Zunächst, erwiederte ich, geht die erste Brut ver¬ loren. Denn im Fall auch die Eyer des Singvogels neben dem Kuckucks-Ey, wie es wohl geschieht, mit ausgebrütet würden; so haben doch die Eltern über den entstandenen größeren Vogel eine solche Freude und für ihn eine solche Zärtlichkeit, daß sie nur an ihn denken und nur ihn füttern, worüber denn ihre eigenen kleinen Jungen zu Grunde gehen und aus dem Neste verschwinden. Auch ist der junge Kuckuck immer begierig und bedarf so viel Nahrung, als die kleinen Insecten-Vögel nur immer herbeischleppen kön¬ nen. Es dauert sehr lange, ehe er seine vollständige Größe und sein vollständiges Gefieder erreicht, und ehe er fähig ist das Nest zu verlassen und sich zum Gipfel eines Baumes zu erheben. Ist er aber auch längst ausgeflogen, so verlangt er doch noch fortwährend gefüttert zu werden, so daß der ganze Sommer darü¬ ber hingeht und die liebevollen Pflegeeltern ihrem gro¬ ßen Kinde immer nachziehen und auch an eine zweite Brut nicht denken. Aus diesem Grunde gehen denn über einen einzigen jungen Kuckuck so viele andere junge Vögel verloren.
"Das ist sehr überzeugend, erwiederte Goethe. Doch sagen Sie mir, wird denn der junge Kuckuck, sobald er ausgeflogen ist, auch von anderen Vögeln gefüttert, die ihn nicht gebrütet haben? Es ist mir, als hätte ich dergleichen gehört."
Zunächſt, erwiederte ich, geht die erſte Brut ver¬ loren. Denn im Fall auch die Eyer des Singvogels neben dem Kuckucks-Ey, wie es wohl geſchieht, mit ausgebrütet würden; ſo haben doch die Eltern über den entſtandenen größeren Vogel eine ſolche Freude und für ihn eine ſolche Zärtlichkeit, daß ſie nur an ihn denken und nur ihn füttern, worüber denn ihre eigenen kleinen Jungen zu Grunde gehen und aus dem Neſte verſchwinden. Auch iſt der junge Kuckuck immer begierig und bedarf ſo viel Nahrung, als die kleinen Inſecten-Vögel nur immer herbeiſchleppen kön¬ nen. Es dauert ſehr lange, ehe er ſeine vollſtändige Größe und ſein vollſtändiges Gefieder erreicht, und ehe er fähig iſt das Neſt zu verlaſſen und ſich zum Gipfel eines Baumes zu erheben. Iſt er aber auch längſt ausgeflogen, ſo verlangt er doch noch fortwährend gefüttert zu werden, ſo daß der ganze Sommer darü¬ ber hingeht und die liebevollen Pflegeeltern ihrem gro¬ ßen Kinde immer nachziehen und auch an eine zweite Brut nicht denken. Aus dieſem Grunde gehen denn über einen einzigen jungen Kuckuck ſo viele andere junge Vögel verloren.
„Das iſt ſehr überzeugend, erwiederte Goethe. Doch ſagen Sie mir, wird denn der junge Kuckuck, ſobald er ausgeflogen iſt, auch von anderen Vögeln gefüttert, die ihn nicht gebrütet haben? Es iſt mir, als hätte ich dergleichen gehört.“
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Zunächſt, erwiederte ich, geht die erſte Brut ver¬
loren. Denn im Fall auch die Eyer des Singvogels
neben dem Kuckucks-Ey, wie es wohl geſchieht, mit
ausgebrütet würden; ſo haben doch die Eltern über
den entſtandenen größeren Vogel eine ſolche Freude
und für ihn eine ſolche Zärtlichkeit, daß ſie nur an
ihn denken und nur ihn füttern, worüber denn ihre
eigenen kleinen Jungen zu Grunde gehen und aus
dem Neſte verſchwinden. Auch iſt der junge Kuckuck
immer begierig und bedarf ſo viel Nahrung, als die
kleinen Inſecten-Vögel nur immer herbeiſchleppen kön¬
nen. Es dauert ſehr lange, ehe er ſeine vollſtändige
Größe und ſein vollſtändiges Gefieder erreicht, und
ehe er fähig iſt das Neſt zu verlaſſen und ſich zum
Gipfel eines Baumes zu erheben. Iſt er aber auch
längſt ausgeflogen, ſo verlangt er doch noch fortwährend
gefüttert zu werden, ſo daß der ganze Sommer darü¬
ber hingeht und die liebevollen Pflegeeltern ihrem gro¬
ßen Kinde immer nachziehen und auch an eine zweite
Brut nicht denken. Aus dieſem Grunde gehen denn
über einen einzigen jungen Kuckuck ſo viele andere
junge Vögel verloren.
„Das iſt ſehr überzeugend, erwiederte Goethe. Doch
ſagen Sie mir, wird denn der junge Kuckuck, ſobald er
ausgeflogen iſt, auch von anderen Vögeln gefüttert,
die ihn nicht gebrütet haben? Es iſt mir, als hätte
ich dergleichen gehört.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/237>, abgerufen am 24.11.2024.
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