"Lassen wir das, mein Guter! erwiederte Goethe. Es ist eine absurde Welt, die nicht weiß, was sie will, und die man muß reden und gewähren lassen. -- Wie hätte ich die Waffen ergreifen können ohne Haß! und wie hätte ich hassen können ohne Jugend! Hätte je¬ nes Ereigniß mich als einen Zwanzigjährigen getroffen, so wäre ich sicher nicht der Letzte geblieben; allein es fand mich als Einen, der bereits über die ersten sechszig hinaus war."
"Auch können wir dem Vaterlande nicht auf gleiche Weise dienen, sondern Jeder thut sein Bestes, je nach¬ dem Gott es ihm gegeben. Ich habe es mir ein hal¬ bes Jahrhundert lang sauer genug werden lassen. Ich kann sagen, ich habe in den Dingen, die die Natur mir zum Tagewerk bestimmt, mir Tag und Nacht keine Ruhe gelassen und mir keine Erholung gegönnt, sondern immer gestrebt und geforscht und gethan, so gut und so viel ich konnte. Wenn Jeder von sich dasselbe sagen kann, so wird es um Alle gut stehen."
Im Grunde, versetzte ich begütigend, sollte Sie jener Vorwurf nicht verdrießen, vielmehr könnten Sie sich darauf etwas einbilden. Denn was will das anders sagen, als daß die Meinung der Welt von Ihnen so groß ist, daß sie verlangen, daß derjenige, der für die Cultur seiner Nation mehr gethan, als irgend ein An¬ derer, nun endlich Alles hätte thun sollen!
"Ich mag nicht sagen, wie ich denke, erwiederte
„Laſſen wir das, mein Guter! erwiederte Goethe. Es iſt eine abſurde Welt, die nicht weiß, was ſie will, und die man muß reden und gewähren laſſen. — Wie hätte ich die Waffen ergreifen können ohne Haß! und wie hätte ich haſſen können ohne Jugend! Hätte je¬ nes Ereigniß mich als einen Zwanzigjährigen getroffen, ſo wäre ich ſicher nicht der Letzte geblieben; allein es fand mich als Einen, der bereits über die erſten ſechszig hinaus war.“
„Auch können wir dem Vaterlande nicht auf gleiche Weiſe dienen, ſondern Jeder thut ſein Beſtes, je nach¬ dem Gott es ihm gegeben. Ich habe es mir ein hal¬ bes Jahrhundert lang ſauer genug werden laſſen. Ich kann ſagen, ich habe in den Dingen, die die Natur mir zum Tagewerk beſtimmt, mir Tag und Nacht keine Ruhe gelaſſen und mir keine Erholung gegönnt, ſondern immer geſtrebt und geforſcht und gethan, ſo gut und ſo viel ich konnte. Wenn Jeder von ſich daſſelbe ſagen kann, ſo wird es um Alle gut ſtehen.“
Im Grunde, verſetzte ich begütigend, ſollte Sie jener Vorwurf nicht verdrießen, vielmehr könnten Sie ſich darauf etwas einbilden. Denn was will das anders ſagen, als daß die Meinung der Welt von Ihnen ſo groß iſt, daß ſie verlangen, daß derjenige, der für die Cultur ſeiner Nation mehr gethan, als irgend ein An¬ derer, nun endlich Alles hätte thun ſollen!
„Ich mag nicht ſagen, wie ich denke, erwiederte
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„Laſſen wir das, mein Guter! erwiederte Goethe.
Es iſt eine abſurde Welt, die nicht weiß, was ſie will,
und die man muß reden und gewähren laſſen. — Wie
hätte ich die Waffen ergreifen können ohne Haß! und
wie hätte ich haſſen können ohne Jugend! Hätte je¬
nes Ereigniß mich als einen Zwanzigjährigen getroffen,
ſo wäre ich ſicher nicht der Letzte geblieben; allein es
fand mich als Einen, der bereits über die erſten ſechszig
hinaus war.“
„Auch können wir dem Vaterlande nicht auf gleiche
Weiſe dienen, ſondern Jeder thut ſein Beſtes, je nach¬
dem Gott es ihm gegeben. Ich habe es mir ein hal¬
bes Jahrhundert lang ſauer genug werden laſſen. Ich
kann ſagen, ich habe in den Dingen, die die Natur mir
zum Tagewerk beſtimmt, mir Tag und Nacht keine
Ruhe gelaſſen und mir keine Erholung gegönnt, ſondern
immer geſtrebt und geforſcht und gethan, ſo gut und
ſo viel ich konnte. Wenn Jeder von ſich daſſelbe ſagen
kann, ſo wird es um Alle gut ſtehen.“
Im Grunde, verſetzte ich begütigend, ſollte Sie jener
Vorwurf nicht verdrießen, vielmehr könnten Sie ſich
darauf etwas einbilden. Denn was will das anders
ſagen, als daß die Meinung der Welt von Ihnen ſo
groß iſt, daß ſie verlangen, daß derjenige, der für die
Cultur ſeiner Nation mehr gethan, als irgend ein An¬
derer, nun endlich Alles hätte thun ſollen!
„Ich mag nicht ſagen, wie ich denke, erwiederte
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/335>, abgerufen am 23.11.2024.
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