den Zeilen zu lesen war. Wie richtig hat er bemerkt, daß ich in den ersten zehn Jahren meines Weimar'schen Dienst- und Hoflebens so gut wie gar nichts gemacht, daß die Verzweiflung mich nach Italien getrieben, und daß ich dort, mit neuer Lust zum Schaffen, die Geschichte des Tasso ergriffen, um mich in Behandlung dieses angemessenen Stoffes von demjenigen frei zu machen, was mir noch aus meinen Weimar'schen Eindrücken und Erinnerungen Schmerzliches und Lästiges anklebte. Sehr treffend nennt er daher auch den Tasso einen gesteigerten Werther."
"Sodann über den Faust äußert er sich nicht weni¬ ger geistreich, indem er nicht bloß das düstere, unbe¬ friedigte Streben der Hauptfigur, sondern auch den Hohn und die herbe Ironie des Mephistopheles als Theile meines eigenen Wesens bezeichnet."
In dieser und ähnlicher anerkennenden Weise sprach Goethe über Herrn Ampere sehr oft; wir faßten für ihn ein entschiedenes Interesse, wir suchten uns seine Persönlichkeit klar zu machen, und wenn uns dieses auch nicht gelingen konnte, so waren wir doch darüber einig, daß es ein Mann von mittleren Jahren seyn müsse, um die Wechselwirkung von Leben und Dichten so aus dem Grunde zu verstehen.
Sehr überrascht waren wir daher, als Herr Ampere vor einigen Tagen in Weimar eintraf und sich uns als ein lebensfroher Jüngling von einigen zwanzig Jahren
den Zeilen zu leſen war. Wie richtig hat er bemerkt, daß ich in den erſten zehn Jahren meines Weimar'ſchen Dienſt- und Hoflebens ſo gut wie gar nichts gemacht, daß die Verzweiflung mich nach Italien getrieben, und daß ich dort, mit neuer Luſt zum Schaffen, die Geſchichte des Taſſo ergriffen, um mich in Behandlung dieſes angemeſſenen Stoffes von demjenigen frei zu machen, was mir noch aus meinen Weimar'ſchen Eindrücken und Erinnerungen Schmerzliches und Läſtiges anklebte. Sehr treffend nennt er daher auch den Taſſo einen geſteigerten Werther.“
„Sodann über den Fauſt äußert er ſich nicht weni¬ ger geiſtreich, indem er nicht bloß das düſtere, unbe¬ friedigte Streben der Hauptfigur, ſondern auch den Hohn und die herbe Ironie des Mephiſtopheles als Theile meines eigenen Weſens bezeichnet.“
In dieſer und ähnlicher anerkennenden Weiſe ſprach Goethe über Herrn Ampère ſehr oft; wir faßten für ihn ein entſchiedenes Intereſſe, wir ſuchten uns ſeine Perſönlichkeit klar zu machen, und wenn uns dieſes auch nicht gelingen konnte, ſo waren wir doch darüber einig, daß es ein Mann von mittleren Jahren ſeyn müſſe, um die Wechſelwirkung von Leben und Dichten ſo aus dem Grunde zu verſtehen.
Sehr überraſcht waren wir daher, als Herr Ampère vor einigen Tagen in Weimar eintraf und ſich uns als ein lebensfroher Jüngling von einigen zwanzig Jahren
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den Zeilen zu leſen war. Wie richtig hat er bemerkt,
daß ich in den erſten zehn Jahren meines Weimar'ſchen
Dienſt- und Hoflebens ſo gut wie gar nichts gemacht,
daß die Verzweiflung mich nach Italien getrieben, und
daß ich dort, mit neuer Luſt zum Schaffen, die Geſchichte
des Taſſo ergriffen, um mich in Behandlung dieſes
angemeſſenen Stoffes von demjenigen frei zu machen,
was mir noch aus meinen Weimar'ſchen Eindrücken
und Erinnerungen Schmerzliches und Läſtiges anklebte.
Sehr treffend nennt er daher auch den Taſſo einen
geſteigerten Werther.“
„Sodann über den Fauſt äußert er ſich nicht weni¬
ger geiſtreich, indem er nicht bloß das düſtere, unbe¬
friedigte Streben der Hauptfigur, ſondern auch den
Hohn und die herbe Ironie des Mephiſtopheles als
Theile meines eigenen Weſens bezeichnet.“
In dieſer und ähnlicher anerkennenden Weiſe ſprach
Goethe über Herrn Ampère ſehr oft; wir faßten für
ihn ein entſchiedenes Intereſſe, wir ſuchten uns ſeine
Perſönlichkeit klar zu machen, und wenn uns dieſes
auch nicht gelingen konnte, ſo waren wir doch darüber
einig, daß es ein Mann von mittleren Jahren ſeyn
müſſe, um die Wechſelwirkung von Leben und Dichten
ſo aus dem Grunde zu verſtehen.
Sehr überraſcht waren wir daher, als Herr Ampère
vor einigen Tagen in Weimar eintraf und ſich uns als
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/182>, abgerufen am 21.11.2024.
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