"Und auch damit ist es noch nicht gethan. Denn wie einer mit allen Regeln und allem Genie noch kein Maler ist, sondern wie eine unausgesetzte Übung hinzu kommen muß, so ist es auch bey der Farbenlehre nicht genug, daß einer die vorzüglichsten Gesetze kenne und den geeigneten Geist habe, sondern er muß sich immer¬ fort mit den einzelnen oft sehr geheimnißvollen Phäno¬ menen und ihrer Ableitung und Verknüpfung zu thun machen."
"So wissen wir z. B. im Allgemeinen recht gut, daß die grüne Farbe durch eine Mischung des Gelben und Blauen entsteht; allein bis einer sagen kann, er begreife das Grün des Regenbogens, oder das Grün des Laubes, oder das Grün des Meerwassers, dieses erfordert ein so allseitiges Durchschreiten des Farben¬ reiches und eine daraus entspringende solche Höhe von Einsicht, zu welcher bis jetzt kaum jemand gelangt ist."
Zum Nachtisch betrachteten wir darauf einige Land¬ schaften von Poussin. "Diejenigen Stellen, sagte Goethe bey dieser Gelegenheit, worauf der Maler das höchste Licht fallen läßt, lassen kein Detail in der Aus¬ führung zu; weßhalb denn Wasser, Felsstücke, nackter Erdboden und Gebäude, für solche Träger des Haupt¬ lichtes die günstigsten Gegenstände sind. Dinge dage¬ gen, die in der Zeichnung ein größeres Detail erfordern, kann der Künstler nicht wohl an solchen Lichtstellen ge¬ brauchen."
„Und auch damit iſt es noch nicht gethan. Denn wie einer mit allen Regeln und allem Genie noch kein Maler iſt, ſondern wie eine unausgeſetzte Übung hinzu kommen muß, ſo iſt es auch bey der Farbenlehre nicht genug, daß einer die vorzuͤglichſten Geſetze kenne und den geeigneten Geiſt habe, ſondern er muß ſich immer¬ fort mit den einzelnen oft ſehr geheimnißvollen Phaͤno¬ menen und ihrer Ableitung und Verknuͤpfung zu thun machen.“
„So wiſſen wir z. B. im Allgemeinen recht gut, daß die gruͤne Farbe durch eine Miſchung des Gelben und Blauen entſteht; allein bis einer ſagen kann, er begreife das Gruͤn des Regenbogens, oder das Gruͤn des Laubes, oder das Gruͤn des Meerwaſſers, dieſes erfordert ein ſo allſeitiges Durchſchreiten des Farben¬ reiches und eine daraus entſpringende ſolche Hoͤhe von Einſicht, zu welcher bis jetzt kaum jemand gelangt iſt.“
Zum Nachtiſch betrachteten wir darauf einige Land¬ ſchaften von Pouſſin. „Diejenigen Stellen, ſagte Goethe bey dieſer Gelegenheit, worauf der Maler das hoͤchſte Licht fallen laͤßt, laſſen kein Detail in der Aus¬ fuͤhrung zu; weßhalb denn Waſſer, Felsſtuͤcke, nackter Erdboden und Gebaͤude, fuͤr ſolche Traͤger des Haupt¬ lichtes die guͤnſtigſten Gegenſtaͤnde ſind. Dinge dage¬ gen, die in der Zeichnung ein groͤßeres Detail erfordern, kann der Kuͤnſtler nicht wohl an ſolchen Lichtſtellen ge¬ brauchen.“
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„Und auch damit iſt es noch nicht gethan. Denn
wie einer mit allen Regeln und allem Genie noch kein
Maler iſt, ſondern wie eine unausgeſetzte Übung hinzu
kommen muß, ſo iſt es auch bey der Farbenlehre nicht
genug, daß einer die vorzuͤglichſten Geſetze kenne und
den geeigneten Geiſt habe, ſondern er muß ſich immer¬
fort mit den einzelnen oft ſehr geheimnißvollen Phaͤno¬
menen und ihrer Ableitung und Verknuͤpfung zu thun
machen.“
„So wiſſen wir z. B. im Allgemeinen recht gut,
daß die gruͤne Farbe durch eine Miſchung des Gelben
und Blauen entſteht; allein bis einer ſagen kann, er
begreife das Gruͤn des Regenbogens, oder das Gruͤn
des Laubes, oder das Gruͤn des Meerwaſſers, dieſes
erfordert ein ſo allſeitiges Durchſchreiten des Farben¬
reiches und eine daraus entſpringende ſolche Hoͤhe von
Einſicht, zu welcher bis jetzt kaum jemand gelangt iſt.“
Zum Nachtiſch betrachteten wir darauf einige Land¬
ſchaften von Pouſſin. „Diejenigen Stellen, ſagte
Goethe bey dieſer Gelegenheit, worauf der Maler das
hoͤchſte Licht fallen laͤßt, laſſen kein Detail in der Aus¬
fuͤhrung zu; weßhalb denn Waſſer, Felsſtuͤcke, nackter
Erdboden und Gebaͤude, fuͤr ſolche Traͤger des Haupt¬
lichtes die guͤnſtigſten Gegenſtaͤnde ſind. Dinge dage¬
gen, die in der Zeichnung ein groͤßeres Detail erfordern,
kann der Kuͤnſtler nicht wohl an ſolchen Lichtſtellen ge¬
brauchen.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/362>, abgerufen am 24.11.2024.
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