"Wenn Sie aber mit dem Fair maid of Perth zu Ende sind, so müssen Sie sogleich den Waverley lesen, der freylich noch aus ganz anderen Augen sieht, und der ohne Frage den besten Sachen an die Seite zu stel¬ len ist, die je in der Welt geschrieben worden. Man sieht, es ist derselbige Mensch, der die Fair maid of Perth gemacht hat, aber es ist derjenige, der die Gunst des Publicums erst noch zu gewinnen hatte, und der sich daher zusammen nimmt, so daß er keinen Zug thut, der nicht vortrefflich wäre. Die Fair maid of Perth dage¬ gen ist mit einer breiteren Feder geschrieben, der Autor ist schon seines Publicums gewiß, und er läßt sich schon etwas freyer gehen. Wenn man den Waverley gelesen hat, so begreift man freylich wohl, warum Walter Scott sich noch jetzt immer den Verfasser jener Production nennt; denn darin hat er gezeigt, was er konnte, und er hat später nie etwas geschrieben, das besser wäre, oder das diesem zuerst publicirten Romane nur gleich käme."
Donnerstag, den 9. October 1828.
Zu Ehren Tiecks war diesen Abend in den Zim¬ mern der Frau v. Goethe ein sehr unterhaltender Thee. Ich machte die Bekanntschaft des Grafen und der Gräfin Medem; letztere sagte mir, daß sie am Tage Goethe gesehen und wie sie von diesem Eindruck noch im
„Wenn Sie aber mit dem Fair maid of Perth zu Ende ſind, ſo muͤſſen Sie ſogleich den Waverley leſen, der freylich noch aus ganz anderen Augen ſieht, und der ohne Frage den beſten Sachen an die Seite zu ſtel¬ len iſt, die je in der Welt geſchrieben worden. Man ſieht, es iſt derſelbige Menſch, der die Fair maid of Perth gemacht hat, aber es iſt derjenige, der die Gunſt des Publicums erſt noch zu gewinnen hatte, und der ſich daher zuſammen nimmt, ſo daß er keinen Zug thut, der nicht vortrefflich waͤre. Die Fair maid of Perth dage¬ gen iſt mit einer breiteren Feder geſchrieben, der Autor iſt ſchon ſeines Publicums gewiß, und er laͤßt ſich ſchon etwas freyer gehen. Wenn man den Waverley geleſen hat, ſo begreift man freylich wohl, warum Walter Scott ſich noch jetzt immer den Verfaſſer jener Production nennt; denn darin hat er gezeigt, was er konnte, und er hat ſpaͤter nie etwas geſchrieben, das beſſer waͤre, oder das dieſem zuerſt publicirten Romane nur gleich kaͤme.“
Donnerſtag, den 9. October 1828.
Zu Ehren Tiecks war dieſen Abend in den Zim¬ mern der Frau v. Goethe ein ſehr unterhaltender Thee. Ich machte die Bekanntſchaft des Grafen und der Graͤfin Medem; letztere ſagte mir, daß ſie am Tage Goethe geſehen und wie ſie von dieſem Eindruck noch im
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„Wenn Sie aber mit dem Fair maid of Perth zu
Ende ſind, ſo muͤſſen Sie ſogleich den Waverley leſen,
der freylich noch aus ganz anderen Augen ſieht, und
der ohne Frage den beſten Sachen an die Seite zu ſtel¬
len iſt, die je in der Welt geſchrieben worden. Man
ſieht, es iſt derſelbige Menſch, der die Fair maid of Perth
gemacht hat, aber es iſt derjenige, der die Gunſt des
Publicums erſt noch zu gewinnen hatte, und der ſich
daher zuſammen nimmt, ſo daß er keinen Zug thut, der
nicht vortrefflich waͤre. Die Fair maid of Perth dage¬
gen iſt mit einer breiteren Feder geſchrieben, der Autor
iſt ſchon ſeines Publicums gewiß, und er laͤßt ſich ſchon
etwas freyer gehen. Wenn man den Waverley geleſen
hat, ſo begreift man freylich wohl, warum Walter Scott
ſich noch jetzt immer den Verfaſſer jener Production
nennt; denn darin hat er gezeigt, was er konnte, und
er hat ſpaͤter nie etwas geſchrieben, das beſſer waͤre,
oder das dieſem zuerſt publicirten Romane nur gleich
kaͤme.“
Donnerſtag, den 9. October 1828.
Zu Ehren Tiecks war dieſen Abend in den Zim¬
mern der Frau v. Goethe ein ſehr unterhaltender Thee.
Ich machte die Bekanntſchaft des Grafen und der Graͤfin
Medem; letztere ſagte mir, daß ſie am Tage Goethe
geſehen und wie ſie von dieſem Eindruck noch im
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/38>, abgerufen am 24.11.2024.
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