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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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dreischnürige Geißel, die Thiere bäumten sich, rissen das
Mädchen um und jagten davon. Jhr letzter Angstschrei
drang wie ein Lanzenstich in die Wunden des Verstümmelten.



Am zwölften Tage nach dem Tode der Nitetis begab
sich Kambyses wieder auf die Jagd. Das Waidwerk mit
seiner Anstrengung, seinen Gefahren und Erregungen,
sollte ihn zerstreuen. Die Großen und Würdenträger em-
pfingen ihren Herrscher mit donnerndem Zurufe, den er
freundlich dankend hinnahm. Die wenigen Tage des
Grams hatten den des Leides ungewohnten Mann sehr ver-
ändert. Sein Angesicht war bleich, sein rabenschwarzes
Haupt- und Barthaar grau geworden. Die frühere
Siegesgewißheit strahlte nicht mehr so leuchtend, wie sonst,
aus seinen Blicken; hatte er doch schmerzlich erfahren, daß
es einen stärkern Willen gab, als den seinen, daß er zwar
Vieles vernichten, aber auch nicht das ärmste Leben er-
halten konnte. Ehe man aufbrach, musterte Kambyses die
Jäger, rief Gobryas herbei und fragte nach Phanes.

"Mein König hat nicht befohlen --"

"Er ist ein- für allemal unser Gast und Gefährte.
Rufe ihn und folge uns nach!"

Gobryas verneigte sich, sprengte zum Palaste zurück
und hielt nach einer halben Stunde wiederum mit Phanes
beim Gefolge des Königs.

Mancher freundliche Gruß der Jagdgenossen wurde
dem Athener zu Theil; ein Umstand, der um so befrem-
dender erscheinen mußte, weil Niemand neidischer zu sein
pflegt als Höflinge, und kein Mensch der Mißgunst sichrer
sein darf, als der Günstling eines Herrschers. Nur Phanes
schien eine Ausnahme von dieser Regel bilden zu wollen.

dreiſchnürige Geißel, die Thiere bäumten ſich, riſſen das
Mädchen um und jagten davon. Jhr letzter Angſtſchrei
drang wie ein Lanzenſtich in die Wunden des Verſtümmelten.



Am zwölften Tage nach dem Tode der Nitetis begab
ſich Kambyſes wieder auf die Jagd. Das Waidwerk mit
ſeiner Anſtrengung, ſeinen Gefahren und Erregungen,
ſollte ihn zerſtreuen. Die Großen und Würdenträger em-
pfingen ihren Herrſcher mit donnerndem Zurufe, den er
freundlich dankend hinnahm. Die wenigen Tage des
Grams hatten den des Leides ungewohnten Mann ſehr ver-
ändert. Sein Angeſicht war bleich, ſein rabenſchwarzes
Haupt- und Barthaar grau geworden. Die frühere
Siegesgewißheit ſtrahlte nicht mehr ſo leuchtend, wie ſonſt,
aus ſeinen Blicken; hatte er doch ſchmerzlich erfahren, daß
es einen ſtärkern Willen gab, als den ſeinen, daß er zwar
Vieles vernichten, aber auch nicht das ärmſte Leben er-
halten konnte. Ehe man aufbrach, muſterte Kambyſes die
Jäger, rief Gobryas herbei und fragte nach Phanes.

„Mein König hat nicht befohlen —“

„Er iſt ein- für allemal unſer Gaſt und Gefährte.
Rufe ihn und folge uns nach!“

Gobryas verneigte ſich, ſprengte zum Palaſte zurück
und hielt nach einer halben Stunde wiederum mit Phanes
beim Gefolge des Königs.

Mancher freundliche Gruß der Jagdgenoſſen wurde
dem Athener zu Theil; ein Umſtand, der um ſo befrem-
dender erſcheinen mußte, weil Niemand neidiſcher zu ſein
pflegt als Höflinge, und kein Menſch der Mißgunſt ſichrer
ſein darf, als der Günſtling eines Herrſchers. Nur Phanes
ſchien eine Ausnahme von dieſer Regel bilden zu wollen.

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[41/0051] dreiſchnürige Geißel, die Thiere bäumten ſich, riſſen das Mädchen um und jagten davon. Jhr letzter Angſtſchrei drang wie ein Lanzenſtich in die Wunden des Verſtümmelten. Am zwölften Tage nach dem Tode der Nitetis begab ſich Kambyſes wieder auf die Jagd. Das Waidwerk mit ſeiner Anſtrengung, ſeinen Gefahren und Erregungen, ſollte ihn zerſtreuen. Die Großen und Würdenträger em- pfingen ihren Herrſcher mit donnerndem Zurufe, den er freundlich dankend hinnahm. Die wenigen Tage des Grams hatten den des Leides ungewohnten Mann ſehr ver- ändert. Sein Angeſicht war bleich, ſein rabenſchwarzes Haupt- und Barthaar grau geworden. Die frühere Siegesgewißheit ſtrahlte nicht mehr ſo leuchtend, wie ſonſt, aus ſeinen Blicken; hatte er doch ſchmerzlich erfahren, daß es einen ſtärkern Willen gab, als den ſeinen, daß er zwar Vieles vernichten, aber auch nicht das ärmſte Leben er- halten konnte. Ehe man aufbrach, muſterte Kambyſes die Jäger, rief Gobryas herbei und fragte nach Phanes. „Mein König hat nicht befohlen —“ „Er iſt ein- für allemal unſer Gaſt und Gefährte. Rufe ihn und folge uns nach!“ Gobryas verneigte ſich, ſprengte zum Palaſte zurück und hielt nach einer halben Stunde wiederum mit Phanes beim Gefolge des Königs. Mancher freundliche Gruß der Jagdgenoſſen wurde dem Athener zu Theil; ein Umſtand, der um ſo befrem- dender erſcheinen mußte, weil Niemand neidiſcher zu ſein pflegt als Höflinge, und kein Menſch der Mißgunſt ſichrer ſein darf, als der Günſtling eines Herrſchers. Nur Phanes ſchien eine Ausnahme von dieſer Regel bilden zu wollen.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/51>, abgerufen am 10.05.2024.