Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

weißen Gewändern gingen dem Zuge voran. Diesen folg-
ten Hofbeamte, welche goldne Stäbe führten, an deren
Spitzen Pfauenfedern und silberne Lotosblumen befestigt
waren. Dann erschienen Pastophoren 73), die eine goldne
Kuh, das Thier der Jsis, auf den Schultern trugen.
Nachdem sich die Menge vor diesem Heiligthume verneigt
hatte, nahte die Königin in priesterlichem Gewande, einen
reichen Kopfputz mit der geflügelten Sonnenscheibe und den
Uräusschlangen auf dem Haupte, ein heiliges goldenes
Sistrum 74), dessen Klang den Typhon vertreiben sollte, in
der Linken und Lotosblumen in der Rechten tragend. Der
hohen Frau folgten die Gattin, Tochter und Schwester
des Oberpriesters in ähnlichem, aber weniger kostbarem
Schmucke 75). Dann erschien der Thronerbe in reichem
Festornate. Hinter demselben wurde von vier jungen,
weißgekleideten Priestern Tachot, die Tochter des Amasis
und der Ladike, die falsche Schwester der Nitetis, in einer
offenen Sänfte getragen. Die Wangen der kranken Jung-
frau waren von der Andacht des Gebetes und der Hitze
des Sommertages leicht geröthet. Jhre blauen Augen
schwammen in Thränen und waren auf das Sistrum,
welches ihre schwachen, abgezehrten Hände kaum zu halten
vermochten, gerichtet.

Ein Murmeln der Theilnahme zog durch die Menge,
welche mit Liebe an dem sterbenden Könige hing und der
hinwelkenden, jungen Tochter desselben jenes Mitleid frei-
gebig schenkte, welches einem siechen Jugendleben, besonders
wenn dasselbe zu Größe und Hoheit geboren zu sein scheint,
so gern gezollt wird. Manches Auge wurde feucht, als
sich die schöne Kranke zeigte, und Tachot schien die Theil-
nahme des Volkes zu bemerken, denn sie erhob ihre Blicke
von dem Sistrum und schaute die Menge freundlich und

weißen Gewändern gingen dem Zuge voran. Dieſen folg-
ten Hofbeamte, welche goldne Stäbe führten, an deren
Spitzen Pfauenfedern und ſilberne Lotosblumen befeſtigt
waren. Dann erſchienen Paſtophoren 73), die eine goldne
Kuh, das Thier der Jſis, auf den Schultern trugen.
Nachdem ſich die Menge vor dieſem Heiligthume verneigt
hatte, nahte die Königin in prieſterlichem Gewande, einen
reichen Kopfputz mit der geflügelten Sonnenſcheibe und den
Uräusſchlangen auf dem Haupte, ein heiliges goldenes
Siſtrum 74), deſſen Klang den Typhon vertreiben ſollte, in
der Linken und Lotosblumen in der Rechten tragend. Der
hohen Frau folgten die Gattin, Tochter und Schweſter
des Oberprieſters in ähnlichem, aber weniger koſtbarem
Schmucke 75). Dann erſchien der Thronerbe in reichem
Feſtornate. Hinter demſelben wurde von vier jungen,
weißgekleideten Prieſtern Tachot, die Tochter des Amaſis
und der Ladike, die falſche Schweſter der Nitetis, in einer
offenen Sänfte getragen. Die Wangen der kranken Jung-
frau waren von der Andacht des Gebetes und der Hitze
des Sommertages leicht geröthet. Jhre blauen Augen
ſchwammen in Thränen und waren auf das Siſtrum,
welches ihre ſchwachen, abgezehrten Hände kaum zu halten
vermochten, gerichtet.

