Sowohl meine dramatische Arbeit, woran ich dem Stoffe nach das Interesse nicht verloren hatte, die aber der Form und dem Gehalte nach bedeutender erscheinen sollte; als auch Ideen in Bezug auf Grundsätze der Poesie, die sich besonders als Widerspruch gegen damals herrschende Ansichten entwickelt hatten, gedachte ich hinter¬ einander auszusprechen und zu vollenden.
Ich verließ daher im Herbst 1822 die Universität und bezog eine ländliche Wohnung in der Nähe von Hannover. Ich schrieb zunächst jene theoretischen Auf¬ sätze, von denen ich hoffte, daß sie besonders bey jungen Talenten nicht allein zur Hervorbringung, sondern auch zur Beurtheilung dichterischer Werke beytragen würden, und gab ihnen den Titel Beyträge zur Poesie.
Im May 1823 war ich mit dieser Arbeit zu Stande. Es kam mir nun in meiner Lage nicht allein darauf an, einen guten Verleger, sondern auch ein gutes Ho¬ norar zu erhalten, und so entschloß ich mich kurz, und schickte das Manuscript an Goethe, und bat ihn um einige empfehlende Worte an Herrn von Cotta.
Goethe war nach wie vor derjenige unter den Dich¬ tern, zu dem ich täglich als meinem untrüglichen Leit¬ stern hinaufblickte, dessen Aussprüche mit meiner Den¬ kungsweise in Harmonie standen und mich auf einen immer höheren Punkt der Ansicht stellten, dessen hohe Kunst in Behandlung der verschiedensten Gegenstände ich immer mehr zu ergründen und ihr nachzustreben
I. 3
Sowohl meine dramatiſche Arbeit, woran ich dem Stoffe nach das Intereſſe nicht verloren hatte, die aber der Form und dem Gehalte nach bedeutender erſcheinen ſollte; als auch Ideen in Bezug auf Grundſaͤtze der Poeſie, die ſich beſonders als Widerſpruch gegen damals herrſchende Anſichten entwickelt hatten, gedachte ich hinter¬ einander auszuſprechen und zu vollenden.
Ich verließ daher im Herbſt 1822 die Univerſitaͤt und bezog eine laͤndliche Wohnung in der Naͤhe von Hannover. Ich ſchrieb zunaͤchſt jene theoretiſchen Auf¬ ſaͤtze, von denen ich hoffte, daß ſie beſonders bey jungen Talenten nicht allein zur Hervorbringung, ſondern auch zur Beurtheilung dichteriſcher Werke beytragen wuͤrden, und gab ihnen den Titel Beytraͤge zur Poeſie.
Im May 1823 war ich mit dieſer Arbeit zu Stande. Es kam mir nun in meiner Lage nicht allein darauf an, einen guten Verleger, ſondern auch ein gutes Ho¬ norar zu erhalten, und ſo entſchloß ich mich kurz, und ſchickte das Manuſcript an Goethe, und bat ihn um einige empfehlende Worte an Herrn von Cotta.
Goethe war nach wie vor derjenige unter den Dich¬ tern, zu dem ich taͤglich als meinem untruͤglichen Leit¬ ſtern hinaufblickte, deſſen Ausſpruͤche mit meiner Den¬ kungsweiſe in Harmonie ſtanden und mich auf einen immer hoͤheren Punkt der Anſicht ſtellten, deſſen hohe Kunſt in Behandlung der verſchiedenſten Gegenſtaͤnde ich immer mehr zu ergruͤnden und ihr nachzuſtreben
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Sowohl meine dramatiſche Arbeit, woran ich dem
Stoffe nach das Intereſſe nicht verloren hatte, die aber
der Form und dem Gehalte nach bedeutender erſcheinen
ſollte; als auch Ideen in Bezug auf Grundſaͤtze der
Poeſie, die ſich beſonders als Widerſpruch gegen damals
herrſchende Anſichten entwickelt hatten, gedachte ich hinter¬
einander auszuſprechen und zu vollenden.
Ich verließ daher im Herbſt 1822 die Univerſitaͤt
und bezog eine laͤndliche Wohnung in der Naͤhe von
Hannover. Ich ſchrieb zunaͤchſt jene theoretiſchen Auf¬
ſaͤtze, von denen ich hoffte, daß ſie beſonders bey jungen
Talenten nicht allein zur Hervorbringung, ſondern auch
zur Beurtheilung dichteriſcher Werke beytragen wuͤrden,
und gab ihnen den Titel Beytraͤge zur Poeſie.
Im May 1823 war ich mit dieſer Arbeit zu Stande.
Es kam mir nun in meiner Lage nicht allein darauf
an, einen guten Verleger, ſondern auch ein gutes Ho¬
norar zu erhalten, und ſo entſchloß ich mich kurz, und
ſchickte das Manuſcript an Goethe, und bat ihn um
einige empfehlende Worte an Herrn von Cotta.
Goethe war nach wie vor derjenige unter den Dich¬
tern, zu dem ich taͤglich als meinem untruͤglichen Leit¬
ſtern hinaufblickte, deſſen Ausſpruͤche mit meiner Den¬
kungsweiſe in Harmonie ſtanden und mich auf einen
immer hoͤheren Punkt der Anſicht ſtellten, deſſen hohe
Kunſt in Behandlung der verſchiedenſten Gegenſtaͤnde
ich immer mehr zu ergruͤnden und ihr nachzuſtreben
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/53>, abgerufen am 24.11.2024.
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