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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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eine leise Besorgniß aufgestiegen, die aber nach den zu-
versichtlichen Worten ihres Gatten schnell verschwand und
ganz vergessen wurde, als Zopyros seinen Kranz vollendet
hatte und denselben auf die Stirn der Greisin drückte.

Gyges bot den seinen der jungen Mutter dar, die
das Geflecht von schneeweißen Wasserlilien auf ihre vollen
braunen Locken drückte und in diesem schlichten Schmucke
so wunderbar schön aussah, daß sich Bartja nicht enthalten
konnte, trotz der anwesenden Zeugen, einen Kuß auf ihre
Stirn zu drücken. Dieser Zwischenfall gab dem ernsten
Gespräch eine heitere Wendung. Jeder bemühte sich, seinen
Theil zur Belebung des Frohsinns beizutragen; ja, selbst
Darius ließ von seinem gewöhnlichen Ernst, um mit den
Freunden, denen jetzt allerlei Speisen und Getränke auf-
getragen wurden, zu lachen und zu scherzen.

Als die Sonne hinter dem Moqattam-Gebirge ver-
schwunden war, setzten die Sklaven kostbar geschnitzte
Stühle, Fußbänke und Tischchen auf das offene Verdeck,
welches die muntere Gesellschaft nunmehr betrat. Ein
wunderbar schöner, alle Erwartungen übertreffender An-
blick bot sich derselben dar.

Das Fest der Neith, welches die Aegypter Lampen-
brennen nannten und das durch eine große Jllumination
aller Häuser des Landes gefeiert zu werden pflegte, hatte
mit dem Aufgange des Mondes begonnen 118). Die Ufer
des Riesenstromes glichen unabsehbar langen Feuerstreifen.
Jeder Tempel, jedes Haus, jede Hütte war, je nach dem
Wohlstande des Besitzers, mit Lampen geschmückt. An den Por-
talen der Landhäuser, sowie auf den Thürmchen der größeren
Gebäude brannten in Pechpfannen helle Feuer und schickten
dichten Rauch empor, der sich mit den Fahnen und Wim-
peln in der Luft wiegte. Die vom Mondscheine versilber-

eine leiſe Beſorgniß aufgeſtiegen, die aber nach den zu-
verſichtlichen Worten ihres Gatten ſchnell verſchwand und
ganz vergeſſen wurde, als Zopyros ſeinen Kranz vollendet
hatte und denſelben auf die Stirn der Greiſin drückte.

Gyges bot den ſeinen der jungen Mutter dar, die
das Geflecht von ſchneeweißen Waſſerlilien auf ihre vollen
braunen Locken drückte und in dieſem ſchlichten Schmucke
ſo wunderbar ſchön ausſah, daß ſich Bartja nicht enthalten
konnte, trotz der anweſenden Zeugen, einen Kuß auf ihre
Stirn zu drücken. Dieſer Zwiſchenfall gab dem ernſten
Geſpräch eine heitere Wendung. Jeder bemühte ſich, ſeinen
Theil zur Belebung des Frohſinns beizutragen; ja, ſelbſt
Darius ließ von ſeinem gewöhnlichen Ernſt, um mit den
Freunden, denen jetzt allerlei Speiſen und Getränke auf-
getragen wurden, zu lachen und zu ſcherzen.

Als die Sonne hinter dem Moqattam-Gebirge ver-
ſchwunden war, ſetzten die Sklaven koſtbar geſchnitzte
Stühle, Fußbänke und Tiſchchen auf das offene Verdeck,
welches die muntere Geſellſchaft nunmehr betrat. Ein
wunderbar ſchöner, alle Erwartungen übertreffender An-
blick bot ſich derſelben dar.

Das Feſt der Neith, welches die Aegypter Lampen-
brennen nannten und das durch eine große Jllumination
aller Häuſer des Landes gefeiert zu werden pflegte, hatte
mit dem Aufgange des Mondes begonnen 118). Die Ufer
des Rieſenſtromes glichen unabſehbar langen Feuerſtreifen.
Jeder Tempel, jedes Haus, jede Hütte war, je nach dem
Wohlſtande des Beſitzers, mit Lampen geſchmückt. An den Por-
talen der Landhäuſer, ſowie auf den Thürmchen der größeren
Gebäude brannten in Pechpfannen helle Feuer und ſchickten
dichten Rauch empor, der ſich mit den Fahnen und Wim-
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[176/0186] eine leiſe Beſorgniß aufgeſtiegen, die aber nach den zu- verſichtlichen Worten ihres Gatten ſchnell verſchwand und ganz vergeſſen wurde, als Zopyros ſeinen Kranz vollendet hatte und denſelben auf die Stirn der Greiſin drückte. Gyges bot den ſeinen der jungen Mutter dar, die das Geflecht von ſchneeweißen Waſſerlilien auf ihre vollen braunen Locken drückte und in dieſem ſchlichten Schmucke ſo wunderbar ſchön ausſah, daß ſich Bartja nicht enthalten konnte, trotz der anweſenden Zeugen, einen Kuß auf ihre Stirn zu drücken. Dieſer Zwiſchenfall gab dem ernſten Geſpräch eine heitere Wendung. Jeder bemühte ſich, ſeinen Theil zur Belebung des Frohſinns beizutragen; ja, ſelbſt Darius ließ von ſeinem gewöhnlichen Ernſt, um mit den Freunden, denen jetzt allerlei Speiſen und Getränke auf- getragen wurden, zu lachen und zu ſcherzen. Als die Sonne hinter dem Moqattam-Gebirge ver- ſchwunden war, ſetzten die Sklaven koſtbar geſchnitzte Stühle, Fußbänke und Tiſchchen auf das offene Verdeck, welches die muntere Geſellſchaft nunmehr betrat. Ein wunderbar ſchöner, alle Erwartungen übertreffender An- blick bot ſich derſelben dar. Das Feſt der Neith, welches die Aegypter Lampen- brennen nannten und das durch eine große Jllumination aller Häuſer des Landes gefeiert zu werden pflegte, hatte mit dem Aufgange des Mondes begonnen 118). Die Ufer des Rieſenſtromes glichen unabſehbar langen Feuerſtreifen. Jeder Tempel, jedes Haus, jede Hütte war, je nach dem Wohlſtande des Beſitzers, mit Lampen geſchmückt. An den Por- talen der Landhäuſer, ſowie auf den Thürmchen der größeren Gebäude brannten in Pechpfannen helle Feuer und ſchickten dichten Rauch empor, der ſich mit den Fahnen und Wim- peln in der Luft wiegte. Die vom Mondſcheine verſilber-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/186>, abgerufen am 10.05.2024.