statius spricht in klangvollen Versen die Hoffnung aus, seine geliebte Tochter werde nun ganz gewiß bald einen Freier bekommen, da sie im Punkte der musikalischen Bildung allen Anforderungen der Neuzeit entspreche. Ich weiß im Augenblick nicht, ob der
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