durch Fortzeugung ein neues Leben erhält, das Weib¬ liche hauptsächlich wirksam ist, so mögen jene schaffen¬ den Gottheiten mit Recht weiblich gedacht, und es mag der ehrwürdige Name Mütter ihnen nicht ohne Grund beygelegt werden.
Freylich ist dieses alles nur eine poetische Schöpfung; allein der beschränkte Mensch vermag nicht viel weiter zu dringen, und er ist zufrieden etwas zu finden, wo¬ bey er sich beruhigen möchte. Wir sehen auf Erden Erscheinungen und empfinden Wirkungen, von denen wir nicht wissen woher sie kommen und wohin sie ge¬ hen. Wir schließen auf einen geistigen Urquell, auf ein Göttliches, wofür wir keine Begriffe und keinen Ausdruck haben, und welches wir zu uns herabzie¬ hen und anthropomorphisiren müssen, um unsere dun¬ kelen Ahndungen einigermaßen zu verkörpern und fa߬ lich zu machen.
So sind alle Mythen entstanden, die von Jahrhun¬ dert zu Jahrhundert in den Völkern fortlebten, und ebenso diese neue von Goethe, die wenigstens den Schein einiger Naturwahrheit hat, und die wohl den besten gleichzustellen seyn dürfte, die je gedacht worden.
durch Fortzeugung ein neues Leben erhaͤlt, das Weib¬ liche hauptſaͤchlich wirkſam iſt, ſo moͤgen jene ſchaffen¬ den Gottheiten mit Recht weiblich gedacht, und es mag der ehrwuͤrdige Name Muͤtter ihnen nicht ohne Grund beygelegt werden.
Freylich iſt dieſes alles nur eine poetiſche Schoͤpfung; allein der beſchraͤnkte Menſch vermag nicht viel weiter zu dringen, und er iſt zufrieden etwas zu finden, wo¬ bey er ſich beruhigen moͤchte. Wir ſehen auf Erden Erſcheinungen und empfinden Wirkungen, von denen wir nicht wiſſen woher ſie kommen und wohin ſie ge¬ hen. Wir ſchließen auf einen geiſtigen Urquell, auf ein Goͤttliches, wofuͤr wir keine Begriffe und keinen Ausdruck haben, und welches wir zu uns herabzie¬ hen und anthropomorphiſiren muͤſſen, um unſere dun¬ kelen Ahndungen einigermaßen zu verkoͤrpern und fa߬ lich zu machen.
So ſind alle Mythen entſtanden, die von Jahrhun¬ dert zu Jahrhundert in den Voͤlkern fortlebten, und ebenſo dieſe neue von Goethe, die wenigſtens den Schein einiger Naturwahrheit hat, und die wohl den beſten gleichzuſtellen ſeyn duͤrfte, die je gedacht worden.
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durch Fortzeugung ein neues Leben erhaͤlt, das Weib¬
liche hauptſaͤchlich wirkſam iſt, ſo moͤgen jene ſchaffen¬
den Gottheiten mit Recht weiblich gedacht, und es
mag der ehrwuͤrdige Name Muͤtter ihnen nicht ohne
Grund beygelegt werden.
Freylich iſt dieſes alles nur eine poetiſche Schoͤpfung;
allein der beſchraͤnkte Menſch vermag nicht viel weiter
zu dringen, und er iſt zufrieden etwas zu finden, wo¬
bey er ſich beruhigen moͤchte. Wir ſehen auf Erden
Erſcheinungen und empfinden Wirkungen, von denen
wir nicht wiſſen woher ſie kommen und wohin ſie ge¬
hen. Wir ſchließen auf einen geiſtigen Urquell, auf
ein Goͤttliches, wofuͤr wir keine Begriffe und keinen
Ausdruck haben, und welches wir zu uns herabzie¬
hen und anthropomorphiſiren muͤſſen, um unſere dun¬
kelen Ahndungen einigermaßen zu verkoͤrpern und fa߬
lich zu machen.
So ſind alle Mythen entſtanden, die von Jahrhun¬
dert zu Jahrhundert in den Voͤlkern fortlebten, und
ebenſo dieſe neue von Goethe, die wenigſtens den
Schein einiger Naturwahrheit hat, und die wohl den
beſten gleichzuſtellen ſeyn duͤrfte, die je gedacht worden.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/183>, abgerufen am 23.11.2024.
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