doppelte Posten. Nur da, wo das Wasser die Mauer bespült, stellt man zur Ueberschwemmungszeit natürlich keine Schildwachen auf. Die Thieranbeter sind vorsichtig wie Bachstelzen!"
"Das ist schade, dann müssen wir den armen Wicht seinem Schicksale überlassen. Leb' wohl, Dämones, und folge bald meiner Einladung!"
Der Samier verließ die Wachtstube und gesellte sich sofort zu den Freunden, die mit Ungeduld auf ihn war- teten und seinem Berichte mit großer Spannung lauschten.
Als der Hellene mit der Beschreibung des Gefäng- nisses fertig war, rief Darius: "Jch glaube, daß wir Zopyros mit einiger Kühnheit retten können. Er ist be- hend wie eine Katze, und stark wie ein Bär. Jch habe einen Plan!"
"Theile ihn mit," sagte Syloson, "und laß mich be- vorworten, daß auch ich nicht ohne Hoffnung bin."
"Wir kaufen Strickleitern, einen Bindfaden und einen guten Bogen, schaffen das Alles in den Nachen und fahren mit demselben, wenn es dunkelt, zu der unbewachten Stelle der Tempelmauer. Jhr helft mir, dieselbe zu überklettern. Jch nehme die eingekauften Gegenstände mit mir, stoße den Adlerschrei aus, durch welchen mich Zopyros sofort erkennen wird, da wir uns von Kindheit an mit diesem Schrei auf Jagden und Fahrten zu rufen pflegen, schieße den Pfeil mit dem Bindfaden in sein Fenster, -- ich fehle niemals, -- rufe dem Freunde zu, das Ende desselben zu beschweren und herabzulassen, befestige die Strickleiter an die Schnur, Zopyros zieht das Rettungswerkzeug hinauf, schlingt dasselbe um den eisernen Nagel, der in jedem Fall mit der Leiter hinaufwandern muß, denn man kann nicht wissen, ob sich ein Gegenstand, um dieselbe zu befestigen,
doppelte Poſten. Nur da, wo das Waſſer die Mauer beſpült, ſtellt man zur Ueberſchwemmungszeit natürlich keine Schildwachen auf. Die Thieranbeter ſind vorſichtig wie Bachſtelzen!“
„Das iſt ſchade, dann müſſen wir den armen Wicht ſeinem Schickſale überlaſſen. Leb’ wohl, Dämones, und folge bald meiner Einladung!“
Der Samier verließ die Wachtſtube und geſellte ſich ſofort zu den Freunden, die mit Ungeduld auf ihn war- teten und ſeinem Berichte mit großer Spannung lauſchten.
Als der Hellene mit der Beſchreibung des Gefäng- niſſes fertig war, rief Darius: „Jch glaube, daß wir Zopyros mit einiger Kühnheit retten können. Er iſt be- hend wie eine Katze, und ſtark wie ein Bär. Jch habe einen Plan!“
„Theile ihn mit,“ ſagte Syloſon, „und laß mich be- vorworten, daß auch ich nicht ohne Hoffnung bin.“
„Wir kaufen Strickleitern, einen Bindfaden und einen guten Bogen, ſchaffen das Alles in den Nachen und fahren mit demſelben, wenn es dunkelt, zu der unbewachten Stelle der Tempelmauer. Jhr helft mir, dieſelbe zu überklettern. Jch nehme die eingekauften Gegenſtände mit mir, ſtoße den Adlerſchrei aus, durch welchen mich Zopyros ſofort erkennen wird, da wir uns von Kindheit an mit dieſem Schrei auf Jagden und Fahrten zu rufen pflegen, ſchieße den Pfeil mit dem Bindfaden in ſein Fenſter, — ich fehle niemals, — rufe dem Freunde zu, das Ende deſſelben zu beſchweren und herabzulaſſen, befeſtige die Strickleiter an die Schnur, Zopyros zieht das Rettungswerkzeug hinauf, ſchlingt daſſelbe um den eiſernen Nagel, der in jedem Fall mit der Leiter hinaufwandern muß, denn man kann nicht wiſſen, ob ſich ein Gegenſtand, um dieſelbe zu befeſtigen,
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doppelte Poſten. Nur da, wo das Waſſer die Mauer
beſpült, ſtellt man zur Ueberſchwemmungszeit natürlich keine
Schildwachen auf. Die Thieranbeter ſind vorſichtig wie
Bachſtelzen!“
„Das iſt ſchade, dann müſſen wir den armen Wicht
ſeinem Schickſale überlaſſen. Leb’ wohl, Dämones, und
folge bald meiner Einladung!“
Der Samier verließ die Wachtſtube und geſellte ſich
ſofort zu den Freunden, die mit Ungeduld auf ihn war-
teten und ſeinem Berichte mit großer Spannung lauſchten.
Als der Hellene mit der Beſchreibung des Gefäng-
niſſes fertig war, rief Darius: „Jch glaube, daß wir
Zopyros mit einiger Kühnheit retten können. Er iſt be-
hend wie eine Katze, und ſtark wie ein Bär. Jch habe
einen Plan!“
„Theile ihn mit,“ ſagte Syloſon, „und laß mich be-
vorworten, daß auch ich nicht ohne Hoffnung bin.“
„Wir kaufen Strickleitern, einen Bindfaden und einen
guten Bogen, ſchaffen das Alles in den Nachen und fahren
mit demſelben, wenn es dunkelt, zu der unbewachten Stelle
der Tempelmauer. Jhr helft mir, dieſelbe zu überklettern.
Jch nehme die eingekauften Gegenſtände mit mir, ſtoße
den Adlerſchrei aus, durch welchen mich Zopyros ſofort
erkennen wird, da wir uns von Kindheit an mit dieſem
Schrei auf Jagden und Fahrten zu rufen pflegen, ſchieße
den Pfeil mit dem Bindfaden in ſein Fenſter, — ich fehle
niemals, — rufe dem Freunde zu, das Ende deſſelben
zu beſchweren und herabzulaſſen, befeſtige die Strickleiter
an die Schnur, Zopyros zieht das Rettungswerkzeug hinauf,
ſchlingt daſſelbe um den eiſernen Nagel, der in jedem Fall
mit der Leiter hinaufwandern muß, denn man kann nicht
wiſſen, ob ſich ein Gegenſtand, um dieſelbe zu befeſtigen,
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/121>, abgerufen am 22.07.2024.
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