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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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und zum Tode verurtheiltest? Würden ihm nicht alle
Achämeniden, wenn er die Hand gegen Dich erheben wollte,
zur Seite stehen? Was habe ich auch gethan, um mir die
Liebe dieser feilen Höflinge zu erwerben? Was will ich
in Zukunft thun, um sie für mich zu gewinnen? Gibt es
denn seit dem Tode der Nitetis und der Flucht jenes
wunderbaren Hellenen noch einen einzigen Menschen, dem
ich trauen, auf dessen Zuneigung ich zählen darf?"

Diese Fragen erregten sein siedendes Blut so sehr,
daß er von seinem Lager sprang und ausrief: "Die Liebe
will nichts von mir, ich nichts von der Liebe wissen!
Andre mögen es mit Güte versuchen; ich muß Strenge
üben, sonst verfalle ich den Händen Derer, die mich hassen,
weil ich gerecht gewesen bin und schweres Unrecht mit
schweren Strafen heimgesucht habe. Jn meine Ohren
flüstern sie Schmeichelworte, hinter meinem Rücken ver-
fluchen sie mich! Selbst die Götter sind meine Feinde,
denn sie rauben mir Alles, was ich liebe, und gönnen mir
nicht einmal Nachkommen und den mir gebührenden Waffen-
ruhm! Jst denn Bartja soviel besser als ich, daß ihm
Alles, was ich entbehren muß, hundertfach zu Theil wird?
Liebe, Freundschaft, Ehre, Kinder, Alles fließt ihm zu,
wie dem Meer die Ströme, während mein Herz wie die
Wüste verdorrt! -- Aber noch bin ich König, noch kann
und will ich ihm zeigen, wer der Stärkere ist von uns
Beiden; mag auch sein Scheitel an den Himmel stoßen!
Nur Einer darf groß sein in Persien! Er oder ich, ich
oder er! Jn den nächsten Tagen will ich ihn nach Asien
zurückschicken und zum Satrapen von Baktrien machen.
Dort mag er sich von seinem Weibe Lieder singen lassen
und den Wärter seines Kindes spielen, während ich im
Kampfe gegen die Aethiopen ungeschmälerten Ruhm gewinne!

und zum Tode verurtheilteſt? Würden ihm nicht alle
Achämeniden, wenn er die Hand gegen Dich erheben wollte,
zur Seite ſtehen? Was habe ich auch gethan, um mir die
Liebe dieſer feilen Höflinge zu erwerben? Was will ich
in Zukunft thun, um ſie für mich zu gewinnen? Gibt es
denn ſeit dem Tode der Nitetis und der Flucht jenes
wunderbaren Hellenen noch einen einzigen Menſchen, dem
ich trauen, auf deſſen Zuneigung ich zählen darf?“

Dieſe Fragen erregten ſein ſiedendes Blut ſo ſehr,
daß er von ſeinem Lager ſprang und ausrief: „Die Liebe
will nichts von mir, ich nichts von der Liebe wiſſen!
Andre mögen es mit Güte verſuchen; ich muß Strenge
üben, ſonſt verfalle ich den Händen Derer, die mich haſſen,
weil ich gerecht geweſen bin und ſchweres Unrecht mit
ſchweren Strafen heimgeſucht habe. Jn meine Ohren
flüſtern ſie Schmeichelworte, hinter meinem Rücken ver-
fluchen ſie mich! Selbſt die Götter ſind meine Feinde,
denn ſie rauben mir Alles, was ich liebe, und gönnen mir
nicht einmal Nachkommen und den mir gebührenden Waffen-
ruhm! Jſt denn Bartja ſoviel beſſer als ich, daß ihm
Alles, was ich entbehren muß, hundertfach zu Theil wird?
Liebe, Freundſchaft, Ehre, Kinder, Alles fließt ihm zu,
wie dem Meer die Ströme, während mein Herz wie die
Wüſte verdorrt! — Aber noch bin ich König, noch kann
und will ich ihm zeigen, wer der Stärkere iſt von uns
Beiden; mag auch ſein Scheitel an den Himmel ſtoßen!
Nur Einer darf groß ſein in Perſien! Er oder ich, ich
oder er! Jn den nächſten Tagen will ich ihn nach Aſien
zurückſchicken und zum Satrapen von Baktrien machen.
Dort mag er ſich von ſeinem Weibe Lieder ſingen laſſen
und den Wärter ſeines Kindes ſpielen, während ich im
Kampfe gegen die Aethiopen ungeſchmälerten Ruhm gewinne!

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[195/0205] und zum Tode verurtheilteſt? Würden ihm nicht alle Achämeniden, wenn er die Hand gegen Dich erheben wollte, zur Seite ſtehen? Was habe ich auch gethan, um mir die Liebe dieſer feilen Höflinge zu erwerben? Was will ich in Zukunft thun, um ſie für mich zu gewinnen? Gibt es denn ſeit dem Tode der Nitetis und der Flucht jenes wunderbaren Hellenen noch einen einzigen Menſchen, dem ich trauen, auf deſſen Zuneigung ich zählen darf?“ Dieſe Fragen erregten ſein ſiedendes Blut ſo ſehr, daß er von ſeinem Lager ſprang und ausrief: „Die Liebe will nichts von mir, ich nichts von der Liebe wiſſen! Andre mögen es mit Güte verſuchen; ich muß Strenge üben, ſonſt verfalle ich den Händen Derer, die mich haſſen, weil ich gerecht geweſen bin und ſchweres Unrecht mit ſchweren Strafen heimgeſucht habe. Jn meine Ohren flüſtern ſie Schmeichelworte, hinter meinem Rücken ver- fluchen ſie mich! Selbſt die Götter ſind meine Feinde, denn ſie rauben mir Alles, was ich liebe, und gönnen mir nicht einmal Nachkommen und den mir gebührenden Waffen- ruhm! Jſt denn Bartja ſoviel beſſer als ich, daß ihm Alles, was ich entbehren muß, hundertfach zu Theil wird? Liebe, Freundſchaft, Ehre, Kinder, Alles fließt ihm zu, wie dem Meer die Ströme, während mein Herz wie die Wüſte verdorrt! — Aber noch bin ich König, noch kann und will ich ihm zeigen, wer der Stärkere iſt von uns Beiden; mag auch ſein Scheitel an den Himmel ſtoßen! Nur Einer darf groß ſein in Perſien! Er oder ich, ich oder er! Jn den nächſten Tagen will ich ihn nach Aſien zurückſchicken und zum Satrapen von Baktrien machen. Dort mag er ſich von ſeinem Weibe Lieder ſingen laſſen und den Wärter ſeines Kindes ſpielen, während ich im Kampfe gegen die Aethiopen ungeſchmälerten Ruhm gewinne!

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/205>, abgerufen am 11.05.2024.