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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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ten Palmen- und Sykomoren-Bäume spiegelten sich, selt-
same Gestalten annehmend, in den vom Abglanze der
Flammen gerötheten Wellen, welche das Ufer bespülten.
Aber all' das Licht genügte nicht, um auch die Mitte des
Riesenstromes, in der sich die Barke der Lustfahrer hielt,
zu erhellen. Es war denselben, als führen sie, von zwei
leuchtenden Tagen umgeben, in finsterer Nacht dahin.
Dann und wann zeigten sich Barken, die, mit Lampen er-
leuchtet, wie feurige Schwäne über das Wasser flogen und,
wenn sie sich an den Ufern hielten, das Ansehen hatten,
als ob sie einen glühenden Eisenguß durchschnitten.

Schneeweiße Lotosblumen wiegten sich auf den Wellen
und erschienen den Lustfahrern wie die Augen des Wassers.
Kein Laut erreichte von den Ufern her das Ohr der Lau-
schenden. Die Kraft des vom Nordwinde entführten
Schalles war zu gering, um die Mitte des Stromes zu
erreichen. Nur der Ruderschlag und der einförmige Ge-
sang der Matrosen unterbrach die tiefe Stille der ihres
Dunkels beraubten Nacht.

Lange Zeit schauten die Freunde schweigend auf das
seltsame Schauspiel, welches an ihnen vorüberzugleiten
schien. Endlich unterbrach Zopyros die Stille, indem er
hoch aufathmend ausrief: "Wie beneide ich Dich, Bartja!
Wenn es mit rechten Dingen zuginge, so müßte Jeder
von uns in dieser Stunde ein geliebtestes Weib an seiner
Seite haben!"

"Wer hat Dir verboten, eine Deiner Lieblingsfrauen
mitzunehmen?" antwortete der glückliche Gatte.

"Meine fünf andern Lebensgefährtinnen," seufzte der
Jüngling. Hätt' ich Parysatis, des Oroetes Töchterlein,
meinem jüngsten Liebling, allein mit mir zu kommen ge-
stattet, so würde dieser reizende Anblick mein letzter ge-

Ebers, Eine ägyptische Königstochter. III. 12

ten Palmen- und Sykomoren-Bäume ſpiegelten ſich, ſelt-
ſame Geſtalten annehmend, in den vom Abglanze der
Flammen gerötheten Wellen, welche das Ufer beſpülten.
Aber all’ das Licht genügte nicht, um auch die Mitte des
Rieſenſtromes, in der ſich die Barke der Luſtfahrer hielt,
zu erhellen. Es war denſelben, als führen ſie, von zwei
leuchtenden Tagen umgeben, in finſterer Nacht dahin.
Dann und wann zeigten ſich Barken, die, mit Lampen er-
leuchtet, wie feurige Schwäne über das Waſſer flogen und,
wenn ſie ſich an den Ufern hielten, das Anſehen hatten,
als ob ſie einen glühenden Eiſenguß durchſchnitten.

Schneeweiße Lotosblumen wiegten ſich auf den Wellen
und erſchienen den Luſtfahrern wie die Augen des Waſſers.
Kein Laut erreichte von den Ufern her das Ohr der Lau-
ſchenden. Die Kraft des vom Nordwinde entführten
Schalles war zu gering, um die Mitte des Stromes zu
erreichen. Nur der Ruderſchlag und der einförmige Ge-
ſang der Matroſen unterbrach die tiefe Stille der ihres
Dunkels beraubten Nacht.

Lange Zeit ſchauten die Freunde ſchweigend auf das
ſeltſame Schauſpiel, welches an ihnen vorüberzugleiten
ſchien. Endlich unterbrach Zopyros die Stille, indem er
hoch aufathmend ausrief: „Wie beneide ich Dich, Bartja!
Wenn es mit rechten Dingen zuginge, ſo müßte Jeder
von uns in dieſer Stunde ein geliebteſtes Weib an ſeiner
Seite haben!“

„Wer hat Dir verboten, eine Deiner Lieblingsfrauen
mitzunehmen?“ antwortete der glückliche Gatte.

„Meine fünf andern Lebensgefährtinnen,“ ſeufzte der
Jüngling. Hätt’ ich Paryſatis, des Oroetes Töchterlein,
meinem jüngſten Liebling, allein mit mir zu kommen ge-
ſtattet, ſo würde dieſer reizende Anblick mein letzter ge-

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 12
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[177/0187] ten Palmen- und Sykomoren-Bäume ſpiegelten ſich, ſelt- ſame Geſtalten annehmend, in den vom Abglanze der Flammen gerötheten Wellen, welche das Ufer beſpülten. Aber all’ das Licht genügte nicht, um auch die Mitte des Rieſenſtromes, in der ſich die Barke der Luſtfahrer hielt, zu erhellen. Es war denſelben, als führen ſie, von zwei leuchtenden Tagen umgeben, in finſterer Nacht dahin. Dann und wann zeigten ſich Barken, die, mit Lampen er- leuchtet, wie feurige Schwäne über das Waſſer flogen und, wenn ſie ſich an den Ufern hielten, das Anſehen hatten, als ob ſie einen glühenden Eiſenguß durchſchnitten. Schneeweiße Lotosblumen wiegten ſich auf den Wellen und erſchienen den Luſtfahrern wie die Augen des Waſſers. Kein Laut erreichte von den Ufern her das Ohr der Lau- ſchenden. Die Kraft des vom Nordwinde entführten Schalles war zu gering, um die Mitte des Stromes zu erreichen. Nur der Ruderſchlag und der einförmige Ge- ſang der Matroſen unterbrach die tiefe Stille der ihres Dunkels beraubten Nacht. Lange Zeit ſchauten die Freunde ſchweigend auf das ſeltſame Schauſpiel, welches an ihnen vorüberzugleiten ſchien. Endlich unterbrach Zopyros die Stille, indem er hoch aufathmend ausrief: „Wie beneide ich Dich, Bartja! Wenn es mit rechten Dingen zuginge, ſo müßte Jeder von uns in dieſer Stunde ein geliebteſtes Weib an ſeiner Seite haben!“ „Wer hat Dir verboten, eine Deiner Lieblingsfrauen mitzunehmen?“ antwortete der glückliche Gatte. „Meine fünf andern Lebensgefährtinnen,“ ſeufzte der Jüngling. Hätt’ ich Paryſatis, des Oroetes Töchterlein, meinem jüngſten Liebling, allein mit mir zu kommen ge- ſtattet, ſo würde dieſer reizende Anblick mein letzter ge- Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 12

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/187>, abgerufen am 09.05.2024.