zu verlieren, wenn sie nicht den anbeten sollen, der dem Ochsen die Hörner gab, damit er sich vertheidige. Mir aber möge man erlauben, daß ich den verehre, der in dem Reichthum seiner Schöpfung so groß war, nach tausendfältigen Pflanzen noch eine zu machen, worin alle übrigen enthalten, und nach tausendfältigen Thie¬ ren ein Wesen das sie alle enthält: den Menschen."
"Man verehre ferner den, der dem Vieh sein Fut¬ ter giebt und dem Menschen Speise und Trank so viel er genießen mag. Ich aber bete den an, der eine solche Productionskraft in die Welt gelegt hat, daß, wenn nur der millionteste Theil davon ins Leben tritt, die Welt von Geschöpfen wimmelt, so daß Krieg, Pest, Wasser und Brand ihr nichts anzuhaben vermö¬ gen. Das ist mein Gott! --"
Montag, den 21. Februar 1831.
Goethe lobte sehr die neueste Rede von Schelling, womit dieser die Münchener Studenten beruhigt. "Die Rede, sagte er, ist durch und durch gut, und man freuet sich einmal wieder über das vorzügliche Talent, das wir lange kannten und verehrten. Es war in die¬ sem Falle ein trefflicher Gegenstand und ein redlicher Zweck, wo ihm denn das Vorzüglichste gelungen ist. Könnte
zu verlieren, wenn ſie nicht den anbeten ſollen, der dem Ochſen die Hoͤrner gab, damit er ſich vertheidige. Mir aber moͤge man erlauben, daß ich den verehre, der in dem Reichthum ſeiner Schoͤpfung ſo groß war, nach tauſendfaͤltigen Pflanzen noch eine zu machen, worin alle uͤbrigen enthalten, und nach tauſendfaͤltigen Thie¬ ren ein Weſen das ſie alle enthaͤlt: den Menſchen.“
„Man verehre ferner den, der dem Vieh ſein Fut¬ ter giebt und dem Menſchen Speiſe und Trank ſo viel er genießen mag. Ich aber bete den an, der eine ſolche Productionskraft in die Welt gelegt hat, daß, wenn nur der millionteſte Theil davon ins Leben tritt, die Welt von Geſchoͤpfen wimmelt, ſo daß Krieg, Peſt, Waſſer und Brand ihr nichts anzuhaben vermoͤ¬ gen. Das iſt mein Gott! —“
Montag, den 21. Februar 1831.
Goethe lobte ſehr die neueſte Rede von Schelling, womit dieſer die Muͤnchener Studenten beruhigt. „Die Rede, ſagte er, iſt durch und durch gut, und man freuet ſich einmal wieder uͤber das vorzuͤgliche Talent, das wir lange kannten und verehrten. Es war in die¬ ſem Falle ein trefflicher Gegenſtand und ein redlicher Zweck, wo ihm denn das Vorzuͤglichſte gelungen iſt. Koͤnnte
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zu verlieren, wenn ſie nicht den anbeten ſollen, der dem
Ochſen die Hoͤrner gab, damit er ſich vertheidige. Mir
aber moͤge man erlauben, daß ich den verehre, der in
dem Reichthum ſeiner Schoͤpfung ſo groß war, nach
tauſendfaͤltigen Pflanzen noch eine zu machen, worin
alle uͤbrigen enthalten, und nach tauſendfaͤltigen Thie¬
ren ein Weſen das ſie alle enthaͤlt: den Menſchen.“
„Man verehre ferner den, der dem Vieh ſein Fut¬
ter giebt und dem Menſchen Speiſe und Trank ſo viel
er genießen mag. Ich aber bete den an, der eine
ſolche Productionskraft in die Welt gelegt hat, daß,
wenn nur der millionteſte Theil davon ins Leben tritt,
die Welt von Geſchoͤpfen wimmelt, ſo daß Krieg,
Peſt, Waſſer und Brand ihr nichts anzuhaben vermoͤ¬
gen. Das iſt mein Gott! —“
Montag, den 21. Februar 1831.
Goethe lobte ſehr die neueſte Rede von Schelling,
womit dieſer die Muͤnchener Studenten beruhigt. „Die
Rede, ſagte er, iſt durch und durch gut, und man
freuet ſich einmal wieder uͤber das vorzuͤgliche Talent,
das wir lange kannten und verehrten. Es war in die¬
ſem Falle ein trefflicher Gegenſtand und ein redlicher Zweck,
wo ihm denn das Vorzuͤglichſte gelungen iſt. Koͤnnte
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/294>, abgerufen am 21.11.2024.
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