Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.so großem Vermögen. Ein gewisser mittler Zustand ist "Man bemerkt mit Verwunderung, fuhr Goethe "Er lebte eigentlich immer im Naturzustande, und "Er konnte nicht allein leben. Deßwegen war er ſo großem Vermoͤgen. Ein gewiſſer mittler Zuſtand iſt „Man bemerkt mit Verwunderung, fuhr Goethe „Er lebte eigentlich immer im Naturzuſtande, und „Er konnte nicht allein leben. Deßwegen war er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0226" n="206"/> ſo großem Vermoͤgen. Ein gewiſſer mittler Zuſtand iſt<lb/> dem Talent bey weitem zutraͤglicher; weßhalb wir denn<lb/> auch alle große Kuͤnſtler und Poeten in den mittleren<lb/> Staͤnden finden. Byrons Hang zum Unbegrenzten<lb/> haͤtte ihm bey einer geringeren Geburt und niederem<lb/> Vermoͤgen bey weitem nicht ſo gefaͤhrlich werden koͤn¬<lb/> nen. So aber ſtand es in ſeiner Macht, jede Anwand¬<lb/> lung in Ausfuͤhrung zu bringen und das verſtrickte ihn<lb/> in unzaͤhlige Haͤndel. Und wie ſollte ferner dem, der<lb/> ſelbſt aus ſo hohem Stande war, irgend ein Stand<lb/> imponiren und Ruͤckſicht einfloͤßen? Er ſprach aus, was<lb/> ſich in ihm regte und das brachte ihn mit der Welt in<lb/> einen unaufloͤslichen Conflict.“</p><lb/> <p>„Man bemerkt mit Verwunderung, fuhr Goethe<lb/> fort, welcher große Theil des Lebens eines vornehmen<lb/> reichen Englaͤnders in Entfuͤhrungen und Duellen zuge¬<lb/> bracht wird. Lord Byron erzaͤhlt ſelbſt, daß ſein Vater<lb/> drey Frauen entfuͤhrt habe. Da ſey einer einmal ein<lb/> vernuͤnftiger Sohn!“</p><lb/> <p>„Er lebte eigentlich immer im Naturzuſtande, und<lb/> bey ſeiner Art zu ſeyn, mußte ihm taͤglich das Beduͤrf¬<lb/> niß der Nothwehr vorſchweben. Deßwegen ſein ewiges<lb/> Piſtolenſchießen. Er mußte jeden Augenblick erwarten<lb/> herausgefordert zu werden.“</p><lb/> <p>„Er konnte nicht allein leben. Deßwegen war er<lb/> trotz aller ſeiner Wunderlichkeiten gegen ſeine Geſellſchaft<lb/> hoͤchſt nachſichtig. Er las das herrliche Gedicht uͤber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0226]
ſo großem Vermoͤgen. Ein gewiſſer mittler Zuſtand iſt
dem Talent bey weitem zutraͤglicher; weßhalb wir denn
auch alle große Kuͤnſtler und Poeten in den mittleren
Staͤnden finden. Byrons Hang zum Unbegrenzten
haͤtte ihm bey einer geringeren Geburt und niederem
Vermoͤgen bey weitem nicht ſo gefaͤhrlich werden koͤn¬
nen. So aber ſtand es in ſeiner Macht, jede Anwand¬
lung in Ausfuͤhrung zu bringen und das verſtrickte ihn
in unzaͤhlige Haͤndel. Und wie ſollte ferner dem, der
ſelbſt aus ſo hohem Stande war, irgend ein Stand
imponiren und Ruͤckſicht einfloͤßen? Er ſprach aus, was
ſich in ihm regte und das brachte ihn mit der Welt in
einen unaufloͤslichen Conflict.“
„Man bemerkt mit Verwunderung, fuhr Goethe
fort, welcher große Theil des Lebens eines vornehmen
reichen Englaͤnders in Entfuͤhrungen und Duellen zuge¬
bracht wird. Lord Byron erzaͤhlt ſelbſt, daß ſein Vater
drey Frauen entfuͤhrt habe. Da ſey einer einmal ein
vernuͤnftiger Sohn!“
„Er lebte eigentlich immer im Naturzuſtande, und
bey ſeiner Art zu ſeyn, mußte ihm taͤglich das Beduͤrf¬
niß der Nothwehr vorſchweben. Deßwegen ſein ewiges
Piſtolenſchießen. Er mußte jeden Augenblick erwarten
herausgefordert zu werden.“
„Er konnte nicht allein leben. Deßwegen war er
trotz aller ſeiner Wunderlichkeiten gegen ſeine Geſellſchaft
hoͤchſt nachſichtig. Er las das herrliche Gedicht uͤber
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