bläulichem oder grünlichem Glase. Doch stehe noch Fol¬ gendes zu weiterer Bestätigung.
Das Licht, vom Auge des Geistes geschaut, mag als durchaus weiß gedacht werden; allein das empirische, vom körperlichen Auge wahrgenommene Licht wird selten in solcher Reinheit gesehen; vielmehr hat es, durch Dünste oder sonst modificirt, die Neigung, sich entweder für die Plus- oder Minus-Seite zu bestimmen, und entweder mit einem gelblichen oder bläulichen Ton zu erscheinen. Das unmittelbare Sonnenlicht neigt sich in solchem Fall entschieden zur Plus-Seite, zum gelblichen, das Kerzenlicht gleichfalls; das Licht des Mondes aber, so wie das bey der Morgen- und Abenddämmerung wirkende Tageslicht, welches beydes keine directe, sondern reflectirte Lichter sind, die überdieß durch Dämmerung und Nacht modificirt werden, neigen sich auf die passive, auf die Minus-Seite und kommen zum Auge in einem bläulichen Ton.
Man lege in der Dämmerung, oder bey Monden¬ schein, einen weißen Bogen Papier so, daß dessen eine Hälfte vom Mond oder Tageslichte, dessen andere aber vom Kerzenlichte beschienen werde, so wird die eine Hälfte einen bläulichen, die andere einen gelblichen Ton haben, und so werden beyde Lichter, ohne hin¬ zugekommenen Schatten, und ohne subjective Stei¬ gerung, bereits auf der activen oder passiven Seite sich befinden.
II. 6
blaͤulichem oder gruͤnlichem Glaſe. Doch ſtehe noch Fol¬ gendes zu weiterer Beſtaͤtigung.
Das Licht, vom Auge des Geiſtes geſchaut, mag als durchaus weiß gedacht werden; allein das empiriſche, vom koͤrperlichen Auge wahrgenommene Licht wird ſelten in ſolcher Reinheit geſehen; vielmehr hat es, durch Duͤnſte oder ſonſt modificirt, die Neigung, ſich entweder fuͤr die Plus- oder Minus-Seite zu beſtimmen, und entweder mit einem gelblichen oder blaͤulichen Ton zu erſcheinen. Das unmittelbare Sonnenlicht neigt ſich in ſolchem Fall entſchieden zur Plus-Seite, zum gelblichen, das Kerzenlicht gleichfalls; das Licht des Mondes aber, ſo wie das bey der Morgen- und Abenddaͤmmerung wirkende Tageslicht, welches beydes keine directe, ſondern reflectirte Lichter ſind, die uͤberdieß durch Daͤmmerung und Nacht modificirt werden, neigen ſich auf die paſſive, auf die Minus-Seite und kommen zum Auge in einem blaͤulichen Ton.
Man lege in der Daͤmmerung, oder bey Monden¬ ſchein, einen weißen Bogen Papier ſo, daß deſſen eine Haͤlfte vom Mond oder Tageslichte, deſſen andere aber vom Kerzenlichte beſchienen werde, ſo wird die eine Haͤlfte einen blaͤulichen, die andere einen gelblichen Ton haben, und ſo werden beyde Lichter, ohne hin¬ zugekommenen Schatten, und ohne ſubjective Stei¬ gerung, bereits auf der activen oder paſſiven Seite ſich befinden.
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blaͤulichem oder gruͤnlichem Glaſe. Doch ſtehe noch Fol¬
gendes zu weiterer Beſtaͤtigung.
Das Licht, vom Auge des Geiſtes geſchaut, mag
als durchaus weiß gedacht werden; allein das empiriſche,
vom koͤrperlichen Auge wahrgenommene Licht wird ſelten
in ſolcher Reinheit geſehen; vielmehr hat es, durch
Duͤnſte oder ſonſt modificirt, die Neigung, ſich entweder
fuͤr die Plus- oder Minus-Seite zu beſtimmen, und
entweder mit einem gelblichen oder blaͤulichen Ton zu
erſcheinen. Das unmittelbare Sonnenlicht neigt ſich in
ſolchem Fall entſchieden zur Plus-Seite, zum gelblichen,
das Kerzenlicht gleichfalls; das Licht des Mondes aber,
ſo wie das bey der Morgen- und Abenddaͤmmerung
wirkende Tageslicht, welches beydes keine directe, ſondern
reflectirte Lichter ſind, die uͤberdieß durch Daͤmmerung
und Nacht modificirt werden, neigen ſich auf die paſſive,
auf die Minus-Seite und kommen zum Auge in einem
blaͤulichen Ton.
Man lege in der Daͤmmerung, oder bey Monden¬
ſchein, einen weißen Bogen Papier ſo, daß deſſen eine
Haͤlfte vom Mond oder Tageslichte, deſſen andere aber
vom Kerzenlichte beſchienen werde, ſo wird die eine
Haͤlfte einen blaͤulichen, die andere einen gelblichen
Ton haben, und ſo werden beyde Lichter, ohne hin¬
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gerung, bereits auf der activen oder paſſiven Seite ſich
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/91>, abgerufen am 26.11.2024.
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