den serbischen Liedern und ähnlichen barbarischen Volks¬ poesieen gewonnen haben. Man liest es und interessirt sich wohl eine Zeitlang dafür, aber bloß um es abzu¬ thun und sodann hinter sich liegen zu lassen. Der Mensch wird überhaupt genug durch seine Leidenschaften und Schicksale verdüstert, als daß er nöthig hätte, dieses noch durch die Dunkelheiten einer barbarischen Vorzeit zu thun. Er bedarf der Klarheit und der Aufheiterung, und es thut ihm noth, daß er sich zu solchen Kunst- und Literatur-Epochen wende, in denen vorzügliche Menschen zu vollendeter Bildung gelangten, so daß es ihnen selber wohl war, und sie die Seligkeit ihrer Cultur wieder auf Andere auszugießen im Stande sind."
"Wollen Sie aber von Fouque eine gute Meinung bekommen, so lesen Sie seine Undine, die wirklich allerliebst ist. Freylich war es ein guter Stoff, und man kann nicht einmal sagen, daß der Dichter alles daraus gemacht hätte, was darinne lag; aber doch, die Undine ist gut und wird Ihnen gefallen."
Es geht mir ungünstig mit der neuesten deutschen Literatur, sagte ich. Zu den Gedichten von Egon Ebert kam ich aus Voltaire, dessen erste Bekanntschaft ich ge¬ macht, und zwar durch die kleinen Gedichte an Perso¬ nen, die gewiß zu dem Besten gehören, was er je ge¬ schrieben. Nun mit Fouque geht es mir nicht besser. Vertieft in Walter Scotts Fair maid of Perth, gleich¬ falls das Erste, was ich von diesem großen Schriftsteller
den ſerbiſchen Liedern und aͤhnlichen barbariſchen Volks¬ poeſieen gewonnen haben. Man lieſt es und intereſſirt ſich wohl eine Zeitlang dafuͤr, aber bloß um es abzu¬ thun und ſodann hinter ſich liegen zu laſſen. Der Menſch wird uͤberhaupt genug durch ſeine Leidenſchaften und Schickſale verduͤſtert, als daß er noͤthig haͤtte, dieſes noch durch die Dunkelheiten einer barbariſchen Vorzeit zu thun. Er bedarf der Klarheit und der Aufheiterung, und es thut ihm noth, daß er ſich zu ſolchen Kunſt- und Literatur-Epochen wende, in denen vorzuͤgliche Menſchen zu vollendeter Bildung gelangten, ſo daß es ihnen ſelber wohl war, und ſie die Seligkeit ihrer Cultur wieder auf Andere auszugießen im Stande ſind.“
„Wollen Sie aber von Fouqué eine gute Meinung bekommen, ſo leſen Sie ſeine Undine, die wirklich allerliebſt iſt. Freylich war es ein guter Stoff, und man kann nicht einmal ſagen, daß der Dichter alles daraus gemacht haͤtte, was darinne lag; aber doch, die Undine iſt gut und wird Ihnen gefallen.“
Es geht mir unguͤnſtig mit der neueſten deutſchen Literatur, ſagte ich. Zu den Gedichten von Egon Ebert kam ich aus Voltaire, deſſen erſte Bekanntſchaft ich ge¬ macht, und zwar durch die kleinen Gedichte an Perſo¬ nen, die gewiß zu dem Beſten gehoͤren, was er je ge¬ ſchrieben. Nun mit Fouqué geht es mir nicht beſſer. Vertieft in Walter Scotts Fair maid of Perth, gleich¬ falls das Erſte, was ich von dieſem großen Schriftſteller
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0024"n="14"/>
den ſerbiſchen Liedern und aͤhnlichen barbariſchen Volks¬<lb/>
poeſieen gewonnen haben. Man lieſt es und intereſſirt<lb/>ſich wohl eine Zeitlang dafuͤr, aber bloß um es abzu¬<lb/>
