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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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nach dem Gewitter, das während der ganzen Nacht in un-
erhörter Heftigkeit getobt hatte, -- so heiter und morgen-
frisch strahlte, wie das Angesicht der Neuvermählten.

Die Beiden hatten sich so zeitig von dem hochzeitlichen
Lager erhoben, weil in Bartja's Seele die Besorgniß um
seine Freunde, welche er im Rausche der Zärtlichkeit bei-
nahe vergessen hatte, von Neuem, und heftiger als vor-
her, erwacht war.

Der Garten lag auf einem künstlichen Hügel, welcher
die überschwemmte Ebene überragte und einen freien Blick
über dieselbe gestattete. Auf dem Spiegel des Nilwassers
schwammen weiße und blaue Lotosblumen, Wasservögel
verschiedener Art umkreisten dieselben oder saßen auf den
Palmenkronen, um, sobald sich das bunte Segel einer
Barke zeigte, schreiend und schnatternd in die Höhe zu
flattern. Ein frischer Nordostwind durchwehte die von
dem nächtlichen Gewitter abgekühlte Luft und trieb, trotz
des frühen Morgens, eine ziemliche Anzahl von Fahr-
zeugen über die unter Wasser stehenden Aecker hin. Der
Gesang der Matrosen vereinte sich mit dem Plätschern der
Ruderschläge und dem Gezwitscher der Vögel, -- um die
einförmige und dennoch bunte Landschaft des überschwemm-
ten Nilthals auch mit Tönen zu beleben.

Das junge Ehepaar stand eng aneinander gelehnt
an der niedern Mauer, welche den Garten der Rhodopis
umgab, und schaute, zärtliche Worte tauschend, diesem
Schauspiele zu, bis Bartja's scharfes Auge ein Fahrzeug
entdeckte, welches, vom Winde und kräftigen Ruderschlägen
getrieben, gerade auf das Landhaus der Greisin zusteuerte.

Wenige Minuten später landete das Boot bei der Gar-
tenmauer, und bald darauf stand Zopyros mit seinen Ret-
tern vor dem Königssohne.

nach dem Gewitter, das während der ganzen Nacht in un-
erhörter Heftigkeit getobt hatte, — ſo heiter und morgen-
friſch ſtrahlte, wie das Angeſicht der Neuvermählten.

Die Beiden hatten ſich ſo zeitig von dem hochzeitlichen
Lager erhoben, weil in Bartja’s Seele die Beſorgniß um
ſeine Freunde, welche er im Rauſche der Zärtlichkeit bei-
nahe vergeſſen hatte, von Neuem, und heftiger als vor-
her, erwacht war.

Der Garten lag auf einem künſtlichen Hügel, welcher
die überſchwemmte Ebene überragte und einen freien Blick
über dieſelbe geſtattete. Auf dem Spiegel des Nilwaſſers
ſchwammen weiße und blaue Lotosblumen, Waſſervögel
verſchiedener Art umkreisten dieſelben oder ſaßen auf den
Palmenkronen, um, ſobald ſich das bunte Segel einer
Barke zeigte, ſchreiend und ſchnatternd in die Höhe zu
flattern. Ein friſcher Nordoſtwind durchwehte die von
dem nächtlichen Gewitter abgekühlte Luft und trieb, trotz
des frühen Morgens, eine ziemliche Anzahl von Fahr-
zeugen über die unter Waſſer ſtehenden Aecker hin. Der
Geſang der Matroſen vereinte ſich mit dem Plätſchern der
Ruderſchläge und dem Gezwitſcher der Vögel, — um die
einförmige und dennoch bunte Landſchaft des überſchwemm-
ten Nilthals auch mit Tönen zu beleben.

Das junge Ehepaar ſtand eng aneinander gelehnt
an der niedern Mauer, welche den Garten der Rhodopis
umgab, und ſchaute, zärtliche Worte tauſchend, dieſem
Schauſpiele zu, bis Bartja’s ſcharfes Auge ein Fahrzeug
entdeckte, welches, vom Winde und kräftigen Ruderſchlägen
getrieben, gerade auf das Landhaus der Greiſin zuſteuerte.

Wenige Minuten ſpäter landete das Boot bei der Gar-
tenmauer, und bald darauf ſtand Zopyros mit ſeinen Ret-
tern vor dem Königsſohne.

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[137/0147] nach dem Gewitter, das während der ganzen Nacht in un- erhörter Heftigkeit getobt hatte, — ſo heiter und morgen- friſch ſtrahlte, wie das Angeſicht der Neuvermählten. Die Beiden hatten ſich ſo zeitig von dem hochzeitlichen Lager erhoben, weil in Bartja’s Seele die Beſorgniß um ſeine Freunde, welche er im Rauſche der Zärtlichkeit bei- nahe vergeſſen hatte, von Neuem, und heftiger als vor- her, erwacht war. Der Garten lag auf einem künſtlichen Hügel, welcher die überſchwemmte Ebene überragte und einen freien Blick über dieſelbe geſtattete. Auf dem Spiegel des Nilwaſſers ſchwammen weiße und blaue Lotosblumen, Waſſervögel verſchiedener Art umkreisten dieſelben oder ſaßen auf den Palmenkronen, um, ſobald ſich das bunte Segel einer Barke zeigte, ſchreiend und ſchnatternd in die Höhe zu flattern. Ein friſcher Nordoſtwind durchwehte die von dem nächtlichen Gewitter abgekühlte Luft und trieb, trotz des frühen Morgens, eine ziemliche Anzahl von Fahr- zeugen über die unter Waſſer ſtehenden Aecker hin. Der Geſang der Matroſen vereinte ſich mit dem Plätſchern der Ruderſchläge und dem Gezwitſcher der Vögel, — um die einförmige und dennoch bunte Landſchaft des überſchwemm- ten Nilthals auch mit Tönen zu beleben. Das junge Ehepaar ſtand eng aneinander gelehnt an der niedern Mauer, welche den Garten der Rhodopis umgab, und ſchaute, zärtliche Worte tauſchend, dieſem Schauſpiele zu, bis Bartja’s ſcharfes Auge ein Fahrzeug entdeckte, welches, vom Winde und kräftigen Ruderſchlägen getrieben, gerade auf das Landhaus der Greiſin zuſteuerte. Wenige Minuten ſpäter landete das Boot bei der Gar- tenmauer, und bald darauf ſtand Zopyros mit ſeinen Ret- tern vor dem Königsſohne.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/147>, abgerufen am 12.05.2024.