zu klagen, gleich wieder thätig ist und immer auf den Füßen steht. Was sagen Sie dazu, ist es nicht artig?"
Es erinnert mich an Sterne, antwortete ich, welcher beklagt, sein Leiden nicht wie ein vernünftiger Mann be¬ nutzt zu haben. "Es ist etwas Ähnliches," sagte Goethe.
Auch muß ich an Behrisch denken, fuhr ich fort, wie er Sie belehrt was Erfahrung sey, welches Capitel ich gerade dieser Tage zu abermaliger Erbauung gelesen: "Erfahrung aber ist, daß man erfahrend erfährt, was erfahren zu haben, man nicht gerne erfahren haben möchte." "Ja, sagte Goethe lachend, das sind die alten Späße, womit wir so schändlich unsere Zeit ver¬ darben!" Behrisch, fuhr ich fort, scheint ein Mensch gewesen zu seyn voller Anmuth und Zierlichkeit. Wie artig ist der Spaß im Weinkeller, wo er Abends den jungen Menschen verhindern will zu seinem Liebchen zu gehen, und dieses auf die heiterste Weise vollbringt, in¬ dem er seinen Degen, umschnallet, bald so und bald so, so daß er Alle zum Lachen bringt, und den jungen Menschen die Stunde des Rendezvous darüber vergessen macht. "Ja, sagte Goethe, es war artig; es wäre eine der anmuthigsten Scenen auf der Bühne, wie denn Behrisch überall für das Theater ein guter Cha¬ racter war."
Wir wiederholten darauf gesprächsweise alle die Wunderlichkeiten, die von Behrisch in Goethe's Leben
zu klagen, gleich wieder thaͤtig iſt und immer auf den Fuͤßen ſteht. Was ſagen Sie dazu, iſt es nicht artig?“
Es erinnert mich an Sterne, antwortete ich, welcher beklagt, ſein Leiden nicht wie ein vernuͤnftiger Mann be¬ nutzt zu haben. „Es iſt etwas Ähnliches,“ ſagte Goethe.
Auch muß ich an Behriſch denken, fuhr ich fort, wie er Sie belehrt was Erfahrung ſey, welches Capitel ich gerade dieſer Tage zu abermaliger Erbauung geleſen: „Erfahrung aber iſt, daß man erfahrend erfaͤhrt, was erfahren zu haben, man nicht gerne erfahren haben moͤchte.“ „Ja, ſagte Goethe lachend, das ſind die alten Spaͤße, womit wir ſo ſchaͤndlich unſere Zeit ver¬ darben!“ Behriſch, fuhr ich fort, ſcheint ein Menſch geweſen zu ſeyn voller Anmuth und Zierlichkeit. Wie artig iſt der Spaß im Weinkeller, wo er Abends den jungen Menſchen verhindern will zu ſeinem Liebchen zu gehen, und dieſes auf die heiterſte Weiſe vollbringt, in¬ dem er ſeinen Degen, umſchnallet, bald ſo und bald ſo, ſo daß er Alle zum Lachen bringt, und den jungen Menſchen die Stunde des Rendezvous daruͤber vergeſſen macht. „Ja, ſagte Goethe, es war artig; es waͤre eine der anmuthigſten Scenen auf der Buͤhne, wie denn Behriſch uͤberall fuͤr das Theater ein guter Cha¬ racter war.“
Wir wiederholten darauf geſpraͤchsweiſe alle die Wunderlichkeiten, die von Behriſch in Goethe's Leben
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zu klagen, gleich wieder thaͤtig iſt und immer auf den
Fuͤßen ſteht. Was ſagen Sie dazu, iſt es nicht
artig?“
Es erinnert mich an Sterne, antwortete ich, welcher
beklagt, ſein Leiden nicht wie ein vernuͤnftiger Mann be¬
nutzt zu haben. „Es iſt etwas Ähnliches,“ ſagte Goethe.
Auch muß ich an Behriſch denken, fuhr ich fort,
wie er Sie belehrt was Erfahrung ſey, welches Capitel
ich gerade dieſer Tage zu abermaliger Erbauung geleſen:
„Erfahrung aber iſt, daß man erfahrend erfaͤhrt, was
erfahren zu haben, man nicht gerne erfahren haben
moͤchte.“ „Ja, ſagte Goethe lachend, das ſind die
alten Spaͤße, womit wir ſo ſchaͤndlich unſere Zeit ver¬
darben!“ Behriſch, fuhr ich fort, ſcheint ein Menſch
geweſen zu ſeyn voller Anmuth und Zierlichkeit. Wie
artig iſt der Spaß im Weinkeller, wo er Abends den
jungen Menſchen verhindern will zu ſeinem Liebchen zu
gehen, und dieſes auf die heiterſte Weiſe vollbringt, in¬
dem er ſeinen Degen, umſchnallet, bald ſo und bald ſo,
ſo daß er Alle zum Lachen bringt, und den jungen
Menſchen die Stunde des Rendezvous daruͤber vergeſſen
macht. „Ja, ſagte Goethe, es war artig; es waͤre
eine der anmuthigſten Scenen auf der Buͤhne, wie
denn Behriſch uͤberall fuͤr das Theater ein guter Cha¬
racter war.“
Wir wiederholten darauf geſpraͤchsweiſe alle die
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/185>, abgerufen am 23.11.2024.
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