Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

wird gleich kommen. Da ist er wieder. Jetzt! -- Hier!
hier herein mein Freund! hier herein! -- Er geht vor¬
bey? Wie dumm! o wie dumm! Wie kann einer nur
so dumm seyn und so unverantwortlich handeln! So
unverantwortlich in doppelter Hinsicht! Unverantwort¬
lich gegen Dich, indem er Dir den Wechsel nicht bringt,
den er für Dich in Händen hat, und ganz unverant¬
wortlich gegen sich selbst, indem er sich um einen Gro¬
schen bringt, den ich schon für ihn zurecht gelegt hatte
und den ich nun wieder einstecke." So steckte er denn
den Groschen mit höchstem Anstande wieder in die Tasche
und wir hatten etwas zu lachen."

Ich freute mich dieses Scherzes, der den übrigen
vollkommen gleich sah. Ich fragte Goethe, ob er Beh¬
risch später nie wieder gesehen.

"Ich habe ihn wieder gesehen, sagte Goethe, und
zwar bald nach meiner Ankunft in Weimar, ungefähr
im Jahre 1776, wo ich mit dem Herzog eine Reise
nach Dessau machte, wohin Behrisch von Leipzig aus
als Erzieher des Erbprinzen berufen war. Ich fand
ihn noch ganz wie sonst, als feinen Hofmann und vom
besten Humor."

Was sagte er dazu, fragte ich, daß Sie in der
Zwischenzeit so berühmt geworden?

"Hab' ich es Dir nicht gesagt? war sein Erstes,
war es nicht gescheidt, daß Du damals die Verse nicht
drucken ließest, und daß Du gewartet hast bis Du etwas

II. 12

wird gleich kommen. Da iſt er wieder. Jetzt! — Hier!
hier herein mein Freund! hier herein! — Er geht vor¬
bey? Wie dumm! o wie dumm! Wie kann einer nur
ſo dumm ſeyn und ſo unverantwortlich handeln! So
unverantwortlich in doppelter Hinſicht! Unverantwort¬
lich gegen Dich, indem er Dir den Wechſel nicht bringt,
den er fuͤr Dich in Haͤnden hat, und ganz unverant¬
wortlich gegen ſich ſelbſt, indem er ſich um einen Gro¬
ſchen bringt, den ich ſchon fuͤr ihn zurecht gelegt hatte
und den ich nun wieder einſtecke.“ So ſteckte er denn
den Groſchen mit hoͤchſtem Anſtande wieder in die Taſche
und wir hatten etwas zu lachen.“

Ich freute mich dieſes Scherzes, der den uͤbrigen
vollkommen gleich ſah. Ich fragte Goethe, ob er Beh¬
riſch ſpaͤter nie wieder geſehen.

„Ich habe ihn wieder geſehen, ſagte Goethe, und
zwar bald nach meiner Ankunft in Weimar, ungefaͤhr
im Jahre 1776, wo ich mit dem Herzog eine Reiſe
nach Deſſau machte, wohin Behriſch von Leipzig aus
als Erzieher des Erbprinzen berufen war. Ich fand
ihn noch ganz wie ſonſt, als feinen Hofmann und vom
beſten Humor.“

Was ſagte er dazu, fragte ich, daß Sie in der
Zwiſchenzeit ſo beruͤhmt geworden?

„Hab' ich es Dir nicht geſagt? war ſein Erſtes,
war es nicht geſcheidt, daß Du damals die Verſe nicht
drucken ließeſt, und daß Du gewartet haſt bis Du etwas

