harten Gegenstand nicht zu zersplittern. Das Schwie¬ rigste und Künstlichste war aber jetzt noch zu thun, nämlich den Pfeil zu befiedern. Was habe ich da gepfuscht und für Mißgriffe gethan, ehe es mir gelang und ich es darin zu einiger Geschicklichkeit brachte!
"Nicht wahr, sagte Goethe, die Federn werden nicht in den Schaft eingelassen, sondern aufgeleimt?"
Sie werden aufgeleimt, erwiederte ich; aber das muß so fest, zierlich und gut geschehen, daß es aussieht, als wären sie mit dem Schafte eins und aus ihm her¬ vor gewachsen. Auch ist es nicht gleichgültig, welchen Leim man nimmt. Ich habe gefunden, daß Hausenblase, einige Stunden in Wasser eingeweicht und dann mit etwas hinzugegossenem Spiritus über gelindem Kohlen¬ feuer schleimartig aufgelöst, das Beste war. Auch sind die aufzuleimenden Federn nicht von einerlei Brauch¬ barkeit. Zwar sind die abgezogenen Fahnen der Schwung¬ federn jedes großen Vogels gut, doch habe ich die rothen Flügelfedern des Pfau's, die großen Federn des Truthahn's, besonders aber die starken und prächtigen von Adler und Trappe als die vorzüglichsten gefunden.
"Ich höre dieses Alles mit großem Interesse, sagte Goethe. Wer Sie nicht kennt, sollte kaum glauben, daß Ihre Richtungen so lebendig wären. Aber sagen Sie mir nun auch, wie Sie zu einem Bogen gekommen."
Ich habe mir selber einige gemacht, erwiederte ich. Aber dabei anfänglich auch wieder ganz entsetzlich
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harten Gegenſtand nicht zu zerſplittern. Das Schwie¬ rigſte und Künſtlichſte war aber jetzt noch zu thun, nämlich den Pfeil zu befiedern. Was habe ich da gepfuſcht und für Mißgriffe gethan, ehe es mir gelang und ich es darin zu einiger Geſchicklichkeit brachte!
„Nicht wahr, ſagte Goethe, die Federn werden nicht in den Schaft eingelaſſen, ſondern aufgeleimt?“
Sie werden aufgeleimt, erwiederte ich; aber das muß ſo feſt, zierlich und gut geſchehen, daß es ausſieht, als wären ſie mit dem Schafte eins und aus ihm her¬ vor gewachſen. Auch iſt es nicht gleichgültig, welchen Leim man nimmt. Ich habe gefunden, daß Hauſenblaſe, einige Stunden in Waſſer eingeweicht und dann mit etwas hinzugegoſſenem Spiritus über gelindem Kohlen¬ feuer ſchleimartig aufgelöſt, das Beſte war. Auch ſind die aufzuleimenden Federn nicht von einerlei Brauch¬ barkeit. Zwar ſind die abgezogenen Fahnen der Schwung¬ federn jedes großen Vogels gut, doch habe ich die rothen Flügelfedern des Pfau's, die großen Federn des Truthahn's, beſonders aber die ſtarken und prächtigen von Adler und Trappe als die vorzüglichſten gefunden.
„Ich höre dieſes Alles mit großem Intereſſe, ſagte Goethe. Wer Sie nicht kennt, ſollte kaum glauben, daß Ihre Richtungen ſo lebendig wären. Aber ſagen Sie mir nun auch, wie Sie zu einem Bogen gekommen.“
Ich habe mir ſelber einige gemacht, erwiederte ich. Aber dabei anfänglich auch wieder ganz entſetzlich
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harten Gegenſtand nicht zu zerſplittern. Das Schwie¬
rigſte und Künſtlichſte war aber jetzt noch zu thun,
nämlich den Pfeil zu befiedern. Was habe ich da
gepfuſcht und für Mißgriffe gethan, ehe es mir gelang
und ich es darin zu einiger Geſchicklichkeit brachte!
„Nicht wahr, ſagte Goethe, die Federn werden nicht
in den Schaft eingelaſſen, ſondern aufgeleimt?“
Sie werden aufgeleimt, erwiederte ich; aber das
muß ſo feſt, zierlich und gut geſchehen, daß es ausſieht,
als wären ſie mit dem Schafte eins und aus ihm her¬
vor gewachſen. Auch iſt es nicht gleichgültig, welchen
Leim man nimmt. Ich habe gefunden, daß Hauſenblaſe,
einige Stunden in Waſſer eingeweicht und dann mit
etwas hinzugegoſſenem Spiritus über gelindem Kohlen¬
feuer ſchleimartig aufgelöſt, das Beſte war. Auch ſind
die aufzuleimenden Federn nicht von einerlei Brauch¬
barkeit. Zwar ſind die abgezogenen Fahnen der Schwung¬
federn jedes großen Vogels gut, doch habe ich die
rothen Flügelfedern des Pfau's, die großen Federn des
Truthahn's, beſonders aber die ſtarken und prächtigen
von Adler und Trappe als die vorzüglichſten gefunden.
„Ich höre dieſes Alles mit großem Intereſſe, ſagte
Goethe. Wer Sie nicht kennt, ſollte kaum glauben,
daß Ihre Richtungen ſo lebendig wären. Aber ſagen
Sie mir nun auch, wie Sie zu einem Bogen gekommen.“
Ich habe mir ſelber einige gemacht, erwiederte ich.
Aber dabei anfänglich auch wieder ganz entſetzlich
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/121>, abgerufen am 24.11.2024.
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