ich mit Goethe allein gelassen, der sich zum Ofen stellte. Ich trat in seine Nähe.
Euer Excellenz, sagte ich, haben vorhin in der Äuße¬ rung, daß die Griechen sich mit persönlicher Großheit an die Natur gewandt, ein gutes Wort gesprochen, und ich halte dafür, daß man sich von diesem Satz nicht tief genug durchdringen könne.
"Ja, mein Guter, sagte Goethe, hierauf kommt alles an. Man muß etwas seyn, um etwas zu ma¬ chen. Dante erscheint uns groß, aber er hatte eine Cultur von Jahrhunderten hinter sich; das Haus Roth¬ schild ist reich, aber es hat mehr als Ein Menschen¬ alter gekostet, um zu solchen Schätzen zu gelangen. Diese Dinge liegen alle tiefer, als man denkt. Unsere guten altdeutschelnden Künstler wissen davon nichts, sie wenden sich mit persönlicher Schwäche und künstlerischem Unvermögen zur Nachahmung der Natur, und meinen es wäre was. Sie stehen unter der Natur. Wer aber etwas Großes machen will, muß seine Bildung so ge¬ steigert haben, daß er gleich den Griechen im Stande sey, die geringere reale Natur zu der Höhe seines Gei¬ stes heranzuheben, und dasjenige wirklich zu machen, was in natürlichen Erscheinungen, aus innerer Schwäch[e] oder aus äußerem Hinderniß, nur Intention gebli[e][b]en ist."
ich mit Goethe allein gelaſſen, der ſich zum Ofen ſtellte. Ich trat in ſeine Naͤhe.
Euer Excellenz, ſagte ich, haben vorhin in der Äuße¬ rung, daß die Griechen ſich mit perſoͤnlicher Großheit an die Natur gewandt, ein gutes Wort geſprochen, und ich halte dafuͤr, daß man ſich von dieſem Satz nicht tief genug durchdringen koͤnne.
„Ja, mein Guter, ſagte Goethe, hierauf kommt alles an. Man muß etwas ſeyn, um etwas zu ma¬ chen. Dante erſcheint uns groß, aber er hatte eine Cultur von Jahrhunderten hinter ſich; das Haus Roth¬ ſchild iſt reich, aber es hat mehr als Ein Menſchen¬ alter gekoſtet, um zu ſolchen Schaͤtzen zu gelangen. Dieſe Dinge liegen alle tiefer, als man denkt. Unſere guten altdeutſchelnden Kuͤnſtler wiſſen davon nichts, ſie wenden ſich mit perſoͤnlicher Schwaͤche und kuͤnſtleriſchem Unvermoͤgen zur Nachahmung der Natur, und meinen es waͤre was. Sie ſtehen unter der Natur. Wer aber etwas Großes machen will, muß ſeine Bildung ſo ge¬ ſteigert haben, daß er gleich den Griechen im Stande ſey, die geringere reale Natur zu der Hoͤhe ſeines Gei¬ ſtes heranzuheben, und dasjenige wirklich zu machen, was in natuͤrlichen Erſcheinungen, aus innerer Schwaͤch[e] oder aus aͤußerem Hinderniß, nur Intention gebli[e][b]en iſt.“
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ich mit Goethe allein gelaſſen, der ſich zum Ofen ſtellte.
Ich trat in ſeine Naͤhe.
Euer Excellenz, ſagte ich, haben vorhin in der Äuße¬
rung, daß die Griechen ſich mit perſoͤnlicher Großheit
an die Natur gewandt, ein gutes Wort geſprochen, und
ich halte dafuͤr, daß man ſich von dieſem Satz nicht
tief genug durchdringen koͤnne.
„Ja, mein Guter, ſagte Goethe, hierauf kommt
alles an. Man muß etwas ſeyn, um etwas zu ma¬
chen. Dante erſcheint uns groß, aber er hatte eine
Cultur von Jahrhunderten hinter ſich; das Haus Roth¬
ſchild iſt reich, aber es hat mehr als Ein Menſchen¬
alter gekoſtet, um zu ſolchen Schaͤtzen zu gelangen.
Dieſe Dinge liegen alle tiefer, als man denkt. Unſere
guten altdeutſchelnden Kuͤnſtler wiſſen davon nichts, ſie
wenden ſich mit perſoͤnlicher Schwaͤche und kuͤnſtleriſchem
Unvermoͤgen zur Nachahmung der Natur, und meinen
es waͤre was. Sie ſtehen unter der Natur. Wer aber
etwas Großes machen will, muß ſeine Bildung ſo ge¬
ſteigert haben, daß er gleich den Griechen im Stande
ſey, die geringere reale Natur zu der Hoͤhe ſeines Gei¬
ſtes heranzuheben, und dasjenige wirklich zu machen,
was in natuͤrlichen Erſcheinungen, aus innerer Schwaͤche
oder aus aͤußerem Hinderniß, nur Intention geblieben iſt.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/50>, abgerufen am 25.11.2024.
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