II. 12
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0187" n="177"/>
wird gleich kommen. Da i&#x017F;t er wieder. Jetzt! &#x2014; Hier!<lb/>
hier herein mein Freund! hier herein! &#x2014; Er geht vor¬<lb/>
bey? Wie dumm! o wie dumm! Wie kann einer nur<lb/>
&#x017F;o dumm &#x017F;eyn und &#x017F;o unverantwortlich handeln! So<lb/>
unverantwortlich in doppelter Hin&#x017F;icht! Unverantwort¬<lb/>
lich gegen Dich, indem er Dir den Wech&#x017F;el nicht bringt,<lb/>
den er fu&#x0364;r Dich in Ha&#x0364;nden hat, und ganz unverant¬<lb/>
wortlich gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, indem er &#x017F;ich um einen Gro¬<lb/>
&#x017F;chen bringt, den ich &#x017F;chon fu&#x0364;r ihn zurecht gelegt hatte<lb/>
und den ich nun wieder ein&#x017F;tecke.&#x201C; So &#x017F;teckte er denn<lb/>
den Gro&#x017F;chen mit ho&#x0364;ch&#x017F;tem An&#x017F;tande wieder in die Ta&#x017F;che<lb/>
und wir hatten etwas zu lachen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Ich freute mich die&#x017F;es Scherzes, der den u&#x0364;brigen<lb/>
vollkommen gleich &#x017F;ah. Ich fragte Goethe, ob er Beh¬<lb/>
ri&#x017F;ch &#x017F;pa&#x0364;ter nie wieder ge&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich habe ihn wieder ge&#x017F;ehen, &#x017F;agte Goethe, und<lb/>
zwar bald nach meiner Ankunft in Weimar, ungefa&#x0364;hr<lb/>
im Jahre 1776, wo ich mit dem Herzog eine Rei&#x017F;e<lb/>
nach De&#x017F;&#x017F;au machte, wohin Behri&#x017F;ch von Leipzig aus<lb/>
als Erzieher des Erbprinzen berufen war. Ich fand<lb/>
ihn noch ganz wie &#x017F;on&#x017F;t, als feinen Hofmann und vom<lb/>
be&#x017F;ten Humor.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Was &#x017F;agte er dazu, fragte ich, daß Sie in der<lb/>
Zwi&#x017F;chenzeit &#x017F;o beru&#x0364;hmt geworden?</p><lb/>
          <p>&#x201E;Hab' ich es Dir nicht ge&#x017F;agt? war &#x017F;ein Er&#x017F;tes,<lb/>
war es nicht ge&#x017F;cheidt, daß Du damals die Ver&#x017F;e nicht<lb/>
drucken ließe&#x017F;t, und daß Du gewartet ha&#x017F;t bis Du etwas<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi>. 12<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0187] wird gleich kommen. Da iſt er wieder. Jetzt! — Hier! hier herein mein Freund! hier herein! — Er geht vor¬ bey? Wie dumm! o wie dumm! Wie kann einer nur ſo dumm ſeyn und ſo unverantwortlich handeln! So unverantwortlich in doppelter Hinſicht! Unverantwort¬ lich gegen Dich, indem er Dir den Wechſel nicht bringt, den er fuͤr Dich in Haͤnden hat, und ganz unverant¬ wortlich gegen ſich ſelbſt, indem er ſich um einen Gro¬ ſchen bringt, den ich ſchon fuͤr ihn zurecht gelegt hatte und den ich nun wieder einſtecke.“ So ſteckte er denn den Groſchen mit hoͤchſtem Anſtande wieder in die Taſche und wir hatten etwas zu lachen.“ Ich freute mich dieſes Scherzes, der den uͤbrigen vollkommen gleich ſah. Ich fragte Goethe, ob er Beh¬ riſch ſpaͤter nie wieder geſehen. „Ich habe ihn wieder geſehen, ſagte Goethe, und zwar bald nach meiner Ankunft in Weimar, ungefaͤhr im Jahre 1776, wo ich mit dem Herzog eine Reiſe nach Deſſau machte, wohin Behriſch von Leipzig aus als Erzieher des Erbprinzen berufen war. Ich fand ihn noch ganz wie ſonſt, als feinen Hofmann und vom beſten Humor.“ Was ſagte er dazu, fragte ich, daß Sie in der Zwiſchenzeit ſo beruͤhmt geworden? „Hab' ich es Dir nicht geſagt? war ſein Erſtes, war es nicht geſcheidt, daß Du damals die Verſe nicht drucken ließeſt, und daß Du gewartet haſt bis Du etwas II. 12

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/187
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/187>, abgerufen am 23.11.2024.