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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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"Kein Mißklang stört die Ruhe meines Gemüths, kein
Augenblick der Unzufriedenheit drängt sich in den schein-
bar einförmigen Lauf eines Lebens, welches jetzt, nach
vielen Jrrungen und Jrrfahrten, einzig der Betrachtung
Gottes, der Wissenschaft, und somit der Vorbereitung der
Seele auf das Leben nach dem Tode gewidmet ist.

"Dort, jenseits des Grabes, schlingen die Sphären
in seligen Harmonieen ihre ewigen Kreise, waltet ein nie
gestörter göttlicher Einklang. Damit die Seele nun in
diese unsichtbare, reine, geistige Welt eingehen könne, ohne
die Harmonie derselben zu stören, müssen wir schon hier
auf Erden dafür sorgen, uns alles Unreinen und Un-
harmonischen zu entkleiden. Gelingt uns dies an Leib
und Seele, dann können wir ruhig sterben, sicher, als
harmonischer Theil in dem harmonischen Ganzen auf-
zugehen.

"Du kennst die Ansicht des Meisters, daß die unreine
Seele, so lange die Leiber von Menschen und Thieren
durchwandern muß, bis sie jene Lauterkeit angenommen
hat, die sie befähigt, in die ungetrübte Harmonie des Welt-
äthers, aus dem sie, wie die Götter, entsprungen ist, wie-
der aufgenommen zu werden. Niemand kann wissen, in
wie vielen Körpern seine Seele schon gewohnt hat, aber
Jeder soll darnach streben, so zu leben, daß er endlich in
das ewige Reich beseligender, höherer Erkenntniß ein-
gehen darf.

"Möchtest Du doch in unserer Mitte weilen, könntest
Du an dem unschuldigen, arbeitsamen, reuelosen Leben
theilnehmen, welches Deinen Freund den Verlust der
höchsten Lebensgüter vergessen hilft.

"Jn schneeig weißen Gewändern von glänzender Wolle
gehen wir einher, denn die Reinheit des Leibes muß der

Ebers, Eine ägyptische Königstochter. III. 16

„Kein Mißklang ſtört die Ruhe meines Gemüths, kein
Augenblick der Unzufriedenheit drängt ſich in den ſchein-
bar einförmigen Lauf eines Lebens, welches jetzt, nach
vielen Jrrungen und Jrrfahrten, einzig der Betrachtung
Gottes, der Wiſſenſchaft, und ſomit der Vorbereitung der
Seele auf das Leben nach dem Tode gewidmet iſt.

„Dort, jenſeits des Grabes, ſchlingen die Sphären
in ſeligen Harmonieen ihre ewigen Kreiſe, waltet ein nie
geſtörter göttlicher Einklang. Damit die Seele nun in
dieſe unſichtbare, reine, geiſtige Welt eingehen könne, ohne
die Harmonie derſelben zu ſtören, müſſen wir ſchon hier
auf Erden dafür ſorgen, uns alles Unreinen und Un-
harmoniſchen zu entkleiden. Gelingt uns dies an Leib
und Seele, dann können wir ruhig ſterben, ſicher, als
harmoniſcher Theil in dem harmoniſchen Ganzen auf-
zugehen.

„Du kennſt die Anſicht des Meiſters, daß die unreine
Seele, ſo lange die Leiber von Menſchen und Thieren
durchwandern muß, bis ſie jene Lauterkeit angenommen
hat, die ſie befähigt, in die ungetrübte Harmonie des Welt-
äthers, aus dem ſie, wie die Götter, entſprungen iſt, wie-
der aufgenommen zu werden. Niemand kann wiſſen, in
wie vielen Körpern ſeine Seele ſchon gewohnt hat, aber
Jeder ſoll darnach ſtreben, ſo zu leben, daß er endlich in
das ewige Reich beſeligender, höherer Erkenntniß ein-
gehen darf.

„Möchteſt Du doch in unſerer Mitte weilen, könnteſt
Du an dem unſchuldigen, arbeitſamen, reueloſen Leben
theilnehmen, welches Deinen Freund den Verluſt der
höchſten Lebensgüter vergeſſen hilft.

„Jn ſchneeig weißen Gewändern von glänzender Wolle
gehen wir einher, denn die Reinheit des Leibes muß der

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 16
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[241/0251] „Kein Mißklang ſtört die Ruhe meines Gemüths, kein Augenblick der Unzufriedenheit drängt ſich in den ſchein- bar einförmigen Lauf eines Lebens, welches jetzt, nach vielen Jrrungen und Jrrfahrten, einzig der Betrachtung Gottes, der Wiſſenſchaft, und ſomit der Vorbereitung der Seele auf das Leben nach dem Tode gewidmet iſt. „Dort, jenſeits des Grabes, ſchlingen die Sphären in ſeligen Harmonieen ihre ewigen Kreiſe, waltet ein nie geſtörter göttlicher Einklang. Damit die Seele nun in dieſe unſichtbare, reine, geiſtige Welt eingehen könne, ohne die Harmonie derſelben zu ſtören, müſſen wir ſchon hier auf Erden dafür ſorgen, uns alles Unreinen und Un- harmoniſchen zu entkleiden. Gelingt uns dies an Leib und Seele, dann können wir ruhig ſterben, ſicher, als harmoniſcher Theil in dem harmoniſchen Ganzen auf- zugehen. „Du kennſt die Anſicht des Meiſters, daß die unreine Seele, ſo lange die Leiber von Menſchen und Thieren durchwandern muß, bis ſie jene Lauterkeit angenommen hat, die ſie befähigt, in die ungetrübte Harmonie des Welt- äthers, aus dem ſie, wie die Götter, entſprungen iſt, wie- der aufgenommen zu werden. Niemand kann wiſſen, in wie vielen Körpern ſeine Seele ſchon gewohnt hat, aber Jeder ſoll darnach ſtreben, ſo zu leben, daß er endlich in das ewige Reich beſeligender, höherer Erkenntniß ein- gehen darf. „Möchteſt Du doch in unſerer Mitte weilen, könnteſt Du an dem unſchuldigen, arbeitſamen, reueloſen Leben theilnehmen, welches Deinen Freund den Verluſt der höchſten Lebensgüter vergeſſen hilft. „Jn ſchneeig weißen Gewändern von glänzender Wolle gehen wir einher, denn die Reinheit des Leibes muß der Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 16

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/251>, abgerufen am 20.05.2024.