Er fing sogleich an von meinem Manuscript zu reden. "Ich komme eben von Ihnen her, sagte er; ich habe den ganzen Morgen in Ihrer Schrift gelesen; sie bedarf keiner Empfehlung, sie empfiehlt sich selber." Er lobte darauf die Klarheit der Darstellung und den Fluß der Gedanken und daß alles auf gutem Fundament ruhe und wohl durchdacht sey. "Ich will es schnell befördern, fügte er hinzu, heute noch schreibe ich an Cotta mit der reitenden Post, und morgen schicke ich das Paket mit der fahrenden nach." Ich dankte ihm dafür mit Worten und Blicken.
Wir sprachen darauf über meine fernere Reise. Ich sagte ihm daß mein eigentliches Ziel die Rheingegend sey, wo ich an einem passenden Ort zu verweilen und etwas Neues zu schreiben gedenke. Zunächst jedoch wolle ich von hier nach Jena gehen, um dort die Antwort des Herrn von Cotta zu erwarten.
Goethe fragte mich, ob ich in Jena schon Bekannte habe; ich erwiederte daß ich mit Herrn von Knebel in Berührung zu kommen hoffe, worauf er versprach mir einen Brief mitzugeben, damit ich einer desto bes¬ sern Aufnahme gewiß sey.
"Nun, nun! sagte er dann, wenn Sie in Jena sind, so sind wir ja nahe bey einander und können zu einander und können uns schreiben wenn etwas vorfällt."
Wir saßen lange beysammen, in ruhiger liebevoller Stimmung. Ich drückte seine Kniee, ich vergaß das
Er fing ſogleich an von meinem Manuſcript zu reden. „Ich komme eben von Ihnen her, ſagte er; ich habe den ganzen Morgen in Ihrer Schrift geleſen; ſie bedarf keiner Empfehlung, ſie empfiehlt ſich ſelber.“ Er lobte darauf die Klarheit der Darſtellung und den Fluß der Gedanken und daß alles auf gutem Fundament ruhe und wohl durchdacht ſey. „Ich will es ſchnell befoͤrdern, fuͤgte er hinzu, heute noch ſchreibe ich an Cotta mit der reitenden Poſt, und morgen ſchicke ich das Paket mit der fahrenden nach.“ Ich dankte ihm dafuͤr mit Worten und Blicken.
Wir ſprachen darauf uͤber meine fernere Reiſe. Ich ſagte ihm daß mein eigentliches Ziel die Rheingegend ſey, wo ich an einem paſſenden Ort zu verweilen und etwas Neues zu ſchreiben gedenke. Zunaͤchſt jedoch wolle ich von hier nach Jena gehen, um dort die Antwort des Herrn von Cotta zu erwarten.
Goethe fragte mich, ob ich in Jena ſchon Bekannte habe; ich erwiederte daß ich mit Herrn von Knebel in Beruͤhrung zu kommen hoffe, worauf er verſprach mir einen Brief mitzugeben, damit ich einer deſto beſ¬ ſern Aufnahme gewiß ſey.
„Nun, nun! ſagte er dann, wenn Sie in Jena ſind, ſo ſind wir ja nahe bey einander und koͤnnen zu einander und koͤnnen uns ſchreiben wenn etwas vorfaͤllt.“
Wir ſaßen lange beyſammen, in ruhiger liebevoller Stimmung. Ich druͤckte ſeine Kniee, ich vergaß das
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Er fing ſogleich an von meinem Manuſcript zu
reden. „Ich komme eben von Ihnen her, ſagte er;
ich habe den ganzen Morgen in Ihrer Schrift geleſen;
ſie bedarf keiner Empfehlung, ſie empfiehlt ſich ſelber.“
Er lobte darauf die Klarheit der Darſtellung und den
Fluß der Gedanken und daß alles auf gutem Fundament
ruhe und wohl durchdacht ſey. „Ich will es ſchnell
befoͤrdern, fuͤgte er hinzu, heute noch ſchreibe ich an
Cotta mit der reitenden Poſt, und morgen ſchicke ich
das Paket mit der fahrenden nach.“ Ich dankte ihm
dafuͤr mit Worten und Blicken.
Wir ſprachen darauf uͤber meine fernere Reiſe. Ich
ſagte ihm daß mein eigentliches Ziel die Rheingegend
ſey, wo ich an einem paſſenden Ort zu verweilen und
etwas Neues zu ſchreiben gedenke. Zunaͤchſt jedoch
wolle ich von hier nach Jena gehen, um dort die
Antwort des Herrn von Cotta zu erwarten.
Goethe fragte mich, ob ich in Jena ſchon Bekannte
habe; ich erwiederte daß ich mit Herrn von Knebel
in Beruͤhrung zu kommen hoffe, worauf er verſprach
mir einen Brief mitzugeben, damit ich einer deſto beſ¬
ſern Aufnahme gewiß ſey.
„Nun, nun! ſagte er dann, wenn Sie in Jena
ſind, ſo ſind wir ja nahe bey einander und koͤnnen zu
einander und koͤnnen uns ſchreiben wenn etwas vorfaͤllt.“
Wir ſaßen lange beyſammen, in ruhiger liebevoller
Stimmung. Ich druͤckte ſeine Kniee, ich vergaß das
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/59>, abgerufen am 18.12.2024.
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