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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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ihn beim Abschiede küßte, sagte er: ,Bleib' bei uns,
Großvater! Wenn die Fremden Dich verunreinigen, so
darf ich Dich nicht mehr küssen.' Benra grüßt Dich
herzlich, und mein Schwiegersohn läßt Dir sagen, er habe
in Erfahrung gebracht, daß Psamtik, der Thronfolger,
und Petammon, der Augenarzt, Dein alter Nebenbuhler,
ganz allein an dieser fluchwürdigen Frevelthat schuld
wären. Weil ich mich nicht dem typhonischen Meere
anvertrauen wollte, so reiste ich zuerst mit einem Zuge
arabischer Handelsleute bis nach Thadmor, der palmen-
reichen Wüstenstation der Phönizier 15), und von dort mit
sidonischen Händlern bis Karchemis am Euphrat, woselbst
sich die von Phönizien nach Babylon führende Straße
mit derjenigen verbindet, die von Sardes aus hierher
führt. Schwer ermüdet saß ich dort in dem Wäldchen
vor dem Stationshause, als ein mit königlichen Post-
pferden reisender Fremder ankam. Jch erkannte in ihm
sofort den früheren Obersten der hellenischen Söldner."

"Und ich," unterbrach Phanes den Erzähler, "er-
kannte ebenso schnell in Dir, Alter, den längsten und
zänkischsten Menschen, der mir je begegnet ist. Hundert-
mal hatte ich zu Sais über Dich lachen müssen, wenn
Du auf die Kinder schaltest, die Dir nachliefen, so oft
Du mit dem Arzneikästchen unter dem Arme Deinem
Herrn durch die Straßen folgtest. Ja, ich erinnerte
mich, sobald ich Dich sah, eines Scherzes, den sich der
König nach seiner Art auf Deine Kosten erlaubt hatte.
Als ihr Beide eines Tages vorbeikamet, rief er: ,Der
Alte kommt mir vor wie eine grimmige Eule, die
von kleinen necksüchtigen Vögeln umflattert wird, und
Nebenchari soll ein böses Weib haben, das ihm zum

ihn beim Abſchiede küßte, ſagte er: ‚Bleib’ bei uns,
Großvater! Wenn die Fremden Dich verunreinigen, ſo
darf ich Dich nicht mehr küſſen.‘ Benra grüßt Dich
herzlich, und mein Schwiegerſohn läßt Dir ſagen, er habe
in Erfahrung gebracht, daß Pſamtik, der Thronfolger,
und Petammon, der Augenarzt, Dein alter Nebenbuhler,
ganz allein an dieſer fluchwürdigen Frevelthat ſchuld
wären. Weil ich mich nicht dem typhoniſchen Meere
anvertrauen wollte, ſo reiste ich zuerſt mit einem Zuge
arabiſcher Handelsleute bis nach Thadmor, der palmen-
reichen Wüſtenſtation der Phönizier 15), und von dort mit
ſidoniſchen Händlern bis Karchemis am Euphrat, woſelbſt
ſich die von Phönizien nach Babylon führende Straße
mit derjenigen verbindet, die von Sardes aus hierher
führt. Schwer ermüdet ſaß ich dort in dem Wäldchen
vor dem Stationshauſe, als ein mit königlichen Poſt-
pferden reiſender Fremder ankam. Jch erkannte in ihm
ſofort den früheren Oberſten der helleniſchen Söldner.“

„Und ich,“ unterbrach Phanes den Erzähler, „er-
kannte ebenſo ſchnell in Dir, Alter, den längſten und
zänkiſchſten Menſchen, der mir je begegnet iſt. Hundert-
mal hatte ich zu Sais über Dich lachen müſſen, wenn
Du auf die Kinder ſchalteſt, die Dir nachliefen, ſo oft
Du mit dem Arzneikäſtchen unter dem Arme Deinem
Herrn durch die Straßen folgteſt. Ja, ich erinnerte
mich, ſobald ich Dich ſah, eines Scherzes, den ſich der
König nach ſeiner Art auf Deine Koſten erlaubt hatte.
Als ihr Beide eines Tages vorbeikamet, rief er: ‚Der
Alte kommt mir vor wie eine grimmige Eule, die
von kleinen neckſüchtigen Vögeln umflattert wird, und
Nebenchari ſoll ein böſes Weib haben, das ihm zum

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[25/0033] ihn beim Abſchiede küßte, ſagte er: ‚Bleib’ bei uns, Großvater! Wenn die Fremden Dich verunreinigen, ſo darf ich Dich nicht mehr küſſen.‘ Benra grüßt Dich herzlich, und mein Schwiegerſohn läßt Dir ſagen, er habe in Erfahrung gebracht, daß Pſamtik, der Thronfolger, und Petammon, der Augenarzt, Dein alter Nebenbuhler, ganz allein an dieſer fluchwürdigen Frevelthat ſchuld wären. Weil ich mich nicht dem typhoniſchen Meere anvertrauen wollte, ſo reiste ich zuerſt mit einem Zuge arabiſcher Handelsleute bis nach Thadmor, der palmen- reichen Wüſtenſtation der Phönizier 15), und von dort mit ſidoniſchen Händlern bis Karchemis am Euphrat, woſelbſt ſich die von Phönizien nach Babylon führende Straße mit derjenigen verbindet, die von Sardes aus hierher führt. Schwer ermüdet ſaß ich dort in dem Wäldchen vor dem Stationshauſe, als ein mit königlichen Poſt- pferden reiſender Fremder ankam. Jch erkannte in ihm ſofort den früheren Oberſten der helleniſchen Söldner.“ „Und ich,“ unterbrach Phanes den Erzähler, „er- kannte ebenſo ſchnell in Dir, Alter, den längſten und zänkiſchſten Menſchen, der mir je begegnet iſt. Hundert- mal hatte ich zu Sais über Dich lachen müſſen, wenn Du auf die Kinder ſchalteſt, die Dir nachliefen, ſo oft Du mit dem Arzneikäſtchen unter dem Arme Deinem Herrn durch die Straßen folgteſt. Ja, ich erinnerte mich, ſobald ich Dich ſah, eines Scherzes, den ſich der König nach ſeiner Art auf Deine Koſten erlaubt hatte. Als ihr Beide eines Tages vorbeikamet, rief er: ‚Der Alte kommt mir vor wie eine grimmige Eule, die von kleinen neckſüchtigen Vögeln umflattert wird, und Nebenchari ſoll ein böſes Weib haben, das ihm zum

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/33>, abgerufen am 28.04.2024.