Ein Murmeln der Theilnahme zog durch die Menge,
welche mit Liebe an dem ſterbenden Könige hing und der
hinwelkenden, jungen Tochter deſſelben jenes Mitleid frei-
gebig ſchenkte, welches einem ſiechen Jugendleben, beſonders
wenn daſſelbe zu Größe und Hoheit geboren zu ſein ſcheint,
ſo gern gezollt wird. Manches Auge wurde feucht, als
ſich die ſchöne Kranke zeigte, und Tachot ſchien die Theil-
nahme des Volkes zu bemerken, denn ſie erhob ihre Blicke
von dem Siſtrum und ſchaute die Menge freundlich und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0124" n="114"/>
weißen Gewändern gingen dem Zuge voran. Die&#x017F;en folg-<lb/>
ten Hofbeamte, welche goldne Stäbe führten, an deren<lb/>
Spitzen Pfauenfedern und &#x017F;ilberne Lotosblumen befe&#x017F;tigt<lb/>
waren. Dann er&#x017F;chienen Pa&#x017F;tophoren <hi rendition="#sup">73</hi>), die eine goldne<lb/>
Kuh, das Thier der J&#x017F;is, auf den Schultern trugen.<lb/>
Nachdem &#x017F;ich die Menge vor die&#x017F;em Heiligthume verneigt<lb/>
hatte, nahte die Königin in prie&#x017F;terlichem Gewande, einen<lb/>
reichen Kopfputz mit der geflügelten Sonnen&#x017F;cheibe und den<lb/>
Uräus&#x017F;chlangen auf dem Haupte, ein heiliges goldenes<lb/>
Si&#x017F;trum <hi rendition="#sup">74</hi>), de&#x017F;&#x017F;en Klang den Typhon vertreiben &#x017F;ollte, in<lb/>
der Linken und Lotosblumen in der Rechten tragend. Der<lb/>
hohen Frau folgten die Gattin, Tochter und Schwe&#x017F;ter<lb/>
des Oberprie&#x017F;ters in ähnlichem, aber weniger ko&#x017F;tbarem<lb/>
Schmucke <hi rendition="#sup">75</hi>). Dann er&#x017F;chien der Thronerbe in reichem<lb/>
Fe&#x017F;tornate. Hinter dem&#x017F;elben wurde von vier jungen,<lb/>
weißgekleideten Prie&#x017F;tern Tachot, die Tochter des Ama&#x017F;is<lb/>
und der Ladike, die fal&#x017F;che Schwe&#x017F;ter der Nitetis, in einer<lb/>
offenen Sänfte getragen. Die Wangen der kranken Jung-<lb/>
frau waren von der Andacht des Gebetes und der Hitze<lb/>
des Sommertages leicht geröthet. Jhre blauen Augen<lb/>
&#x017F;chwammen in Thränen und waren auf das Si&#x017F;trum,<lb/>
welches ihre &#x017F;chwachen, abgezehrten Hände kaum zu halten<lb/>
vermochten, gerichtet.</p><lb/>
        <p>Ein Murmeln der Theilnahme zog durch die Menge,<lb/>
welche mit Liebe an dem &#x017F;terbenden Könige hing und der<lb/>
hinwelkenden, jungen Tochter de&#x017F;&#x017F;elben jenes Mitleid frei-<lb/>
gebig &#x017F;chenkte, welches einem &#x017F;iechen Jugendleben, be&#x017F;onders<lb/>
wenn da&#x017F;&#x017F;elbe zu Größe und Hoheit geboren zu &#x017F;ein &#x017F;cheint,<lb/>
&#x017F;o gern gezollt wird. Manches Auge wurde feucht, als<lb/>
&#x017F;ich die &#x017F;chöne Kranke zeigte, und Tachot &#x017F;chien die Theil-<lb/>
nahme des Volkes zu bemerken, denn &#x017F;ie erhob ihre Blicke<lb/>
von dem Si&#x017F;trum und &#x017F;chaute die Menge freundlich und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0124] weißen Gewändern gingen dem Zuge voran. Dieſen folg- ten Hofbeamte, welche goldne Stäbe führten, an deren Spitzen Pfauenfedern und ſilberne Lotosblumen befeſtigt waren. Dann erſchienen Paſtophoren 73), die eine goldne Kuh, das Thier der Jſis, auf den Schultern trugen. Nachdem ſich die Menge vor dieſem Heiligthume verneigt hatte, nahte die Königin in prieſterlichem Gewande, einen reichen Kopfputz mit der geflügelten Sonnenſcheibe und den Uräusſchlangen auf dem Haupte, ein heiliges goldenes Siſtrum 74), deſſen Klang den Typhon vertreiben ſollte, in der Linken und Lotosblumen in der Rechten tragend. Der hohen Frau folgten die Gattin, Tochter und Schweſter des Oberprieſters in ähnlichem, aber weniger koſtbarem Schmucke 75). Dann erſchien der Thronerbe in reichem Feſtornate. Hinter demſelben wurde von vier jungen, weißgekleideten Prieſtern Tachot, die Tochter des Amaſis und der Ladike, die falſche Schweſter der Nitetis, in einer offenen Sänfte getragen. Die Wangen der kranken Jung- frau waren von der Andacht des Gebetes und der Hitze des Sommertages leicht geröthet. Jhre blauen Augen ſchwammen in Thränen und waren auf das Siſtrum, welches ihre ſchwachen, abgezehrten Hände kaum zu halten vermochten, gerichtet. Ein Murmeln der Theilnahme zog durch die Menge, welche mit Liebe an dem ſterbenden Könige hing und der hinwelkenden, jungen Tochter deſſelben jenes Mitleid frei- gebig ſchenkte, welches einem ſiechen Jugendleben, beſonders wenn daſſelbe zu Größe und Hoheit geboren zu ſein ſcheint, ſo gern gezollt wird. Manches Auge wurde feucht, als ſich die ſchöne Kranke zeigte, und Tachot ſchien die Theil- nahme des Volkes zu bemerken, denn ſie erhob ihre Blicke von dem Siſtrum und ſchaute die Menge freundlich und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/124
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/124>, abgerufen am 13.05.2024.