tränkte Tuch des Darius, daß er bereit sei, sein Herzblut für mich zu vergießen."
Atossa lächelte bei diesen Worten, und vermochte von nun an, indem sie an das Geschick ihrer Freunde dachte, bitterlich, aber still, zu weinen.
Wenige Stunden später verkündete ein Bote des Krö- sus den königlichen Frauen, daß die Unschuld des Bartja und seiner Freunde erwiesen, und auch Nitetis so gut als gerechtfertigt sei.
Alsogleich schickte Kassandane auf die hängenden Gär- ten, um Nitetis auffordern zu lassen, vor ihr zu erschei- nen. Atossa lief, im Jubel eben so zügellos als im Jammer, der Sänfte ihrer Freundin entgegen und flog von Einer ihrer Dienerinnen zur Andern, um ihnen zuzu- rufen: "Alle sind unschuldig; Alle, Alle sollen uns erhalten bleiben!"
Und als die Sänfte mit der Freundin sich endlich näherte, als sie die Geliebte, bleich wie den Tod, in der- selben erblickte, da brach sie in ein lautes Schluchzen aus, fiel der Aussteigenden um den Hals und bedeckte sie so lange mit Küssen und Liebkosungen, bis sie bemerkte, daß die Kniee der Erretteten wankten, und dieselbe einer kräf- tigeren Stütze, als ihrer schwachen Arme, bedürfe.
Ohnmächtig wurde die Aegypterin in die Gemächer der Mutter des Königs getragen. Als sie die Augen wiederum aufschlug, ruhte ihr marmorbleiches Haupt im Schooße der Blinden, fühlte sie Atossa's warme Lippen auf ihrer Stirn, stand Kambyses, der dem Rufe seiner Mutter gefolgt war, an ihrem Lager.
tränkte Tuch des Darius, daß er bereit ſei, ſein Herzblut für mich zu vergießen.“
Atoſſa lächelte bei dieſen Worten, und vermochte von nun an, indem ſie an das Geſchick ihrer Freunde dachte, bitterlich, aber ſtill, zu weinen.
Wenige Stunden ſpäter verkündete ein Bote des Krö- ſus den königlichen Frauen, daß die Unſchuld des Bartja und ſeiner Freunde erwieſen, und auch Nitetis ſo gut als gerechtfertigt ſei.
Alſogleich ſchickte Kaſſandane auf die hängenden Gär- ten, um Nitetis auffordern zu laſſen, vor ihr zu erſchei- nen. Atoſſa lief, im Jubel eben ſo zügellos als im Jammer, der Sänfte ihrer Freundin entgegen und flog von Einer ihrer Dienerinnen zur Andern, um ihnen zuzu- rufen: „Alle ſind unſchuldig; Alle, Alle ſollen uns erhalten bleiben!“
Und als die Sänfte mit der Freundin ſich endlich näherte, als ſie die Geliebte, bleich wie den Tod, in der- ſelben erblickte, da brach ſie in ein lautes Schluchzen aus, fiel der Ausſteigenden um den Hals und bedeckte ſie ſo lange mit Küſſen und Liebkoſungen, bis ſie bemerkte, daß die Kniee der Erretteten wankten, und dieſelbe einer kräf- tigeren Stütze, als ihrer ſchwachen Arme, bedürfe.
Ohnmächtig wurde die Aegypterin in die Gemächer der Mutter des Königs getragen. Als ſie die Augen wiederum aufſchlug, ruhte ihr marmorbleiches Haupt im Schooße der Blinden, fühlte ſie Atoſſa’s warme Lippen auf ihrer Stirn, ſtand Kambyſes, der dem Rufe ſeiner Mutter gefolgt war, an ihrem Lager.
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tränkte Tuch des Darius, daß er bereit ſei, ſein Herzblut
für mich zu vergießen.“
Atoſſa lächelte bei dieſen Worten, und vermochte von
nun an, indem ſie an das Geſchick ihrer Freunde dachte,
bitterlich, aber ſtill, zu weinen.
Wenige Stunden ſpäter verkündete ein Bote des Krö-
ſus den königlichen Frauen, daß die Unſchuld des Bartja
und ſeiner Freunde erwieſen, und auch Nitetis ſo gut als
gerechtfertigt ſei.
Alſogleich ſchickte Kaſſandane auf die hängenden Gär-
ten, um Nitetis auffordern zu laſſen, vor ihr zu erſchei-
nen. Atoſſa lief, im Jubel eben ſo zügellos als im
Jammer, der Sänfte ihrer Freundin entgegen und flog
von Einer ihrer Dienerinnen zur Andern, um ihnen zuzu-
rufen: „Alle ſind unſchuldig; Alle, Alle ſollen uns erhalten
bleiben!“
Und als die Sänfte mit der Freundin ſich endlich
näherte, als ſie die Geliebte, bleich wie den Tod, in der-
ſelben erblickte, da brach ſie in ein lautes Schluchzen aus,
fiel der Ausſteigenden um den Hals und bedeckte ſie ſo
lange mit Küſſen und Liebkoſungen, bis ſie bemerkte, daß
die Kniee der Erretteten wankten, und dieſelbe einer kräf-
tigeren Stütze, als ihrer ſchwachen Arme, bedürfe.
Ohnmächtig wurde die Aegypterin in die Gemächer
der Mutter des Königs getragen. Als ſie die Augen
wiederum aufſchlug, ruhte ihr marmorbleiches Haupt im
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ihrer Stirn, ſtand Kambyſes, der dem Rufe ſeiner Mutter
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/234>, abgerufen am 22.07.2024.
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