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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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zugestanden wird, und wie die jungen Dichter ihn als
ihr geistiges Oberhaupt verehren und lieben. So hatte
in Goethe's Jugend Shakspeare gewirkt. Von Vol¬
taire
läßt sich nicht sagen, daß er auf junge Poeten
des Auslandes einen Einfluß der Art gehabt, daß sie
sich in seinem Geist versammelten und ihn als ihren
Herrn und Meister erkannten. Überall war der Brief
von Emile Deschamps mit sehr liebenswürdiger herzli¬
cher Freyheit geschrieben. "Man blickt in den Frühling
eines schönen Gemüths," sagte Goethe.

Ferner befand sich unter der Sendung von David
ein Blatt mit dem Hute Napoleons, in den ver¬
schiedensten Stellungen. "Das ist etwas für meinen
Sohn," sagte Goethe, und sendete das Blatt schnell
hinauf. Es verfehlte auch seine Wirkung nicht, indem
der junge Goethe sehr bald herunter kam, und voller
Freude diese Hüte seines Helden für das non plus ultra
seiner Sammlung erklärte. Ehe fünf Minuten vergin¬
gen befand sich das Bild unter Glas und Rahmen und
an seinem Ort, unter den übrigen Attributen und
Denkmälern des Helden.


zugeſtanden wird, und wie die jungen Dichter ihn als
ihr geiſtiges Oberhaupt verehren und lieben. So hatte
in Goethe's Jugend Shakſpeare gewirkt. Von Vol¬
taire
laͤßt ſich nicht ſagen, daß er auf junge Poeten
des Auslandes einen Einfluß der Art gehabt, daß ſie
ſich in ſeinem Geiſt verſammelten und ihn als ihren
Herrn und Meiſter erkannten. Überall war der Brief
von Emile Deschamps mit ſehr liebenswuͤrdiger herzli¬
cher Freyheit geſchrieben. „Man blickt in den Fruͤhling
eines ſchoͤnen Gemuͤths,“ ſagte Goethe.

Ferner befand ſich unter der Sendung von David
ein Blatt mit dem Hute Napoleons, in den ver¬
ſchiedenſten Stellungen. „Das iſt etwas fuͤr meinen
Sohn,“ ſagte Goethe, und ſendete das Blatt ſchnell
hinauf. Es verfehlte auch ſeine Wirkung nicht, indem
der junge Goethe ſehr bald herunter kam, und voller
Freude dieſe Huͤte ſeines Helden fuͤr das non plus ultra
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gen befand ſich das Bild unter Glas und Rahmen und
an ſeinem Ort, unter den uͤbrigen Attributen und
Denkmaͤlern des Helden.


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[197/0207] zugeſtanden wird, und wie die jungen Dichter ihn als ihr geiſtiges Oberhaupt verehren und lieben. So hatte in Goethe's Jugend Shakſpeare gewirkt. Von Vol¬ taire laͤßt ſich nicht ſagen, daß er auf junge Poeten des Auslandes einen Einfluß der Art gehabt, daß ſie ſich in ſeinem Geiſt verſammelten und ihn als ihren Herrn und Meiſter erkannten. Überall war der Brief von Emile Deschamps mit ſehr liebenswuͤrdiger herzli¬ cher Freyheit geſchrieben. „Man blickt in den Fruͤhling eines ſchoͤnen Gemuͤths,“ ſagte Goethe. Ferner befand ſich unter der Sendung von David ein Blatt mit dem Hute Napoleons, in den ver¬ ſchiedenſten Stellungen. „Das iſt etwas fuͤr meinen Sohn,“ ſagte Goethe, und ſendete das Blatt ſchnell hinauf. Es verfehlte auch ſeine Wirkung nicht, indem der junge Goethe ſehr bald herunter kam, und voller Freude dieſe Huͤte ſeines Helden fuͤr das non plus ultra ſeiner Sammlung erklaͤrte. Ehe fuͤnf Minuten vergin¬ gen befand ſich das Bild unter Glas und Rahmen und an ſeinem Ort, unter den uͤbrigen Attributen und Denkmaͤlern des Helden.

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/207>, abgerufen am 05.05.2024.