zähne ein Geist benutzt werde, sey gar nicht wohl er¬ funden, besonders weil der Held sich dabey ganz unthä¬ tig verhalte. Die anmuthige, sinnliche und geistreiche Ausführung des großen Dichters aber mache das Buch dem Leser so angenehm, daß er an das eigentliche Fun¬ dament nicht weiter denke und darüber hinauslese.
Wir reden fort über viele Dinge und so kommen wir auch wieder auf die Entelechie. "Die Hartnäckig¬ keit des Individuums und daß der Mensch abschüttelt was ihm nicht gemäß ist, sagte Goethe, ist mir ein Beweis daß so etwas existire." Ich hatte seit einigen Minuten dasselbige gedacht und sagen wollen, und so war es mir doppelt lieb, daß Goethe es aussprach, "Leibnitz, fuhr er fort, hat ähnliche Gedanken über solche selbstständige Wesen gehabt, und zwar, was wir mit dem Ausdruck Entelechie bezeichnen, nannte er Mo¬ naden."
Ich nahm mir vor das Weitere darüber in Leibnitz an Ort und Stelle nachzulesen.
Sonntag, den 7. März 1830.
Um zwölf Uhr zu Goethe, den ich heute besonders frisch und kräftig fand. Er eröffnete mir, daß er seine classische Walpurgisnacht habe zurücklegen müssen, um
zaͤhne ein Geiſt benutzt werde, ſey gar nicht wohl er¬ funden, beſonders weil der Held ſich dabey ganz unthaͤ¬ tig verhalte. Die anmuthige, ſinnliche und geiſtreiche Ausfuͤhrung des großen Dichters aber mache das Buch dem Leſer ſo angenehm, daß er an das eigentliche Fun¬ dament nicht weiter denke und daruͤber hinausleſe.
Wir reden fort uͤber viele Dinge und ſo kommen wir auch wieder auf die Entelechie. „Die Hartnaͤckig¬ keit des Individuums und daß der Menſch abſchuͤttelt was ihm nicht gemaͤß iſt, ſagte Goethe, iſt mir ein Beweis daß ſo etwas exiſtire.“ Ich hatte ſeit einigen Minuten daſſelbige gedacht und ſagen wollen, und ſo war es mir doppelt lieb, daß Goethe es ausſprach, „Leibnitz, fuhr er fort, hat aͤhnliche Gedanken uͤber ſolche ſelbſtſtaͤndige Weſen gehabt, und zwar, was wir mit dem Ausdruck Entelechie bezeichnen, nannte er Mo¬ naden.“
Ich nahm mir vor das Weitere daruͤber in Leibnitz an Ort und Stelle nachzuleſen.
Sonntag, den 7. Maͤrz 1830.
Um zwoͤlf Uhr zu Goethe, den ich heute beſonders friſch und kraͤftig fand. Er eroͤffnete mir, daß er ſeine claſſiſche Walpurgisnacht habe zuruͤcklegen muͤſſen, um
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0204"n="194"/>
zaͤhne ein Geiſt benutzt werde, ſey gar nicht wohl er¬<lb/>
funden, beſonders weil der Held ſich dabey ganz unthaͤ¬<lb/>
tig verhalte. Die anmuthige, ſinnliche und geiſtreiche<lb/>
Ausfuͤhrung des großen Dichters aber mache das Buch<lb/>
dem Leſer ſo angenehm, daß er an das eigentliche Fun¬<lb/>
dament nicht weiter denke und daruͤber hinausleſe.</p><lb/><p>Wir reden fort uͤber viele Dinge und ſo kommen<lb/>
wir auch wieder auf die Entelechie. „Die Hartnaͤckig¬<lb/>
keit des Individuums und daß der Menſch abſchuͤttelt<lb/>
was ihm nicht gemaͤß iſt, ſagte Goethe, iſt mir ein<lb/>
Beweis daß ſo etwas exiſtire.“ Ich hatte ſeit einigen<lb/>
Minuten daſſelbige gedacht und ſagen wollen, und ſo<lb/>
war es mir doppelt lieb, daß Goethe es ausſprach,<lb/>„<hirendition="#g">Leibnitz</hi>, fuhr er fort, hat aͤhnliche Gedanken uͤber<lb/>ſolche ſelbſtſtaͤndige Weſen gehabt, und zwar, was wir<lb/>
mit dem Ausdruck Entelechie bezeichnen, nannte er Mo¬<lb/>
naden.“</p><lb/><p>Ich nahm mir vor das Weitere daruͤber in Leibnitz<lb/>
an Ort und Stelle nachzuleſen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Sonntag, den 7. Maͤrz 1830.<lb/></dateline><p>Um zwoͤlf Uhr zu Goethe, den ich heute beſonders<lb/>
friſch und kraͤftig fand. Er eroͤffnete mir, daß er ſeine<lb/>
claſſiſche Walpurgisnacht habe zuruͤcklegen muͤſſen, um<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[194/0204]
zaͤhne ein Geiſt benutzt werde, ſey gar nicht wohl er¬
funden, beſonders weil der Held ſich dabey ganz unthaͤ¬
tig verhalte. Die anmuthige, ſinnliche und geiſtreiche
Ausfuͤhrung des großen Dichters aber mache das Buch
dem Leſer ſo angenehm, daß er an das eigentliche Fun¬
dament nicht weiter denke und daruͤber hinausleſe.
Wir reden fort uͤber viele Dinge und ſo kommen
wir auch wieder auf die Entelechie. „Die Hartnaͤckig¬
keit des Individuums und daß der Menſch abſchuͤttelt
was ihm nicht gemaͤß iſt, ſagte Goethe, iſt mir ein
Beweis daß ſo etwas exiſtire.“ Ich hatte ſeit einigen
Minuten daſſelbige gedacht und ſagen wollen, und ſo
war es mir doppelt lieb, daß Goethe es ausſprach,
„Leibnitz, fuhr er fort, hat aͤhnliche Gedanken uͤber
ſolche ſelbſtſtaͤndige Weſen gehabt, und zwar, was wir
mit dem Ausdruck Entelechie bezeichnen, nannte er Mo¬
naden.“
Ich nahm mir vor das Weitere daruͤber in Leibnitz
an Ort und Stelle nachzuleſen.
Sonntag, den 7. Maͤrz 1830.
Um zwoͤlf Uhr zu Goethe, den ich heute beſonders
friſch und kraͤftig fand. Er eroͤffnete mir, daß er ſeine
claſſiſche Walpurgisnacht habe zuruͤcklegen muͤſſen, um
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/204>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.