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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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müde ewig zu wiederholen; dieß war seines Talentes
eigentliche Region, aus der er auch zeitlebens nicht her¬
ausging. Und daran that er wohl! Das Mitgefühl
der Zustände dieser Thiere war ihm angeboren, die
Kenntniß ihres Psychologischen war ihm gegeben, und
so hatte er denn auch für deren Körperliches ein so
glückliches Auge. Andere Geschöpfe dagegen waren ihm
vielleicht nicht so durchsichtig und es fehlte ihm daher
zu ihrer Darstellung sowohl Beruf als Trieb."

Durch diese Äußerung Goethe's ward manches Ana¬
loge in mir aufgeregt, das mir wieder lebhaft vor die
Seele trat. So hatte er mir vor einiger Zeit gesagt,
daß dem echten Dichter die Kenntniß der Welt ange¬
boren sey und daß er zu ihrer Darstellung keineswegs
vieler Erfahrung und einer großen Empirie bedürfe.
"Ich schrieb meinen Götz von Berlichingen, sagte er,
als junger Mensch von zwey und zwanzig, und erstaunte
zehn Jahre später über die Wahrheit meiner Darstellung.
Erlebt und gesehen hatte ich bekanntlich dergleichen nicht
und ich mußte also die Kenntniß mannigfaltiger mensch¬
licher Zustände durch Anticipation besitzen."

"Überhaupt hatte ich nur Freude an der Darstellung
meiner innern Welt, ehe ich die äußere kannte. Als
ich nachher in der Wirklichkeit fand, daß die Welt so
war, wie ich sie mir gedacht hatte, war sie mir ver¬
drießlich und ich hatte keine Lust mehr sie darzustellen.
Ja ich möchte sagen: hätte ich mit Darstellung der

muͤde ewig zu wiederholen; dieß war ſeines Talentes
eigentliche Region, aus der er auch zeitlebens nicht her¬
ausging. Und daran that er wohl! Das Mitgefuͤhl
der Zuſtaͤnde dieſer Thiere war ihm angeboren, die
Kenntniß ihres Pſychologiſchen war ihm gegeben, und
ſo hatte er denn auch fuͤr deren Koͤrperliches ein ſo
gluͤckliches Auge. Andere Geſchoͤpfe dagegen waren ihm
vielleicht nicht ſo durchſichtig und es fehlte ihm daher
zu ihrer Darſtellung ſowohl Beruf als Trieb.“

Durch dieſe Äußerung Goethe's ward manches Ana¬
loge in mir aufgeregt, das mir wieder lebhaft vor die
Seele trat. So hatte er mir vor einiger Zeit geſagt,
daß dem echten Dichter die Kenntniß der Welt ange¬
boren ſey und daß er zu ihrer Darſtellung keineswegs
vieler Erfahrung und einer großen Empirie beduͤrfe.
„Ich ſchrieb meinen Goͤtz von Berlichingen, ſagte er,
als junger Menſch von zwey und zwanzig, und erſtaunte
zehn Jahre ſpaͤter uͤber die Wahrheit meiner Darſtellung.
Erlebt und geſehen hatte ich bekanntlich dergleichen nicht
und ich mußte alſo die Kenntniß mannigfaltiger menſch¬
licher Zuſtaͤnde durch Anticipation beſitzen.“

„Überhaupt hatte ich nur Freude an der Darſtellung
meiner innern Welt, ehe ich die aͤußere kannte. Als
ich nachher in der Wirklichkeit fand, daß die Welt ſo
war, wie ich ſie mir gedacht hatte, war ſie mir ver¬
drießlich und ich hatte keine Luſt mehr ſie darzuſtellen.
Ja ich moͤchte ſagen: haͤtte ich mit Darſtellung der

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[126/0146] muͤde ewig zu wiederholen; dieß war ſeines Talentes eigentliche Region, aus der er auch zeitlebens nicht her¬ ausging. Und daran that er wohl! Das Mitgefuͤhl der Zuſtaͤnde dieſer Thiere war ihm angeboren, die Kenntniß ihres Pſychologiſchen war ihm gegeben, und ſo hatte er denn auch fuͤr deren Koͤrperliches ein ſo gluͤckliches Auge. Andere Geſchoͤpfe dagegen waren ihm vielleicht nicht ſo durchſichtig und es fehlte ihm daher zu ihrer Darſtellung ſowohl Beruf als Trieb.“ Durch dieſe Äußerung Goethe's ward manches Ana¬ loge in mir aufgeregt, das mir wieder lebhaft vor die Seele trat. So hatte er mir vor einiger Zeit geſagt, daß dem echten Dichter die Kenntniß der Welt ange¬ boren ſey und daß er zu ihrer Darſtellung keineswegs vieler Erfahrung und einer großen Empirie beduͤrfe. „Ich ſchrieb meinen Goͤtz von Berlichingen, ſagte er, als junger Menſch von zwey und zwanzig, und erſtaunte zehn Jahre ſpaͤter uͤber die Wahrheit meiner Darſtellung. Erlebt und geſehen hatte ich bekanntlich dergleichen nicht und ich mußte alſo die Kenntniß mannigfaltiger menſch¬ licher Zuſtaͤnde durch Anticipation beſitzen.“ „Überhaupt hatte ich nur Freude an der Darſtellung meiner innern Welt, ehe ich die aͤußere kannte. Als ich nachher in der Wirklichkeit fand, daß die Welt ſo war, wie ich ſie mir gedacht hatte, war ſie mir ver¬ drießlich und ich hatte keine Luſt mehr ſie darzuſtellen. Ja ich moͤchte ſagen: haͤtte ich mit Darſtellung der

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/146>, abgerufen am 28.11.2024.