so in Anregung zu erhalten weiß, daß es doch nun bald ein Jahr besteht. Es ist freilich nur ein dilet¬ tantischer Spaß, und ich weiß recht gut, daß nichts Großes und Dauerhaftes dabei herauskommt; allein es ist doch artig und gewissermaßen ein Spiegel der geistigen Höhe unserer jetzigen Weimar'schen Gesell¬ schaft. Und dann, was die Hauptsache ist, es giebt unse¬ ren jungen Herren und Damen, die oft gar nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen, etwas zu thun; auch haben sie dadurch einen geistigen Mittelpunkt, der ihnen Gegenstände der Besprechung und Unterhaltung bietet und sie also gegen den ganz nichtigen und hohlen Klatsch schützet. Ich lese jedes Blatt, so wie es frisch aus der Presse kommt, und kann sagen, daß mir im Ganzen noch nichts Ungeschicktes vorgekommen ist, vielmehr mitunter sogar einiges recht Hübsche. Was wollen Sie z. B. gegen die Elegie der Frau von Bechtolsheim auf den Tod der Frau Großherzogin Mutter einwenden? Ist das Gedicht nicht sehr artig? Das Einzige, was sich gegen dieses, sowie gegen das Meiste unserer jungen Damen und Herren sagen ließe, wäre etwa, daß sie, gleich zu saftreichen Bäumen, die eine Menge Schmarotzer-Schößlinge treiben, einen Ueber¬ fluß von Gedanken und Empfindungen haben, deren sie nicht Herr sind, so daß sie sich selten zu beschrän¬ ken und da aufzuhören wissen, wo es gut wäre. Die¬ ses ist auch der Frau v. Bechtolsheim passirt. Um
ſo in Anregung zu erhalten weiß, daß es doch nun bald ein Jahr beſteht. Es iſt freilich nur ein dilet¬ tantiſcher Spaß, und ich weiß recht gut, daß nichts Großes und Dauerhaftes dabei herauskommt; allein es iſt doch artig und gewiſſermaßen ein Spiegel der geiſtigen Höhe unſerer jetzigen Weimar'ſchen Geſell¬ ſchaft. Und dann, was die Hauptſache iſt, es giebt unſe¬ ren jungen Herren und Damen, die oft gar nicht wiſſen, was ſie mit ſich anfangen ſollen, etwas zu thun; auch haben ſie dadurch einen geiſtigen Mittelpunkt, der ihnen Gegenſtände der Beſprechung und Unterhaltung bietet und ſie alſo gegen den ganz nichtigen und hohlen Klatſch ſchützet. Ich leſe jedes Blatt, ſo wie es friſch aus der Preſſe kommt, und kann ſagen, daß mir im Ganzen noch nichts Ungeſchicktes vorgekommen iſt, vielmehr mitunter ſogar einiges recht Hübſche. Was wollen Sie z. B. gegen die Elegie der Frau von Bechtolsheim auf den Tod der Frau Großherzogin Mutter einwenden? Iſt das Gedicht nicht ſehr artig? Das Einzige, was ſich gegen dieſes, ſowie gegen das Meiſte unſerer jungen Damen und Herren ſagen ließe, wäre etwa, daß ſie, gleich zu ſaftreichen Bäumen, die eine Menge Schmarotzer-Schößlinge treiben, einen Ueber¬ fluß von Gedanken und Empfindungen haben, deren ſie nicht Herr ſind, ſo daß ſie ſich ſelten zu beſchrän¬ ken und da aufzuhören wiſſen, wo es gut wäre. Die¬ ſes iſt auch der Frau v. Bechtolsheim paſſirt. Um
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ſo in Anregung zu erhalten weiß, daß es doch nun
bald ein Jahr beſteht. Es iſt freilich nur ein dilet¬
tantiſcher Spaß, und ich weiß recht gut, daß nichts
Großes und Dauerhaftes dabei herauskommt; allein es
iſt doch artig und gewiſſermaßen ein Spiegel der
geiſtigen Höhe unſerer jetzigen Weimar'ſchen Geſell¬
ſchaft. Und dann, was die Hauptſache iſt, es giebt unſe¬
ren jungen Herren und Damen, die oft gar nicht wiſſen,
was ſie mit ſich anfangen ſollen, etwas zu thun; auch
haben ſie dadurch einen geiſtigen Mittelpunkt, der ihnen
Gegenſtände der Beſprechung und Unterhaltung bietet
und ſie alſo gegen den ganz nichtigen und hohlen
Klatſch ſchützet. Ich leſe jedes Blatt, ſo wie es friſch
aus der Preſſe kommt, und kann ſagen, daß mir im
Ganzen noch nichts Ungeſchicktes vorgekommen iſt,
vielmehr mitunter ſogar einiges recht Hübſche. Was
wollen Sie z. B. gegen die Elegie der Frau von
Bechtolsheim auf den Tod der Frau Großherzogin
Mutter einwenden? Iſt das Gedicht nicht ſehr artig?
Das Einzige, was ſich gegen dieſes, ſowie gegen das
Meiſte unſerer jungen Damen und Herren ſagen ließe,
wäre etwa, daß ſie, gleich zu ſaftreichen Bäumen, die
eine Menge Schmarotzer-Schößlinge treiben, einen Ueber¬
fluß von Gedanken und Empfindungen haben, deren
ſie nicht Herr ſind, ſo daß ſie ſich ſelten zu beſchrän¬
ken und da aufzuhören wiſſen, wo es gut wäre. Die¬
ſes iſt auch der Frau v. Bechtolsheim paſſirt. Um
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/358>, abgerufen am 21.11.2024.
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