thun und ſodann hinter ſich liegen zu laſſen. Der Menſch<lb/>
wird uͤberhaupt genug durch ſeine Leidenſchaften und<lb/>
Schickſale verduͤſtert, als daß er noͤthig haͤtte, dieſes<lb/>
noch durch die Dunkelheiten einer barbariſchen Vorzeit<lb/>
zu thun. Er bedarf der Klarheit und der Aufheiterung,<lb/>
und es thut ihm noth, daß er ſich zu ſolchen Kunſt-<lb/>
und Literatur-Epochen wende, in denen vorzuͤgliche<lb/>
Menſchen zu vollendeter Bildung gelangten, ſo daß<lb/>
es ihnen ſelber wohl war, und ſie die Seligkeit ihrer<lb/>
Cultur wieder auf Andere auszugießen im Stande ſind.“</p><lb/><p>„Wollen Sie aber von Fouqu<hirendition="#aq">é</hi> eine gute Meinung<lb/>
bekommen, ſo leſen Sie ſeine <hirendition="#g">Undine</hi>, die wirklich<lb/>
allerliebſt iſt. Freylich war es ein guter Stoff, und<lb/>
man kann nicht einmal ſagen, daß der Dichter alles<lb/>
daraus gemacht haͤtte, was darinne lag; aber doch, die<lb/>
Undine iſt gut und wird Ihnen gefallen.“</p><lb/><p>Es geht mir unguͤnſtig mit der neueſten deutſchen<lb/>
Literatur, ſagte ich. Zu den Gedichten von Egon Ebert<lb/>
kam ich aus Voltaire, deſſen erſte Bekanntſchaft ich ge¬<lb/>
macht, und zwar durch die kleinen Gedichte an Perſo¬<lb/>
nen, die gewiß zu dem Beſten gehoͤren, was er je ge¬<lb/>ſchrieben. Nun mit Fouqu<hirendition="#aq">é</hi> geht es mir nicht beſſer.<lb/>
Vertieft in Walter Scotts <hirendition="#aq">Fair maid of Perth</hi>, gleich¬<lb/>
falls das Erſte, was ich von dieſem großen Schriftſteller<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0024]
den ſerbiſchen Liedern und aͤhnlichen barbariſchen Volks¬
poeſieen gewonnen haben. Man lieſt es und intereſſirt
ſich wohl eine Zeitlang dafuͤr, aber bloß um es abzu¬
thun und ſodann hinter ſich liegen zu laſſen. Der Menſch
wird uͤberhaupt genug durch ſeine Leidenſchaften und
Schickſale verduͤſtert, als daß er noͤthig haͤtte, dieſes
noch durch die Dunkelheiten einer barbariſchen Vorzeit
zu thun. Er bedarf der Klarheit und der Aufheiterung,
und es thut ihm noth, daß er ſich zu ſolchen Kunſt-
und Literatur-Epochen wende, in denen vorzuͤgliche
Menſchen zu vollendeter Bildung gelangten, ſo daß
es ihnen ſelber wohl war, und ſie die Seligkeit ihrer
Cultur wieder auf Andere auszugießen im Stande ſind.“
„Wollen Sie aber von Fouqué eine gute Meinung
bekommen, ſo leſen Sie ſeine Undine, die wirklich
allerliebſt iſt. Freylich war es ein guter Stoff, und
man kann nicht einmal ſagen, daß der Dichter alles
daraus gemacht haͤtte, was darinne lag; aber doch, die
Undine iſt gut und wird Ihnen gefallen.“
Es geht mir unguͤnſtig mit der neueſten deutſchen
Literatur, ſagte ich. Zu den Gedichten von Egon Ebert
kam ich aus Voltaire, deſſen erſte Bekanntſchaft ich ge¬
macht, und zwar durch die kleinen Gedichte an Perſo¬
nen, die gewiß zu dem Beſten gehoͤren, was er je ge¬
ſchrieben. Nun mit Fouqué geht es mir nicht beſſer.
Vertieft in Walter Scotts Fair maid of Perth, gleich¬
falls das Erſte, was ich von dieſem großen Schriftſteller
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/24>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.