Alle vernünftige Anschauung war sodann mit einem Mal verschwunden, die Absurdität fing an zu herrschen, ich fühlte eine Art Umwälzung in meinem Innern, und es war keine Hülfe, als jedesmal mit Lachen zu endigen.
Bey solchen Gelegenheiten habe ich recht empfunden, daß der Poet eigentlich immer positiv seyn sollte. Der Mensch gebraucht den Dichter, um das auszusprechen, was er selbst nicht auszudrücken vermag. Von einer Erscheinung, von einer Empfindung wird er ergriffen, er sucht nach Worten, seinen eigenen Vorrath findet er unzulänglich, und so muß ihm der Dichter zu Hülfe kommen, der ihn frey macht, indem er ihn befriedigt.
In diesem Gefühl habe ich denn jene ersteren Verse wiederholt gesegnet, und die letzteren täglich lachend verwünscht. Wer aber möchte sie an der Stelle ent¬ behren, für die sie gemacht sind, und wo sie im schön¬ sten Sinne wirken!
Ein eigentliches Tagebuch habe ich in Italien nicht geführt; die Erscheinungen waren zu groß, zu viel, zu schnell wechselnd, als daß man sich ihrer im nächsten Augenblick hätte bemächtigen mögen und können. Ich habe jedoch meine Augen und Ohren immer offen ge¬ habt und mir Vieles gemerkt. Solche Erinnerungen will ich nun zu einander gruppiren und unter einzelnen Rubriken behandeln. Besonders habe ich hübsche Be¬ merkungen zur Farbenlehre gemacht, auf deren nächste Darstellung ich mich freue. Es ist natürlich nichts
Alle vernuͤnftige Anſchauung war ſodann mit einem Mal verſchwunden, die Abſurditaͤt fing an zu herrſchen, ich fuͤhlte eine Art Umwaͤlzung in meinem Innern, und es war keine Huͤlfe, als jedesmal mit Lachen zu endigen.
Bey ſolchen Gelegenheiten habe ich recht empfunden, daß der Poet eigentlich immer poſitiv ſeyn ſollte. Der Menſch gebraucht den Dichter, um das auszuſprechen, was er ſelbſt nicht auszudruͤcken vermag. Von einer Erſcheinung, von einer Empfindung wird er ergriffen, er ſucht nach Worten, ſeinen eigenen Vorrath findet er unzulaͤnglich, und ſo muß ihm der Dichter zu Huͤlfe kommen, der ihn frey macht, indem er ihn befriedigt.
In dieſem Gefuͤhl habe ich denn jene erſteren Verſe wiederholt geſegnet, und die letzteren taͤglich lachend verwuͤnſcht. Wer aber moͤchte ſie an der Stelle ent¬ behren, fuͤr die ſie gemacht ſind, und wo ſie im ſchoͤn¬ ſten Sinne wirken!
Ein eigentliches Tagebuch habe ich in Italien nicht gefuͤhrt; die Erſcheinungen waren zu groß, zu viel, zu ſchnell wechſelnd, als daß man ſich ihrer im naͤchſten Augenblick haͤtte bemaͤchtigen moͤgen und koͤnnen. Ich habe jedoch meine Augen und Ohren immer offen ge¬ habt und mir Vieles gemerkt. Solche Erinnerungen will ich nun zu einander gruppiren und unter einzelnen Rubriken behandeln. Beſonders habe ich huͤbſche Be¬ merkungen zur Farbenlehre gemacht, auf deren naͤchſte Darſtellung ich mich freue. Es iſt natuͤrlich nichts
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Alle vernuͤnftige Anſchauung war ſodann mit einem Mal
verſchwunden, die Abſurditaͤt fing an zu herrſchen, ich
fuͤhlte eine Art Umwaͤlzung in meinem Innern, und es
war keine Huͤlfe, als jedesmal mit Lachen zu endigen.
Bey ſolchen Gelegenheiten habe ich recht empfunden,
daß der Poet eigentlich immer poſitiv ſeyn ſollte. Der
Menſch gebraucht den Dichter, um das auszuſprechen,
was er ſelbſt nicht auszudruͤcken vermag. Von einer
Erſcheinung, von einer Empfindung wird er ergriffen,
er ſucht nach Worten, ſeinen eigenen Vorrath findet er
unzulaͤnglich, und ſo muß ihm der Dichter zu Huͤlfe
kommen, der ihn frey macht, indem er ihn befriedigt.
In dieſem Gefuͤhl habe ich denn jene erſteren Verſe
wiederholt geſegnet, und die letzteren taͤglich lachend
verwuͤnſcht. Wer aber moͤchte ſie an der Stelle ent¬
behren, fuͤr die ſie gemacht ſind, und wo ſie im ſchoͤn¬
ſten Sinne wirken!
Ein eigentliches Tagebuch habe ich in Italien nicht
gefuͤhrt; die Erſcheinungen waren zu groß, zu viel, zu
ſchnell wechſelnd, als daß man ſich ihrer im naͤchſten
Augenblick haͤtte bemaͤchtigen moͤgen und koͤnnen. Ich
habe jedoch meine Augen und Ohren immer offen ge¬
habt und mir Vieles gemerkt. Solche Erinnerungen
will ich nun zu einander gruppiren und unter einzelnen
Rubriken behandeln. Beſonders habe ich huͤbſche Be¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/242>, abgerufen am 22.11.2024.
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