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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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auszuführen. Morgen sehen wir uns wieder, denn Aura-
mazda beschirmt die Freundschaft der Reinen!"

Lange weigerte sich Bartja, die Gefährten im Stich
zu lassen; gab aber endlich den vereinten Bitten und Vor-
stellungen nach und ging dem Wasser zu, um dort ein
Boot zur Reise nach Naukratis zu miethen, während Sy-
loson und Darius die Werkzeuge zur Flucht des Zopyros
erstanden.

Um auf den Platz zu gelangen, wo die zu vermie-
thenden Nachen lagen, mußte der Königssohn an dem
Tempel des Neith vorüber. Diese Aufgabe war nicht
leicht, denn das Volk umwimmelte in dichten Haufen die
Eingangspforte der Götterwohnung. Als sich Bartja bis
zu den Obelisken vorgedrängt hatte, die bei der mit der
geflügelten Sonnenscheibe und flatternden Fahnen geschmück-
ten Pforte des Tempels standen, wurde er von priester-
lichen Dienern zurückgehalten, welche die von Sphinxen
begrenzte Prozessionsstraße *) freihielten. Die riesigen
Thorflügel des Pylon öffneten sich, und Bartja, der gegen
seinen Willen in die vorderste Reihe der Zuschauer zu
stehen gekommen war, sah nun einen glänzenden Zug dem
Tempel entströmen. Der unerwartete Anblick vieler ihm
aus früherer Zeit bekannter Gesichter nahm seine Aufmerk-
samkeit so sehr in Anspruch, daß er den Verlust seines
breitkrämpigen Hutes, der ihm im Gedränge abgerissen
worden war, kaum bemerkte. Aus den Reden zweier hinter
ihm stehender jonischer Söldner entnahm er, daß die Fa-
milie des Amasis, um für den sterbenden König zu beten
und zu opfern, im Tempel gewesen sei.

Reichgeschmückte Priester in Pantherfellen oder langen

*) I. Theil Anmerk. 145.
Ebers, Eine ägyptische Königstochter. III. 8

auszuführen. Morgen ſehen wir uns wieder, denn Aura-
mazda beſchirmt die Freundſchaft der Reinen!“

Lange weigerte ſich Bartja, die Gefährten im Stich
zu laſſen; gab aber endlich den vereinten Bitten und Vor-
ſtellungen nach und ging dem Waſſer zu, um dort ein
Boot zur Reiſe nach Naukratis zu miethen, während Sy-
loſon und Darius die Werkzeuge zur Flucht des Zopyros
erſtanden.

Um auf den Platz zu gelangen, wo die zu vermie-
thenden Nachen lagen, mußte der Königsſohn an dem
Tempel des Neith vorüber. Dieſe Aufgabe war nicht
leicht, denn das Volk umwimmelte in dichten Haufen die
Eingangspforte der Götterwohnung. Als ſich Bartja bis
zu den Obelisken vorgedrängt hatte, die bei der mit der
geflügelten Sonnenſcheibe und flatternden Fahnen geſchmück-
ten Pforte des Tempels ſtanden, wurde er von prieſter-
lichen Dienern zurückgehalten, welche die von Sphinxen
begrenzte Prozeſſionsſtraße *) freihielten. Die rieſigen
Thorflügel des Pylon öffneten ſich, und Bartja, der gegen
ſeinen Willen in die vorderſte Reihe der Zuſchauer zu
ſtehen gekommen war, ſah nun einen glänzenden Zug dem
Tempel entſtrömen. Der unerwartete Anblick vieler ihm
aus früherer Zeit bekannter Geſichter nahm ſeine Aufmerk-
ſamkeit ſo ſehr in Anſpruch, daß er den Verluſt ſeines
breitkrämpigen Hutes, der ihm im Gedränge abgeriſſen
worden war, kaum bemerkte. Aus den Reden zweier hinter
ihm ſtehender joniſcher Söldner entnahm er, daß die Fa-
milie des Amaſis, um für den ſterbenden König zu beten
und zu opfern, im Tempel geweſen ſei.

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*) I. Theil Anmerk. 145.
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[113/0123] auszuführen. Morgen ſehen wir uns wieder, denn Aura- mazda beſchirmt die Freundſchaft der Reinen!“ Lange weigerte ſich Bartja, die Gefährten im Stich zu laſſen; gab aber endlich den vereinten Bitten und Vor- ſtellungen nach und ging dem Waſſer zu, um dort ein Boot zur Reiſe nach Naukratis zu miethen, während Sy- loſon und Darius die Werkzeuge zur Flucht des Zopyros erſtanden. Um auf den Platz zu gelangen, wo die zu vermie- thenden Nachen lagen, mußte der Königsſohn an dem Tempel des Neith vorüber. Dieſe Aufgabe war nicht leicht, denn das Volk umwimmelte in dichten Haufen die Eingangspforte der Götterwohnung. Als ſich Bartja bis zu den Obelisken vorgedrängt hatte, die bei der mit der geflügelten Sonnenſcheibe und flatternden Fahnen geſchmück- ten Pforte des Tempels ſtanden, wurde er von prieſter- lichen Dienern zurückgehalten, welche die von Sphinxen begrenzte Prozeſſionsſtraße *) freihielten. Die rieſigen Thorflügel des Pylon öffneten ſich, und Bartja, der gegen ſeinen Willen in die vorderſte Reihe der Zuſchauer zu ſtehen gekommen war, ſah nun einen glänzenden Zug dem Tempel entſtrömen. Der unerwartete Anblick vieler ihm aus früherer Zeit bekannter Geſichter nahm ſeine Aufmerk- ſamkeit ſo ſehr in Anſpruch, daß er den Verluſt ſeines breitkrämpigen Hutes, der ihm im Gedränge abgeriſſen worden war, kaum bemerkte. Aus den Reden zweier hinter ihm ſtehender joniſcher Söldner entnahm er, daß die Fa- milie des Amaſis, um für den ſterbenden König zu beten und zu opfern, im Tempel geweſen ſei. Reichgeſchmückte Prieſter in Pantherfellen oder langen *) I. Theil Anmerk. 145. Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 8

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/123>, abgerufen am 13.05.2024.