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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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unter den Götterverächtern leben müssen! Man sagte mir,
es sei unmöglich, Dich zu sprechen, denn Du dürftest das
Lager der kranken Nitetis nicht verlassen. Die arme
Kleine! Jch hab's gleich gesagt, daß diese Heirath mit
einem Fremden übel ablaufen würde. Na, es geschieht
Amasis schon recht, wenn ihm seine Kinder Kummer ma-
chen! Er hat's um Dich allein verdient!"

"Schäme Dich, Alter!"

"Ei was! Einmal muß es doch heraus! Jch hasse
diesen hergelaufenen König, der, als er noch ein armer
Junge war, Deinem Vater die Nüsse von den Bäumen
schlug und die Schilder von den Hausthüren riß! O, ich
hab' ihn damals wohl gekannt, den Taugenichts! 's ist
eine Schmach, daß man sich von solchem Menschen,
der --"

"Gemach, gemach Alter!" unterbrach Nebenchari den
sich ereifernden Greis. "Wir sind nicht Alle von einem
Holze gemacht, und wenn Amasis als Knabe wirklich nicht
viel mehr war als Du, dann ist es Deine Schuld, wenn
Du als Greis so viel weniger bist, als er."

"Mein Großvater war Tempeldiener, mein Vater
war es, darum mußte ich natürlich dasselbe werden 4) ..."

"Ganz recht, so befiehlt es das Gesetz der Kasten,
dem zu Folge Amasis nichts Anderes sein dürfte, als höch-
stens ein armer Kriegshauptmann."

"Nicht Jeder hat ein so weites Gewissen, wie dieser
Glückspilz!"

"Jmmer der Alte! Schäme Dich Hib! So lang' ich
lebe, und das dauert nun schon ein volles halbes Jahr-
hundert, ist jedes dritte Wort, das Du redest, ein Schelt-
wort. Als ich noch ein Kind war, mußte ich unter Dei-
ner üblen Laune leiden; jetzt trifft dieselbe den König."

unter den Götterverächtern leben müſſen! Man ſagte mir,
es ſei unmöglich, Dich zu ſprechen, denn Du dürfteſt das
Lager der kranken Nitetis nicht verlaſſen. Die arme
Kleine! Jch hab’s gleich geſagt, daß dieſe Heirath mit
einem Fremden übel ablaufen würde. Na, es geſchieht
Amaſis ſchon recht, wenn ihm ſeine Kinder Kummer ma-
chen! Er hat’s um Dich allein verdient!“

„Schäme Dich, Alter!“

„Ei was! Einmal muß es doch heraus! Jch haſſe
dieſen hergelaufenen König, der, als er noch ein armer
Junge war, Deinem Vater die Nüſſe von den Bäumen
ſchlug und die Schilder von den Hausthüren riß! O, ich
hab’ ihn damals wohl gekannt, den Taugenichts! ’s iſt
eine Schmach, daß man ſich von ſolchem Menſchen,
der —“

„Gemach, gemach Alter!“ unterbrach Nebenchari den
ſich ereifernden Greis. „Wir ſind nicht Alle von einem
Holze gemacht, und wenn Amaſis als Knabe wirklich nicht
viel mehr war als Du, dann iſt es Deine Schuld, wenn
Du als Greis ſo viel weniger biſt, als er.“

„Mein Großvater war Tempeldiener, mein Vater
war es, darum mußte ich natürlich daſſelbe werden 4) ...“

„Ganz recht, ſo befiehlt es das Geſetz der Kaſten,
dem zu Folge Amaſis nichts Anderes ſein dürfte, als höch-
ſtens ein armer Kriegshauptmann.“

„Nicht Jeder hat ein ſo weites Gewiſſen, wie dieſer
Glückspilz!“

„Jmmer der Alte! Schäme Dich Hib! So lang’ ich
lebe, und das dauert nun ſchon ein volles halbes Jahr-
hundert, iſt jedes dritte Wort, das Du redeſt, ein Schelt-
wort. Als ich noch ein Kind war, mußte ich unter Dei-
ner üblen Laune leiden; jetzt trifft dieſelbe den König.“

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[7/0015] unter den Götterverächtern leben müſſen! Man ſagte mir, es ſei unmöglich, Dich zu ſprechen, denn Du dürfteſt das Lager der kranken Nitetis nicht verlaſſen. Die arme Kleine! Jch hab’s gleich geſagt, daß dieſe Heirath mit einem Fremden übel ablaufen würde. Na, es geſchieht Amaſis ſchon recht, wenn ihm ſeine Kinder Kummer ma- chen! Er hat’s um Dich allein verdient!“ „Schäme Dich, Alter!“ „Ei was! Einmal muß es doch heraus! Jch haſſe dieſen hergelaufenen König, der, als er noch ein armer Junge war, Deinem Vater die Nüſſe von den Bäumen ſchlug und die Schilder von den Hausthüren riß! O, ich hab’ ihn damals wohl gekannt, den Taugenichts! ’s iſt eine Schmach, daß man ſich von ſolchem Menſchen, der —“ „Gemach, gemach Alter!“ unterbrach Nebenchari den ſich ereifernden Greis. „Wir ſind nicht Alle von einem Holze gemacht, und wenn Amaſis als Knabe wirklich nicht viel mehr war als Du, dann iſt es Deine Schuld, wenn Du als Greis ſo viel weniger biſt, als er.“ „Mein Großvater war Tempeldiener, mein Vater war es, darum mußte ich natürlich daſſelbe werden 4) ...“ „Ganz recht, ſo befiehlt es das Geſetz der Kaſten, dem zu Folge Amaſis nichts Anderes ſein dürfte, als höch- ſtens ein armer Kriegshauptmann.“ „Nicht Jeder hat ein ſo weites Gewiſſen, wie dieſer Glückspilz!“ „Jmmer der Alte! Schäme Dich Hib! So lang’ ich lebe, und das dauert nun ſchon ein volles halbes Jahr- hundert, iſt jedes dritte Wort, das Du redeſt, ein Schelt- wort. Als ich noch ein Kind war, mußte ich unter Dei- ner üblen Laune leiden; jetzt trifft dieſelbe den König.“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/15>, abgerufen am 28.04.2024.