Eine hiesige junge Sängerin, fuhr ich fort, die das T. und D. gleichfalls nicht unterscheiden konnte, hatte neulich zu sagen: "Ich will dich den Eingeweihten übergeben." Da sie aber das T. wie D. sprach, so klang es, als sagte sie: "Ich will dich den Eingeweiden übergeben."
So hatte neulich, fuhr ich fort, ein hiesiger Schau¬ spieler, der eine Bedientenrolle spielte, einem Fremden zu sagen: "Mein Herr ist nicht zu Haus, er sitzt im Rathe." Da er aber das T. vom D. nicht unterschied, so klang es, als sagte er: "Mein Herr ist nicht zu Haus, er sitzt im Rade."
"Auch diese Fälle, sagte Goethe, sind nicht schlecht und wir wollen sie uns merken. So wenn Einer das P. und B. nicht unterscheidet und ausrufen soll: Packe ihn an! aber statt dessen ruft: Backe ihn an! so ist es abermals lächerlich."
"Gleicherweise, fuhr Goethe fort, wird hier das Ü häufig wie I ausgesprochen, wodurch nicht weniger die schändlichsten Mißverständnisse veranlaßt werden. So habe ich nicht selten statt Küstenbewohner -- Kisten¬ bewohner, statt Thürstück -- Thierstück, statt gründlich -- grindlich, statt Trübe -- Triebe, und statt Ihr müßt -- Ihr mißt vernehmen müssen, nicht ohne An¬ wandlung von einigem Lachen."
Dieser Art, versetzte ich, ist mir neulich im Theater ein sehr spaßhafter Fall vorgekommen, wo eine Dame in einer mißlichen Lage einem Manne folgen soll, den
Eine hieſige junge Sängerin, fuhr ich fort, die das T. und D. gleichfalls nicht unterſcheiden konnte, hatte neulich zu ſagen: „Ich will dich den Eingeweihten übergeben.“ Da ſie aber das T. wie D. ſprach, ſo klang es, als ſagte ſie: „Ich will dich den Eingeweiden übergeben.“
So hatte neulich, fuhr ich fort, ein hieſiger Schau¬ ſpieler, der eine Bedientenrolle ſpielte, einem Fremden zu ſagen: „Mein Herr iſt nicht zu Haus, er ſitzt im Rathe.“ Da er aber das T. vom D. nicht unterſchied, ſo klang es, als ſagte er: „Mein Herr iſt nicht zu Haus, er ſitzt im Rade.“
„Auch dieſe Fälle, ſagte Goethe, ſind nicht ſchlecht und wir wollen ſie uns merken. So wenn Einer das P. und B. nicht unterſcheidet und ausrufen ſoll: Packe ihn an! aber ſtatt deſſen ruft: Backe ihn an! ſo iſt es abermals lächerlich.“
„Gleicherweiſe, fuhr Goethe fort, wird hier das Ü häufig wie I ausgeſprochen, wodurch nicht weniger die ſchändlichſten Mißverſtändniſſe veranlaßt werden. So habe ich nicht ſelten ſtatt Küſtenbewohner — Kiſten¬ bewohner, ſtatt Thürſtück — Thierſtück, ſtatt gründlich — grindlich, ſtatt Trübe — Triebe, und ſtatt Ihr müßt — Ihr mißt vernehmen müſſen, nicht ohne An¬ wandlung von einigem Lachen.“
Dieſer Art, verſetzte ich, iſt mir neulich im Theater ein ſehr ſpaßhafter Fall vorgekommen, wo eine Dame in einer mißlichen Lage einem Manne folgen ſoll, den
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Eine hieſige junge Sängerin, fuhr ich fort, die das T.
und D. gleichfalls nicht unterſcheiden konnte, hatte neulich
zu ſagen: „Ich will dich den Eingeweihten übergeben.“
Da ſie aber das T. wie D. ſprach, ſo klang es, als
ſagte ſie: „Ich will dich den Eingeweiden übergeben.“
So hatte neulich, fuhr ich fort, ein hieſiger Schau¬
ſpieler, der eine Bedientenrolle ſpielte, einem Fremden
zu ſagen: „Mein Herr iſt nicht zu Haus, er ſitzt im
Rathe.“ Da er aber das T. vom D. nicht unterſchied,
ſo klang es, als ſagte er: „Mein Herr iſt nicht zu
Haus, er ſitzt im Rade.“
„Auch dieſe Fälle, ſagte Goethe, ſind nicht ſchlecht
und wir wollen ſie uns merken. So wenn Einer das
P. und B. nicht unterſcheidet und ausrufen ſoll: Packe
ihn an! aber ſtatt deſſen ruft: Backe ihn an! ſo iſt es
abermals lächerlich.“
„Gleicherweiſe, fuhr Goethe fort, wird hier das
Ü häufig wie I ausgeſprochen, wodurch nicht weniger
die ſchändlichſten Mißverſtändniſſe veranlaßt werden.
So habe ich nicht ſelten ſtatt Küſtenbewohner — Kiſten¬
bewohner, ſtatt Thürſtück — Thierſtück, ſtatt gründlich
— grindlich, ſtatt Trübe — Triebe, und ſtatt Ihr
müßt — Ihr mißt vernehmen müſſen, nicht ohne An¬
wandlung von einigem Lachen.“
Dieſer Art, verſetzte ich, iſt mir neulich im Theater
ein ſehr ſpaßhafter Fall vorgekommen, wo eine Dame
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/70>, abgerufen am 23.11.2024.
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