Aerger der Mützenmacher Proutfut und der Apotheker Dwining begegnen.
"Ja, sagte Goethe, die Stelle ist gut! -- Daß der widerstrebende ehrliche Waffenschmied so weit gebracht wird, neben dem verdächtigen Mädchen zuletzt selbst das Hündchen mit aufzuhocken, ist einer der größten Züge, die irgend in Romanen anzutreffen sind. Es zeugt von einer Kenntniß der menschlichen Natur, der die tiefsten Geheimnisse offenbar liegen."
Als einen höchst glücklichen Griff, sagte ich, muß ich auch bewundern, daß Walter Scott den Vater der Heldin einen Handschuhmacher seyn läßt, der durch den Handel mit Fellen und Häuten mit den Hochländern seit lange in Verkehr gestanden und noch steht.
"Ja, sagte Goethe, das ist ein Zug der höchsten Art. Es entspringen daraus für das ganze Buch die günstigsten Verhältnisse und Zustände, die dadurch alle zugleich eine reale Basis erhalten, so daß sie die über¬ zeugendste Wahrheit mit sich führen. Ueberall finden Sie bey Walter Scott die große Sicherheit und Gründ¬ lichkeit in der Zeichnung, die aus seiner umfassenden Kenntniß der realen Welt hervorgeht, wozu er durch lebenslängliche Studien und Beobachtungen und ein tägliches Durchsprechen der wichtigsten Verhältnisse ge¬ langt ist. Und nun sein großes Talent und sein um¬ fassendes Wesen! -- Sie erinnern sich des englischen Critikers, der die Poeten mit menschlichen Sänger¬
Aerger der Muͤtzenmacher Proutfut und der Apotheker Dwining begegnen.
„Ja, ſagte Goethe, die Stelle iſt gut! — Daß der widerſtrebende ehrliche Waffenſchmied ſo weit gebracht wird, neben dem verdaͤchtigen Maͤdchen zuletzt ſelbſt das Huͤndchen mit aufzuhocken, iſt einer der groͤßten Zuͤge, die irgend in Romanen anzutreffen ſind. Es zeugt von einer Kenntniß der menſchlichen Natur, der die tiefſten Geheimniſſe offenbar liegen.“
Als einen hoͤchſt gluͤcklichen Griff, ſagte ich, muß ich auch bewundern, daß Walter Scott den Vater der Heldin einen Handſchuhmacher ſeyn laͤßt, der durch den Handel mit Fellen und Haͤuten mit den Hochlaͤndern ſeit lange in Verkehr geſtanden und noch ſteht.
„Ja, ſagte Goethe, das iſt ein Zug der hoͤchſten Art. Es entſpringen daraus fuͤr das ganze Buch die guͤnſtigſten Verhaͤltniſſe und Zuſtaͤnde, die dadurch alle zugleich eine reale Baſis erhalten, ſo daß ſie die uͤber¬ zeugendſte Wahrheit mit ſich fuͤhren. Ueberall finden Sie bey Walter Scott die große Sicherheit und Gruͤnd¬ lichkeit in der Zeichnung, die aus ſeiner umfaſſenden Kenntniß der realen Welt hervorgeht, wozu er durch lebenslaͤngliche Studien und Beobachtungen und ein taͤgliches Durchſprechen der wichtigſten Verhaͤltniſſe ge¬ langt iſt. Und nun ſein großes Talent und ſein um¬ faſſendes Weſen! — Sie erinnern ſich des engliſchen Critikers, der die Poeten mit menſchlichen Saͤnger¬
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Aerger der Muͤtzenmacher Proutfut und der Apotheker
Dwining begegnen.
„Ja, ſagte Goethe, die Stelle iſt gut! — Daß der
widerſtrebende ehrliche Waffenſchmied ſo weit gebracht
wird, neben dem verdaͤchtigen Maͤdchen zuletzt ſelbſt das
Huͤndchen mit aufzuhocken, iſt einer der groͤßten Zuͤge,
die irgend in Romanen anzutreffen ſind. Es zeugt von
einer Kenntniß der menſchlichen Natur, der die tiefſten
Geheimniſſe offenbar liegen.“
Als einen hoͤchſt gluͤcklichen Griff, ſagte ich, muß
ich auch bewundern, daß Walter Scott den Vater der
Heldin einen Handſchuhmacher ſeyn laͤßt, der durch den
Handel mit Fellen und Haͤuten mit den Hochlaͤndern
ſeit lange in Verkehr geſtanden und noch ſteht.
„Ja, ſagte Goethe, das iſt ein Zug der hoͤchſten
Art. Es entſpringen daraus fuͤr das ganze Buch die
guͤnſtigſten Verhaͤltniſſe und Zuſtaͤnde, die dadurch alle
zugleich eine reale Baſis erhalten, ſo daß ſie die uͤber¬
zeugendſte Wahrheit mit ſich fuͤhren. Ueberall finden
Sie bey Walter Scott die große Sicherheit und Gruͤnd¬
lichkeit in der Zeichnung, die aus ſeiner umfaſſenden
Kenntniß der realen Welt hervorgeht, wozu er durch
lebenslaͤngliche Studien und Beobachtungen und ein
taͤgliches Durchſprechen der wichtigſten Verhaͤltniſſe ge¬
langt iſt. Und nun ſein großes Talent und ſein um¬
faſſendes Weſen! — Sie erinnern ſich des engliſchen
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/26>, abgerufen am 23.11.2024.
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