wir von einer bedeutenden Person zur andern, und Goethe konnte nicht umhin wiederholt zu äußern, daß er durch diese Sendung von David einen Schatz besitze, wofür er dem trefflichen Künstler nicht genug danken könne. Er werde nicht unterlassen, diese Sammlung Durchreisenden vorzuzeigen und sich mündlich über ein¬ zelne ihm noch unbekannte Personen unterrichten zu lassen.
Auch Bücher waren in der Kiste verpackt gewesen, die er in die vorderen Zimmer tragen ließ, wohin wir folgten und uns zu Tisch setzten. Wir waren heiter und sprachen von Arbeiten und Vorsätzen hin und her. "Es ist nicht gut daß der Mensch alleine sey, sagte Goethe, und besonders nicht daß er alleine arbeite; viel¬ mehr bedarf er der Theilnahme und Anregung, wenn etwas gelingen soll. Ich verdanke Schillern die Achil¬ leis und viele meiner Balladen, wozu er mich ge¬ trieben, und Sie können es sich zurechnen, wenn ich den zweyten Theil des Faust zu Stande bringe. Ich habe es Ihnen schon oft gesagt, aber ich muß es wie¬ derholen, damit Sie es wissen." Ich freute mich dieser Worte, im Gefühl daß daran viel Wahres seyn möge.
Beym Nachtisch öffnete Goethe eins der Pakete. Es waren die Gedichte von Emile Deschamps, begleitet von einem Brief den Goethe mir zu lesen gab. Hier sah ich nun zu meiner Freude, welcher Einfluß Goethen auf das neue Leben der französischen Literatur
wir von einer bedeutenden Perſon zur andern, und Goethe konnte nicht umhin wiederholt zu aͤußern, daß er durch dieſe Sendung von David einen Schatz beſitze, wofuͤr er dem trefflichen Kuͤnſtler nicht genug danken koͤnne. Er werde nicht unterlaſſen, dieſe Sammlung Durchreiſenden vorzuzeigen und ſich muͤndlich uͤber ein¬ zelne ihm noch unbekannte Perſonen unterrichten zu laſſen.
Auch Buͤcher waren in der Kiſte verpackt geweſen, die er in die vorderen Zimmer tragen ließ, wohin wir folgten und uns zu Tiſch ſetzten. Wir waren heiter und ſprachen von Arbeiten und Vorſaͤtzen hin und her. „Es iſt nicht gut daß der Menſch alleine ſey, ſagte Goethe, und beſonders nicht daß er alleine arbeite; viel¬ mehr bedarf er der Theilnahme und Anregung, wenn etwas gelingen ſoll. Ich verdanke Schillern die Achil¬ leïs und viele meiner Balladen, wozu er mich ge¬ trieben, und Sie koͤnnen es ſich zurechnen, wenn ich den zweyten Theil des Fauſt zu Stande bringe. Ich habe es Ihnen ſchon oft geſagt, aber ich muß es wie¬ derholen, damit Sie es wiſſen.“ Ich freute mich dieſer Worte, im Gefuͤhl daß daran viel Wahres ſeyn moͤge.
Beym Nachtiſch oͤffnete Goethe eins der Pakete. Es waren die Gedichte von Emile Deschamps, begleitet von einem Brief den Goethe mir zu leſen gab. Hier ſah ich nun zu meiner Freude, welcher Einfluß Goethen auf das neue Leben der franzoͤſiſchen Literatur
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wir von einer bedeutenden Perſon zur andern, und
Goethe konnte nicht umhin wiederholt zu aͤußern, daß
er durch dieſe Sendung von David einen Schatz beſitze,
wofuͤr er dem trefflichen Kuͤnſtler nicht genug danken
koͤnne. Er werde nicht unterlaſſen, dieſe Sammlung
Durchreiſenden vorzuzeigen und ſich muͤndlich uͤber ein¬
zelne ihm noch unbekannte Perſonen unterrichten zu
laſſen.
Auch Buͤcher waren in der Kiſte verpackt geweſen,
die er in die vorderen Zimmer tragen ließ, wohin wir
folgten und uns zu Tiſch ſetzten. Wir waren heiter
und ſprachen von Arbeiten und Vorſaͤtzen hin und her.
„Es iſt nicht gut daß der Menſch alleine ſey, ſagte
Goethe, und beſonders nicht daß er alleine arbeite; viel¬
mehr bedarf er der Theilnahme und Anregung, wenn
etwas gelingen ſoll. Ich verdanke Schillern die Achil¬
leïs und viele meiner Balladen, wozu er mich ge¬
trieben, und Sie koͤnnen es ſich zurechnen, wenn ich
den zweyten Theil des Fauſt zu Stande bringe. Ich
habe es Ihnen ſchon oft geſagt, aber ich muß es wie¬
derholen, damit Sie es wiſſen.“ Ich freute mich dieſer
Worte, im Gefuͤhl daß daran viel Wahres ſeyn moͤge.
Beym Nachtiſch oͤffnete Goethe eins der Pakete.
Es waren die Gedichte von Emile Deschamps,
begleitet von einem Brief den Goethe mir zu leſen gab.
Hier ſah ich nun zu meiner Freude, welcher Einfluß
Goethen auf das neue Leben der franzoͤſiſchen Literatur
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/206>, abgerufen am 25.11.2024.
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