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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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der Welt zu zeigen, und langte glücklich zu Babylon
an, woselbst ich ihm im Königspalaste selbst ein Unter-
kommen verschaffte, weil wir Deiner, wegen der traurigen
Vergiftung Deiner Landsmännin, nicht habhaft werden
konnten. Das Andere weißt Du." --

Nebenchari senkte bejahend sein Haupt und befahl
Hib mit einem ernsten Winke, das Zimmer zu verlassen.

Der Alte gehorchte brummend und leise vor sich
hin scheltend. Als sich die Thür hinter ihm geschlossen
hatte, näherte sich der Heilkünstler dem Kriegsmann und
sagte: "Jch fürchte, Hellene, daß wir trotz alledem keine
Bundesgenossen sein können!"

"Und warum nicht?"

"Weil ich vermuthe, daß Deine Rache im Vergleich
zu derjenigen, die mir zu üben obliegt, zu gelinde aus-
fallen möchte."

"Jn dieser Beziehung hast Du nichts zu besorgen!"
antwortete der Athener. "Darf ich Dich meinen Bundes-
genossen nennen?"

"Ja; unter einer Bedingung!"

"Laß sie hören!"

"Du mußt mir Gelegenheit verschaffen, mit eigenen
Augen das Werk unserer Rache zu sehen."

"Das heißt, Du willst, wenn Kambyses nach
Aegypten zieht, das Heer begleiten?"

"Ja! Und wenn meine Feinde in Schmach und
Elend schmachten, dann will ich ihnen zurufen: ,Seht,
ihr Feiglinge, dies Unheil verdankt ihr dem armen, ver-
bannten Augenarzte! O, meine Bücher, meine Bücher!
Sie waren mir Ersatz für Weib und Kind, die ich Beide
verloren. Aus ihnen sollten Hunderte lernen, den Blinden

der Welt zu zeigen, und langte glücklich zu Babylon
an, woſelbſt ich ihm im Königspalaſte ſelbſt ein Unter-
kommen verſchaffte, weil wir Deiner, wegen der traurigen
Vergiftung Deiner Landsmännin, nicht habhaft werden
konnten. Das Andere weißt Du.“ —

Nebenchari ſenkte bejahend ſein Haupt und befahl
Hib mit einem ernſten Winke, das Zimmer zu verlaſſen.

Der Alte gehorchte brummend und leiſe vor ſich
hin ſcheltend. Als ſich die Thür hinter ihm geſchloſſen
hatte, näherte ſich der Heilkünſtler dem Kriegsmann und
ſagte: „Jch fürchte, Hellene, daß wir trotz alledem keine
Bundesgenoſſen ſein können!“

„Und warum nicht?“

„Weil ich vermuthe, daß Deine Rache im Vergleich
zu derjenigen, die mir zu üben obliegt, zu gelinde aus-
fallen möchte.“

„Jn dieſer Beziehung haſt Du nichts zu beſorgen!“
antwortete der Athener. „Darf ich Dich meinen Bundes-
genoſſen nennen?“

„Ja; unter einer Bedingung!“

„Laß ſie hören!“

„Du mußt mir Gelegenheit verſchaffen, mit eigenen
Augen das Werk unſerer Rache zu ſehen.“

„Das heißt, Du willſt, wenn Kambyſes nach
Aegypten zieht, das Heer begleiten?“

„Ja! Und wenn meine Feinde in Schmach und
Elend ſchmachten, dann will ich ihnen zurufen: ‚Seht,
ihr Feiglinge, dies Unheil verdankt ihr dem armen, ver-
bannten Augenarzte! O, meine Bücher, meine Bücher!
Sie waren mir Erſatz für Weib und Kind, die ich Beide
verloren. Aus ihnen ſollten Hunderte lernen, den Blinden

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[27/0035] der Welt zu zeigen, und langte glücklich zu Babylon an, woſelbſt ich ihm im Königspalaſte ſelbſt ein Unter- kommen verſchaffte, weil wir Deiner, wegen der traurigen Vergiftung Deiner Landsmännin, nicht habhaft werden konnten. Das Andere weißt Du.“ — Nebenchari ſenkte bejahend ſein Haupt und befahl Hib mit einem ernſten Winke, das Zimmer zu verlaſſen. Der Alte gehorchte brummend und leiſe vor ſich hin ſcheltend. Als ſich die Thür hinter ihm geſchloſſen hatte, näherte ſich der Heilkünſtler dem Kriegsmann und ſagte: „Jch fürchte, Hellene, daß wir trotz alledem keine Bundesgenoſſen ſein können!“ „Und warum nicht?“ „Weil ich vermuthe, daß Deine Rache im Vergleich zu derjenigen, die mir zu üben obliegt, zu gelinde aus- fallen möchte.“ „Jn dieſer Beziehung haſt Du nichts zu beſorgen!“ antwortete der Athener. „Darf ich Dich meinen Bundes- genoſſen nennen?“ „Ja; unter einer Bedingung!“ „Laß ſie hören!“ „Du mußt mir Gelegenheit verſchaffen, mit eigenen Augen das Werk unſerer Rache zu ſehen.“ „Das heißt, Du willſt, wenn Kambyſes nach Aegypten zieht, das Heer begleiten?“ „Ja! Und wenn meine Feinde in Schmach und Elend ſchmachten, dann will ich ihnen zurufen: ‚Seht, ihr Feiglinge, dies Unheil verdankt ihr dem armen, ver- bannten Augenarzte! O, meine Bücher, meine Bücher! Sie waren mir Erſatz für Weib und Kind, die ich Beide verloren. Aus ihnen ſollten Hunderte lernen, den Blinden

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/35>, abgerufen am 23.11.2024.