zutraulich zu mir herankam und mich mit großen Augen anblickte.
Nachdem ich mich ein wenig umgesehen, ging ich so¬ dann mit dem sehr gesprächigen Bedienten die Treppe hinauf zur ersten Etage. Er öffnete ein Zimmer, vor dessen Schwelle man die Zeichen SALVE als gute Vorbedeutung eines freundlichen Willkommenseyns über¬ schritt. Er führte mich durch dieses Zimmer hindurch und öffnete ein zweytes, etwas geräumigeres, wo er mich zu verweilen bat, indem er ging mich seinem Herrn zu melden. Hier war die kühlste erquicklichste Luft, auf dem Boden lag ein Teppich gebreitet, auch war es durch ein rothes Kanapee und Stühle von glei¬ cher Farbe überaus heiter meublirt; gleich zur Seite stand ein Flügel, und an den Wänden sah man Handzeich¬ nungen und Gemälde verschiedener Art und Größe.
Durch eine offene Thür gegenüber blickte man sodann in ein ferneres Zimmer, gleichfalls mit Gemälden ver¬ ziert, durch welches der Bediente gegangen war mich zu melden.
Es währte nicht lange so kam Goethe, in einem blauen Oberrock und in Schuhen; eine erhabene Ge¬ stalt! Der Eindruck war überraschend. Doch verscheuchte er sogleich jede Befangenheit durch die freundlichsten Worte. Wir setzten uns auf das Sopha. Ich war glücklich verwirrt in seinem Anblick und seiner Nähe, ich wußte ihm wenig oder nichts zu sagen.
zutraulich zu mir herankam und mich mit großen Augen anblickte.
Nachdem ich mich ein wenig umgeſehen, ging ich ſo¬ dann mit dem ſehr geſpraͤchigen Bedienten die Treppe hinauf zur erſten Etage. Er oͤffnete ein Zimmer, vor deſſen Schwelle man die Zeichen SALVE als gute Vorbedeutung eines freundlichen Willkommenſeyns uͤber¬ ſchritt. Er fuͤhrte mich durch dieſes Zimmer hindurch und oͤffnete ein zweytes, etwas geraͤumigeres, wo er mich zu verweilen bat, indem er ging mich ſeinem Herrn zu melden. Hier war die kuͤhlſte erquicklichſte Luft, auf dem Boden lag ein Teppich gebreitet, auch war es durch ein rothes Kanapee und Stuͤhle von glei¬ cher Farbe uͤberaus heiter meublirt; gleich zur Seite ſtand ein Fluͤgel, und an den Waͤnden ſah man Handzeich¬ nungen und Gemaͤlde verſchiedener Art und Groͤße.
Durch eine offene Thuͤr gegenuͤber blickte man ſodann in ein ferneres Zimmer, gleichfalls mit Gemaͤlden ver¬ ziert, durch welches der Bediente gegangen war mich zu melden.
Es waͤhrte nicht lange ſo kam Goethe, in einem blauen Oberrock und in Schuhen; eine erhabene Ge¬ ſtalt! Der Eindruck war uͤberraſchend. Doch verſcheuchte er ſogleich jede Befangenheit durch die freundlichſten Worte. Wir ſetzten uns auf das Sopha. Ich war gluͤcklich verwirrt in ſeinem Anblick und ſeiner Naͤhe, ich wußte ihm wenig oder nichts zu ſagen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0058"n="38"/>
zutraulich zu mir herankam und mich mit großen Augen<lb/>
anblickte.</p><lb/><p>Nachdem ich mich ein wenig umgeſehen, ging ich ſo¬<lb/>
dann mit dem ſehr geſpraͤchigen Bedienten die Treppe<lb/>
hinauf zur erſten Etage. Er oͤffnete ein Zimmer, vor<lb/>
deſſen Schwelle man die Zeichen <hirendition="#aq">SALVE</hi> als gute<lb/>
Vorbedeutung eines freundlichen Willkommenſeyns uͤber¬<lb/>ſchritt. Er fuͤhrte mich durch dieſes Zimmer hindurch<lb/>
und oͤffnete ein zweytes, etwas geraͤumigeres, wo er<lb/>
mich zu verweilen bat, indem er ging mich ſeinem<lb/>
Herrn zu melden. Hier war die kuͤhlſte erquicklichſte<lb/>
Luft, auf dem Boden lag ein Teppich gebreitet, auch<lb/>
war es durch ein rothes Kanapee und Stuͤhle von glei¬<lb/>
cher Farbe uͤberaus heiter meublirt; gleich zur Seite ſtand<lb/>
ein Fluͤgel, und an den Waͤnden ſah man Handzeich¬<lb/>
nungen und Gemaͤlde verſchiedener Art und Groͤße.</p><lb/><p>Durch eine offene Thuͤr gegenuͤber blickte man ſodann<lb/>
in ein ferneres Zimmer, gleichfalls mit Gemaͤlden ver¬<lb/>
ziert, durch welches der Bediente gegangen war mich<lb/>
zu melden.</p><lb/><p>Es waͤhrte nicht lange ſo kam <hirendition="#g">Goethe</hi>, in einem<lb/>
blauen Oberrock und in Schuhen; eine erhabene Ge¬<lb/>ſtalt! Der Eindruck war uͤberraſchend. Doch verſcheuchte<lb/>
er ſogleich jede Befangenheit durch die freundlichſten<lb/>
Worte. Wir ſetzten uns auf das Sopha. Ich war<lb/>
gluͤcklich verwirrt in ſeinem Anblick und ſeiner Naͤhe,<lb/>
ich wußte ihm wenig oder nichts zu ſagen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[38/0058]
zutraulich zu mir herankam und mich mit großen Augen
anblickte.
Nachdem ich mich ein wenig umgeſehen, ging ich ſo¬
dann mit dem ſehr geſpraͤchigen Bedienten die Treppe
hinauf zur erſten Etage. Er oͤffnete ein Zimmer, vor
deſſen Schwelle man die Zeichen SALVE als gute
Vorbedeutung eines freundlichen Willkommenſeyns uͤber¬
ſchritt. Er fuͤhrte mich durch dieſes Zimmer hindurch
und oͤffnete ein zweytes, etwas geraͤumigeres, wo er
mich zu verweilen bat, indem er ging mich ſeinem
Herrn zu melden. Hier war die kuͤhlſte erquicklichſte
Luft, auf dem Boden lag ein Teppich gebreitet, auch
war es durch ein rothes Kanapee und Stuͤhle von glei¬
cher Farbe uͤberaus heiter meublirt; gleich zur Seite ſtand
ein Fluͤgel, und an den Waͤnden ſah man Handzeich¬
nungen und Gemaͤlde verſchiedener Art und Groͤße.
Durch eine offene Thuͤr gegenuͤber blickte man ſodann
in ein ferneres Zimmer, gleichfalls mit Gemaͤlden ver¬
ziert, durch welches der Bediente gegangen war mich
zu melden.
Es waͤhrte nicht lange ſo kam Goethe, in einem
blauen Oberrock und in Schuhen; eine erhabene Ge¬
ſtalt! Der Eindruck war uͤberraſchend. Doch verſcheuchte
er ſogleich jede Befangenheit durch die freundlichſten
Worte. Wir ſetzten uns auf das Sopha. Ich war
gluͤcklich verwirrt in ſeinem Anblick und ſeiner Naͤhe,
ich wußte ihm wenig oder nichts zu ſagen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/58>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.