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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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Ich halte dafür, daß diese Gespräche für Le¬
ben, Kunst und Wissenschaft nicht allein manche
Aufklärung und manche unschätzbare Lehre enthal¬
ten, sondern daß diese unmittelbaren Skizzen nach
dem Leben auch ganz besonders dazu beytragen
werden, das Bild zu vollenden, was man von
Goethe aus seinen mannigfaltigen Werken bereits
in sich tragen mag.

Weit entfernt aber bin ich auch wiederum, zu
glauben, daß hiemit nun der ganze innere Goethe
gezeichnet sey. Man kann diesen außerordentlichen
Geist und Menschen mit Recht einem vielseitigen
Diamanten vergleichen, der nach jeder Richtung
hin eine andere Farbe spiegelt. Und wie er nun
in verschiedenen Verhältnissen und zu verschiedenen
Personen ein Anderer war, so kann ich auch in
meinem Falle nur in ganz bescheidenem Sinne
sagen: dieß ist mein Goethe.

Und dieses Wort dürfte nicht bloß davon gel¬
ten, wie er sich mir darbot, sondern besonders
auch davon, wie ich ihn aufzufassen und wieder¬
zugeben fähig war. Es geht in solchen Fällen
eine Spiegelung vor und es ist sehr selten, daß

Ich halte dafuͤr, daß dieſe Geſpraͤche fuͤr Le¬
ben, Kunſt und Wiſſenſchaft nicht allein manche
Aufklaͤrung und manche unſchaͤtzbare Lehre enthal¬
ten, ſondern daß dieſe unmittelbaren Skizzen nach
dem Leben auch ganz beſonders dazu beytragen
werden, das Bild zu vollenden, was man von
Goethe aus ſeinen mannigfaltigen Werken bereits
in ſich tragen mag.

Weit entfernt aber bin ich auch wiederum, zu
glauben, daß hiemit nun der ganze innere Goethe
gezeichnet ſey. Man kann dieſen außerordentlichen
Geiſt und Menſchen mit Recht einem vielſeitigen
Diamanten vergleichen, der nach jeder Richtung
hin eine andere Farbe ſpiegelt. Und wie er nun
in verſchiedenen Verhaͤltniſſen und zu verſchiedenen
Perſonen ein Anderer war, ſo kann ich auch in
meinem Falle nur in ganz beſcheidenem Sinne
ſagen: dieß iſt mein Goethe.

Und dieſes Wort duͤrfte nicht bloß davon gel¬
ten, wie er ſich mir darbot, ſondern beſonders
auch davon, wie ich ihn aufzufaſſen und wieder¬
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eine Spiegelung vor und es iſt ſehr ſelten, daß

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[X/0016] Ich halte dafuͤr, daß dieſe Geſpraͤche fuͤr Le¬ ben, Kunſt und Wiſſenſchaft nicht allein manche Aufklaͤrung und manche unſchaͤtzbare Lehre enthal¬ ten, ſondern daß dieſe unmittelbaren Skizzen nach dem Leben auch ganz beſonders dazu beytragen werden, das Bild zu vollenden, was man von Goethe aus ſeinen mannigfaltigen Werken bereits in ſich tragen mag. Weit entfernt aber bin ich auch wiederum, zu glauben, daß hiemit nun der ganze innere Goethe gezeichnet ſey. Man kann dieſen außerordentlichen Geiſt und Menſchen mit Recht einem vielſeitigen Diamanten vergleichen, der nach jeder Richtung hin eine andere Farbe ſpiegelt. Und wie er nun in verſchiedenen Verhaͤltniſſen und zu verſchiedenen Perſonen ein Anderer war, ſo kann ich auch in meinem Falle nur in ganz beſcheidenem Sinne ſagen: dieß iſt mein Goethe. Und dieſes Wort duͤrfte nicht bloß davon gel¬ ten, wie er ſich mir darbot, ſondern beſonders auch davon, wie ich ihn aufzufaſſen und wieder¬ zugeben faͤhig war. Es geht in ſolchen Faͤllen eine Spiegelung vor und es iſt ſehr ſelten, daß

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/16>, abgerufen am 01.05.2024.