Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.Stimmung schildert, in der Du Dich in diesem Augenblicke "Jch glaube nicht." "So höre. Früher glänzte ich am liebsten mit diesem "Selig, gleich den Göttern in der Höhe, Preis' ich Jenen, der in Deiner Nähe, Der bei Dir, an Deiner Seite weilt; Der den süßen Ton von Deinem Munde Saugen darf, und ach die holde Kunde, Die Dein Liebeslächeln ihm ertheilt. "Tritt mir solches Bild im Geist entgegen, Klopft mein Herz die Brust mit wilden Schlägen, Und in meinem Mund erstickt das Wort; Lähmung fesselt plötzlich meine Zunge, Und ein Feuer pflanzt mit wildem Sprunge, Sich durch meine Haut und Glieder fort. "Mein Gesicht hat seine Kraft verloren, Ein Gebrause tönt in meinen Ohren, Und vor Zittern kann ich nicht mehr steh'n. Kalter Schweiß befeuchtet meine Glieder, Gleich dem Grase sink' ich welkend nieder, Könnt ich athmen! 's ist um mich gescheh'n 86)!" "Nun, was sagst Du von diesem Liede? Aber, beim "Nichts, gar nichts!" rief in diesem Augenblicke eine Stimmung ſchildert, in der Du Dich in dieſem Augenblicke „Jch glaube nicht.“ „So höre. Früher glänzte ich am liebſten mit dieſem „Selig, gleich den Göttern in der Höhe, Preiſ’ ich Jenen, der in Deiner Nähe, Der bei Dir, an Deiner Seite weilt; Der den ſüßen Ton von Deinem Munde Saugen darf, und ach die holde Kunde, Die Dein Liebeslächeln ihm ertheilt. „Tritt mir ſolches Bild im Geiſt entgegen, Klopft mein Herz die Bruſt mit wilden Schlägen, Und in meinem Mund erſtickt das Wort; Lähmung feſſelt plötzlich meine Zunge, Und ein Feuer pflanzt mit wildem Sprunge, Sich durch meine Haut und Glieder fort. „Mein Geſicht hat ſeine Kraft verloren, Ein Gebrauſe tönt in meinen Ohren, Und vor Zittern kann ich nicht mehr ſteh’n. Kalter Schweiß befeuchtet meine Glieder, Gleich dem Graſe ſink’ ich welkend nieder, Könnt ich athmen! ’s iſt um mich geſcheh’n 86)!“ „Nun, was ſagſt Du von dieſem Liede? Aber, beim „Nichts, gar nichts!“ rief in dieſem Augenblicke eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0140" n="130"/> Stimmung ſchildert, in der Du Dich in dieſem Augenblicke<lb/> aller Wahrſcheinlichkeit nach befindeſt?“</p><lb/> <p>„Jch glaube nicht.“</p><lb/> <p>„So höre. Früher glänzte ich am liebſten mit dieſem<lb/> Geſange, den kein Weib, ſondern Eros ſelbſt erdacht zu<lb/> haben ſcheint:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Selig, gleich den Göttern in der Höhe,</l><lb/> <l>Preiſ’ ich Jenen, der in Deiner Nähe,</l><lb/> <l>Der bei Dir, an Deiner Seite weilt;</l><lb/> <l>Der den ſüßen Ton von Deinem Munde</l><lb/> <l>Saugen darf, und ach die holde Kunde,</l><lb/> <l>Die Dein Liebeslächeln ihm ertheilt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>„Tritt mir ſolches Bild im Geiſt entgegen,</l><lb/> <l>Klopft mein Herz die Bruſt mit wilden Schlägen,</l><lb/> <l>Und in meinem Mund erſtickt das Wort;</l><lb/> <l>Lähmung feſſelt plötzlich meine Zunge,</l><lb/> <l>Und ein Feuer pflanzt mit wildem Sprunge,</l><lb/> <l>Sich durch meine Haut und Glieder fort.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>„Mein Geſicht hat ſeine Kraft verloren,</l><lb/> <l>Ein Gebrauſe tönt in meinen Ohren,</l><lb/> <l>Und vor Zittern kann ich nicht mehr ſteh’n.</l><lb/> <l>Kalter Schweiß befeuchtet meine Glieder,</l><lb/> <l>Gleich dem Graſe ſink’ ich welkend nieder,</l><lb/> <l>Könnt ich athmen! ’s iſt um mich geſcheh’n <hi rendition="#sup">86</hi>)!“</l> </lg> </lg><lb/> <p>„Nun, was ſagſt Du von dieſem Liede? Aber, beim<lb/> Herakles, Kind, Du biſt ganz bleich geworden! Haben<lb/> Dich die Verſe ſo ſehr ergriffen, oder biſt Du nur er-<lb/> ſchrocken von dem treuen Bilde Deines eignen ſehnſüchtigen<lb/> Herzens? Beruhige Dich, Mädchen! Wer weiß, was Dei-<lb/> nen Liebſten zurückhält —“</p><lb/> <p>„Nichts, gar nichts!“ rief in dieſem Augenblicke eine<lb/> friſche Männerſtimme, und wenige Sekunden ſpäter lag<lb/> Sappho an der Bruſt des geliebten Jünglings.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [130/0140]
Stimmung ſchildert, in der Du Dich in dieſem Augenblicke
aller Wahrſcheinlichkeit nach befindeſt?“
„Jch glaube nicht.“
„So höre. Früher glänzte ich am liebſten mit dieſem
Geſange, den kein Weib, ſondern Eros ſelbſt erdacht zu
haben ſcheint:
„Selig, gleich den Göttern in der Höhe,
Preiſ’ ich Jenen, der in Deiner Nähe,
Der bei Dir, an Deiner Seite weilt;
Der den ſüßen Ton von Deinem Munde
Saugen darf, und ach die holde Kunde,
Die Dein Liebeslächeln ihm ertheilt.
„Tritt mir ſolches Bild im Geiſt entgegen,
Klopft mein Herz die Bruſt mit wilden Schlägen,
Und in meinem Mund erſtickt das Wort;
Lähmung feſſelt plötzlich meine Zunge,
Und ein Feuer pflanzt mit wildem Sprunge,
Sich durch meine Haut und Glieder fort.
„Mein Geſicht hat ſeine Kraft verloren,
Ein Gebrauſe tönt in meinen Ohren,
Und vor Zittern kann ich nicht mehr ſteh’n.
Kalter Schweiß befeuchtet meine Glieder,
Gleich dem Graſe ſink’ ich welkend nieder,
Könnt ich athmen! ’s iſt um mich geſcheh’n 86)!“
„Nun, was ſagſt Du von dieſem Liede? Aber, beim
Herakles, Kind, Du biſt ganz bleich geworden! Haben
Dich die Verſe ſo ſehr ergriffen, oder biſt Du nur er-
ſchrocken von dem treuen Bilde Deines eignen ſehnſüchtigen
Herzens? Beruhige Dich, Mädchen! Wer weiß, was Dei-
nen Liebſten zurückhält —“
„Nichts, gar nichts!“ rief in dieſem Augenblicke eine
friſche Männerſtimme, und wenige Sekunden ſpäter lag
Sappho an der Bruſt des geliebten Jünglings.
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