bey dem Durchgange durch ein anderes Individuum nichts Eigenthümliches verloren gehe und nichts Fremdartiges sich beymische. Die körperlichen Bild¬ nisse Goethe's von Rauch, Dawe, Stieler und David sind alle in hohem Grade wahr, und doch tragen sie alle mehr oder weniger das Ge¬ präge der Individualität, die sie hervorbrachte. Und wie nun ein Solches schon von körperlichen Dingen zu sagen ist, um wie viel mehr wird es von flüchtigen, untastbaren Dingen des Geistes gelten! -- Wie dem nun aber in meinem Falle auch sey, so werden alle diejenigen, denen aus geistiger Macht oder aus persönlichem Umgange mit Goethe ein Urtheil dieses Gegenstandes zu¬ steht, mein Streben nach möglichster Treue hof¬ fentlich nicht verkennen.
Nach diesen größtentheils die Auffassung des Gegenstandes betreffenden Andeutungen bleibt mir über des Werkes Inhalt selber noch Folgendes zu sagen.
Dasjenige, was man das Wahre nennt, selbst in Betreff eines einzigen Gegenstandes, ist
bey dem Durchgange durch ein anderes Individuum nichts Eigenthuͤmliches verloren gehe und nichts Fremdartiges ſich beymiſche. Die koͤrperlichen Bild¬ niſſe Goethe's von Rauch, Dawe, Stieler und David ſind alle in hohem Grade wahr, und doch tragen ſie alle mehr oder weniger das Ge¬ praͤge der Individualitaͤt, die ſie hervorbrachte. Und wie nun ein Solches ſchon von koͤrperlichen Dingen zu ſagen iſt, um wie viel mehr wird es von fluͤchtigen, untaſtbaren Dingen des Geiſtes gelten! — Wie dem nun aber in meinem Falle auch ſey, ſo werden alle diejenigen, denen aus geiſtiger Macht oder aus perſoͤnlichem Umgange mit Goethe ein Urtheil dieſes Gegenſtandes zu¬ ſteht, mein Streben nach moͤglichſter Treue hof¬ fentlich nicht verkennen.
Nach dieſen groͤßtentheils die Auffaſſung des Gegenſtandes betreffenden Andeutungen bleibt mir uͤber des Werkes Inhalt ſelber noch Folgendes zu ſagen.
Dasjenige, was man das Wahre nennt, ſelbſt in Betreff eines einzigen Gegenſtandes, iſt
<TEI><text><front><divtype="preface"n="1"><p><pbfacs="#f0017"n="Xl"/>
bey dem Durchgange durch ein anderes Individuum<lb/>
nichts Eigenthuͤmliches verloren gehe und nichts<lb/>
Fremdartiges ſich beymiſche. Die koͤrperlichen Bild¬<lb/>
niſſe Goethe's von <hirendition="#g">Rauch</hi>, <hirendition="#g">Dawe</hi>, <hirendition="#g">Stieler</hi><lb/>
und <hirendition="#g">David</hi>ſind alle in hohem Grade wahr, und<lb/>
doch tragen ſie alle mehr oder weniger das Ge¬<lb/>
praͤge der Individualitaͤt, die ſie hervorbrachte.<lb/>
Und wie nun ein Solches ſchon von koͤrperlichen<lb/>
Dingen zu ſagen iſt, um wie viel mehr wird es<lb/>
von fluͤchtigen, untaſtbaren Dingen des Geiſtes<lb/>
gelten! — Wie dem nun aber in meinem Falle<lb/>
auch ſey, ſo werden alle diejenigen, denen aus<lb/>
geiſtiger Macht oder aus perſoͤnlichem Umgange<lb/>
mit Goethe ein Urtheil dieſes Gegenſtandes zu¬<lb/>ſteht, mein Streben nach moͤglichſter Treue hof¬<lb/>
fentlich nicht verkennen.</p><lb/><p>Nach dieſen groͤßtentheils die Auffaſſung des<lb/>
Gegenſtandes betreffenden Andeutungen bleibt mir<lb/>
uͤber des Werkes Inhalt ſelber noch Folgendes zu<lb/>ſagen.</p><lb/><p>Dasjenige, was man das <hirendition="#g">Wahre</hi> nennt,<lb/>ſelbſt in Betreff eines einzigen Gegenſtandes, iſt<lb/></p></div></front></text></TEI>
[Xl/0017]
bey dem Durchgange durch ein anderes Individuum
nichts Eigenthuͤmliches verloren gehe und nichts
Fremdartiges ſich beymiſche. Die koͤrperlichen Bild¬
niſſe Goethe's von Rauch, Dawe, Stieler
und David ſind alle in hohem Grade wahr, und
doch tragen ſie alle mehr oder weniger das Ge¬
praͤge der Individualitaͤt, die ſie hervorbrachte.
Und wie nun ein Solches ſchon von koͤrperlichen
Dingen zu ſagen iſt, um wie viel mehr wird es
von fluͤchtigen, untaſtbaren Dingen des Geiſtes
gelten! — Wie dem nun aber in meinem Falle
auch ſey, ſo werden alle diejenigen, denen aus
geiſtiger Macht oder aus perſoͤnlichem Umgange
mit Goethe ein Urtheil dieſes Gegenſtandes zu¬
ſteht, mein Streben nach moͤglichſter Treue hof¬
fentlich nicht verkennen.
Nach dieſen groͤßtentheils die Auffaſſung des
Gegenſtandes betreffenden Andeutungen bleibt mir
uͤber des Werkes Inhalt ſelber noch Folgendes zu
ſagen.
Dasjenige, was man das Wahre nennt,
ſelbſt in Betreff eines einzigen Gegenſtandes, iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. Xl. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/17>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.