trauen, das Sie sogleich über Vieles hinaushelfen und das Ihnen lebenslänglich zu Gute kommen soll. Meine Sachen können nicht popular werden; wer daran denkt und dafür strebt, ist in einem Irrthum. Sie sind nicht für die Masse geschrieben, sondern nur für einzelne Menschen, die etwas Ähnliches wollen und suchen, und die in ähnlichen Richtungen begriffen sind."
Er wollte weiter reden; eine junge Dame trat heran, ihn unterbrechend und ihn in ein Gespräch ziehend. Ich wendete mich zu Anderen, worauf wir uns bald zu Tisch setzten.
Von dem, was gesprochen wurde, wüßte ich nichts zu sagen; Goethe's Worte lagen mir im Sinn und be¬ schäftigten ganz mein Inneres.
Freylich, dachte ich, ein Schriftsteller wie Er, ein Geist von solcher Höhe, eine Natur von so unendlichem Umfang, wie soll der popular werden! Kann doch kaum ein kleiner Theil von ihm popular werden! Kaum ein Lied, das lustige Brüder und verliebte Mädchen singen und das für Andere wiederum nicht da ist.
Und, recht besehen, ist es nicht mit allen außeror¬ dentlichen Dingen so? Ist denn Mozart popular? Und ist es denn Raphael? -- Und verhält sich nicht die Welt gegen so große Quellen überschwenglichen geistigen Lebens überall nur wie Naschende, die froh sind, hin und wieder ein Weniges zu erhaschen, das ihnen eine Weile eine höhere Nahrung gewähre?
trauen, das Sie ſogleich uͤber Vieles hinaushelfen und das Ihnen lebenslaͤnglich zu Gute kommen ſoll. Meine Sachen koͤnnen nicht popular werden; wer daran denkt und dafuͤr ſtrebt, iſt in einem Irrthum. Sie ſind nicht fuͤr die Maſſe geſchrieben, ſondern nur fuͤr einzelne Menſchen, die etwas Ähnliches wollen und ſuchen, und die in aͤhnlichen Richtungen begriffen ſind.“
Er wollte weiter reden; eine junge Dame trat heran, ihn unterbrechend und ihn in ein Geſpraͤch ziehend. Ich wendete mich zu Anderen, worauf wir uns bald zu Tiſch ſetzten.
Von dem, was geſprochen wurde, wuͤßte ich nichts zu ſagen; Goethe's Worte lagen mir im Sinn und be¬ ſchaͤftigten ganz mein Inneres.
Freylich, dachte ich, ein Schriftſteller wie Er, ein Geiſt von ſolcher Hoͤhe, eine Natur von ſo unendlichem Umfang, wie ſoll der popular werden! Kann doch kaum ein kleiner Theil von ihm popular werden! Kaum ein Lied, das luſtige Bruͤder und verliebte Maͤdchen ſingen und das fuͤr Andere wiederum nicht da iſt.
Und, recht beſehen, iſt es nicht mit allen außeror¬ dentlichen Dingen ſo? Iſt denn Mozart popular? Und iſt es denn Raphael? — Und verhaͤlt ſich nicht die Welt gegen ſo große Quellen uͤberſchwenglichen geiſtigen Lebens uͤberall nur wie Naſchende, die froh ſind, hin und wieder ein Weniges zu erhaſchen, das ihnen eine Weile eine hoͤhere Nahrung gewaͤhre?
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0044"n="34"/>
trauen, das Sie ſogleich uͤber Vieles hinaushelfen und<lb/>
das Ihnen lebenslaͤnglich zu Gute kommen ſoll. <hirendition="#g">Meine<lb/>
Sachen koͤnnen nicht popular werden</hi>; wer<lb/>
daran denkt und dafuͤr ſtrebt, iſt in einem Irrthum.<lb/>
Sie ſind nicht fuͤr die Maſſe geſchrieben, ſondern nur<lb/>
fuͤr einzelne Menſchen, die etwas Ähnliches wollen und<lb/>ſuchen, und die in aͤhnlichen Richtungen begriffen ſind.“</p><lb/><p>Er wollte weiter reden; eine junge Dame trat heran,<lb/>
ihn unterbrechend und ihn in ein Geſpraͤch ziehend. Ich<lb/>
wendete mich zu Anderen, worauf wir uns bald zu<lb/>
Tiſch ſetzten.</p><lb/><p>Von dem, was geſprochen wurde, wuͤßte ich nichts<lb/>
zu ſagen; Goethe's Worte lagen mir im Sinn und be¬<lb/>ſchaͤftigten ganz mein Inneres.</p><lb/><p>Freylich, dachte ich, ein Schriftſteller wie Er, ein<lb/>
Geiſt von ſolcher Hoͤhe, eine Natur von ſo unendlichem<lb/>
Umfang, wie ſoll der popular werden! Kann doch kaum<lb/>
ein kleiner Theil von ihm popular werden! Kaum ein<lb/>
Lied, das luſtige Bruͤder und verliebte Maͤdchen ſingen<lb/>
und das fuͤr Andere wiederum nicht da iſt.</p><lb/><p>Und, recht beſehen, iſt es nicht mit allen außeror¬<lb/>
dentlichen Dingen ſo? Iſt denn Mozart popular? Und<lb/>
iſt es denn Raphael? — Und verhaͤlt ſich nicht die<lb/>
Welt gegen ſo große Quellen uͤberſchwenglichen geiſtigen<lb/>
Lebens uͤberall nur wie Naſchende, die froh ſind, hin<lb/>
und wieder ein Weniges zu erhaſchen, das ihnen eine<lb/>
Weile eine hoͤhere Nahrung gewaͤhre?</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[34/0044]
trauen, das Sie ſogleich uͤber Vieles hinaushelfen und
das Ihnen lebenslaͤnglich zu Gute kommen ſoll. Meine
Sachen koͤnnen nicht popular werden; wer
daran denkt und dafuͤr ſtrebt, iſt in einem Irrthum.
Sie ſind nicht fuͤr die Maſſe geſchrieben, ſondern nur
fuͤr einzelne Menſchen, die etwas Ähnliches wollen und
ſuchen, und die in aͤhnlichen Richtungen begriffen ſind.“
Er wollte weiter reden; eine junge Dame trat heran,
ihn unterbrechend und ihn in ein Geſpraͤch ziehend. Ich
wendete mich zu Anderen, worauf wir uns bald zu
Tiſch ſetzten.
Von dem, was geſprochen wurde, wuͤßte ich nichts
zu ſagen; Goethe's Worte lagen mir im Sinn und be¬
ſchaͤftigten ganz mein Inneres.
Freylich, dachte ich, ein Schriftſteller wie Er, ein
Geiſt von ſolcher Hoͤhe, eine Natur von ſo unendlichem
Umfang, wie ſoll der popular werden! Kann doch kaum
ein kleiner Theil von ihm popular werden! Kaum ein
Lied, das luſtige Bruͤder und verliebte Maͤdchen ſingen
und das fuͤr Andere wiederum nicht da iſt.
Und, recht beſehen, iſt es nicht mit allen außeror¬
dentlichen Dingen ſo? Iſt denn Mozart popular? Und
iſt es denn Raphael? — Und verhaͤlt ſich nicht die
Welt gegen ſo große Quellen uͤberſchwenglichen geiſtigen
Lebens uͤberall nur wie Naſchende, die froh ſind, hin
und wieder ein Weniges zu erhaſchen, das ihnen eine
Weile eine hoͤhere Nahrung gewaͤhre?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/44>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.