erlangen, damit, wenn Sie nächsten Sommer an den Rhein gehen, es Ihnen beym Straßburger Münster und Cölner Dom zu Gute komme."
Ich freute mich dazu und fühlte mich ihm dankbar.
Sonnabend den 25. October 1823.
In der Dämmerung war ich ein halbes Stündchen bey Goethe. Er saß auf einem hölzernen Lehnstuhl vor seinem Arbeitstische; ich fand ihn in einer wunder¬ bar sanften Stimmung, wie einer der von himmlischem Frieden ganz erfüllt ist, oder wie einer der an ein süßes Glück denkt, das er genossen hat und das ihm wieder in aller Fülle vor der Seele schwebt. Stadelmann mußte mir einen Stuhl in seine Nähe setzen.
Wir sprachen sodann vom Theater, welches zu mei¬ nen Hauptinteressen dieses Winters gehört. Raupachs Erdennacht war das letzte gewesen, was ich gesehen. Ich gab mein Urtheil darüber: daß das Stück nicht zur Erscheinung gekommen, wie es im Geiste des Dich¬ ters gelegen, daß mehr die Idee vorherrsche als das Leben, daß es mehr lyrisch als dramatisch sey, daß das¬ jenige, was durch fünf Acte hindurch gesponnen und hindurch gezogen wird, weit besser in zweyen oder dreyen wäre zu geben gewesen. Goethe fügte hinzu, daß die Idee des Ganzen sich um Aristokratie und De¬
erlangen, damit, wenn Sie naͤchſten Sommer an den Rhein gehen, es Ihnen beym Straßburger Muͤnſter und Coͤlner Dom zu Gute komme.“
Ich freute mich dazu und fuͤhlte mich ihm dankbar.
Sonnabend den 25. October 1823.
In der Daͤmmerung war ich ein halbes Stuͤndchen bey Goethe. Er ſaß auf einem hoͤlzernen Lehnſtuhl vor ſeinem Arbeitstiſche; ich fand ihn in einer wunder¬ bar ſanften Stimmung, wie einer der von himmliſchem Frieden ganz erfuͤllt iſt, oder wie einer der an ein ſuͤßes Gluͤck denkt, das er genoſſen hat und das ihm wieder in aller Fuͤlle vor der Seele ſchwebt. Stadelmann mußte mir einen Stuhl in ſeine Naͤhe ſetzen.
Wir ſprachen ſodann vom Theater, welches zu mei¬ nen Hauptintereſſen dieſes Winters gehoͤrt. Raupachs Erdennacht war das letzte geweſen, was ich geſehen. Ich gab mein Urtheil daruͤber: daß das Stuͤck nicht zur Erſcheinung gekommen, wie es im Geiſte des Dich¬ ters gelegen, daß mehr die Idee vorherrſche als das Leben, daß es mehr lyriſch als dramatiſch ſey, daß das¬ jenige, was durch fuͤnf Acte hindurch geſponnen und hindurch gezogen wird, weit beſſer in zweyen oder dreyen waͤre zu geben geweſen. Goethe fuͤgte hinzu, daß die Idee des Ganzen ſich um Ariſtokratie und De¬
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erlangen, damit, wenn Sie naͤchſten Sommer an den
Rhein gehen, es Ihnen beym Straßburger Muͤnſter
und Coͤlner Dom zu Gute komme.“
Ich freute mich dazu und fuͤhlte mich ihm dankbar.
Sonnabend den 25. October 1823.
In der Daͤmmerung war ich ein halbes Stuͤndchen
bey Goethe. Er ſaß auf einem hoͤlzernen Lehnſtuhl
vor ſeinem Arbeitstiſche; ich fand ihn in einer wunder¬
bar ſanften Stimmung, wie einer der von himmliſchem
Frieden ganz erfuͤllt iſt, oder wie einer der an ein ſuͤßes
Gluͤck denkt, das er genoſſen hat und das ihm wieder
in aller Fuͤlle vor der Seele ſchwebt. Stadelmann mußte
mir einen Stuhl in ſeine Naͤhe ſetzen.
Wir ſprachen ſodann vom Theater, welches zu mei¬
nen Hauptintereſſen dieſes Winters gehoͤrt. Raupachs
Erdennacht war das letzte geweſen, was ich geſehen.
Ich gab mein Urtheil daruͤber: daß das Stuͤck nicht
zur Erſcheinung gekommen, wie es im Geiſte des Dich¬
ters gelegen, daß mehr die Idee vorherrſche als das
Leben, daß es mehr lyriſch als dramatiſch ſey, daß das¬
jenige, was durch fuͤnf Acte hindurch geſponnen und
hindurch gezogen wird, weit beſſer in zweyen oder
dreyen waͤre zu geben geweſen. Goethe fuͤgte hinzu,
daß die Idee des Ganzen ſich um Ariſtokratie und De¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/86>, abgerufen am 24.11.2024.
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