der Nitetis festgesetzten Tageszeit, als sich ein Reisezug in großer Schnelligkeit dem Thore näherte. Erst kam eine sogenannte Harmamaxa, welche von vier Pferden gezogen wurde, dann ein zweirädriger Karren, endlich ein mit Maulthieren bespannter Lastwagen. -- Jn ersterem Fuhr- werke saß ein schöner, stattlicher Mann von etwa fünfzig Jahren, in persischer Hoftracht und ein Greis in langen, weißen Gewändern, während mehrere Sklaven in schlichten Hemden, und breitkrämpige Filzhüte auf den kurz gescho- renen Haaren tragend, den Karren inne hatten. Neben demselben ritt ein älterer Mann in persischer Dienertracht. Der Lenker des ersten Gespanns hatte große Mühe, sich für seine mit Quasten und Glöckchen behängten Pferde einen Weg durch die Volksmenge zu bahnen. Dicht vor dem Thore mußte er stillhalten und einige Peitschenträger herbeirufen. "Mach' uns Platz!" schrie er einem Haupt- manne der Sicherheitswächter zu, welcher sich mit seinen Leuten dem Fuhrwerk näherte; "die königliche Post hat keine Zeit zu verlieren, und ich fahre einen vornehmen Herrn, der dich jede Minute Aufschub büßen lassen wird!"
"Gemach, mein Sohn," gab der Hauptmann zurück. "Du siehst, daß es heute leichter ist, aus Babylon heraus, als hinein zu kommen. Wen fährst Du?"
"Einen vornehmen Herrn, der einen Freipaß des Königs besitzt. Schnell, mach' uns Platz!"
"Hm, das Gefolge sieht nicht eben königlich aus!"
"Was geht's Dich an? Der Freipaß --"
"Jch muß denselben sehen, eh' ich euch in die Stadt lasse!" -- Diese Worte richtete er halb an die Reisenden, welche er aufmerksam und mißtrauisch anschaute, halb an den Kutscher.
Während der persisch gekleidete Mann in dem Aermel
der Nitetis feſtgeſetzten Tageszeit, als ſich ein Reiſezug in großer Schnelligkeit dem Thore näherte. Erſt kam eine ſogenannte Harmamaxa, welche von vier Pferden gezogen wurde, dann ein zweirädriger Karren, endlich ein mit Maulthieren beſpannter Laſtwagen. — Jn erſterem Fuhr- werke ſaß ein ſchöner, ſtattlicher Mann von etwa fünfzig Jahren, in perſiſcher Hoftracht und ein Greis in langen, weißen Gewändern, während mehrere Sklaven in ſchlichten Hemden, und breitkrämpige Filzhüte auf den kurz geſcho- renen Haaren tragend, den Karren inne hatten. Neben demſelben ritt ein älterer Mann in perſiſcher Dienertracht. Der Lenker des erſten Geſpanns hatte große Mühe, ſich für ſeine mit Quaſten und Glöckchen behängten Pferde einen Weg durch die Volksmenge zu bahnen. Dicht vor dem Thore mußte er ſtillhalten und einige Peitſchenträger herbeirufen. „Mach’ uns Platz!“ ſchrie er einem Haupt- manne der Sicherheitswächter zu, welcher ſich mit ſeinen Leuten dem Fuhrwerk näherte; „die königliche Poſt hat keine Zeit zu verlieren, und ich fahre einen vornehmen Herrn, der dich jede Minute Aufſchub büßen laſſen wird!“
„Gemach, mein Sohn,“ gab der Hauptmann zurück. „Du ſiehſt, daß es heute leichter iſt, aus Babylon heraus, als hinein zu kommen. Wen fährſt Du?“
„Einen vornehmen Herrn, der einen Freipaß des Königs beſitzt. Schnell, mach’ uns Platz!“
„Hm, das Gefolge ſieht nicht eben königlich aus!“
„Was geht’s Dich an? Der Freipaß —“
„Jch muß denſelben ſehen, eh’ ich euch in die Stadt laſſe!“ — Dieſe Worte richtete er halb an die Reiſenden, welche er aufmerkſam und mißtrauiſch anſchaute, halb an den Kutſcher.
Während der perſiſch gekleidete Mann in dem Aermel
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der Nitetis feſtgeſetzten Tageszeit, als ſich ein Reiſezug in
großer Schnelligkeit dem Thore näherte. Erſt kam eine
ſogenannte Harmamaxa, welche von vier Pferden gezogen
wurde, dann ein zweirädriger Karren, endlich ein mit
Maulthieren beſpannter Laſtwagen. — Jn erſterem Fuhr-
werke ſaß ein ſchöner, ſtattlicher Mann von etwa fünfzig
Jahren, in perſiſcher Hoftracht und ein Greis in langen,
weißen Gewändern, während mehrere Sklaven in ſchlichten
Hemden, und breitkrämpige Filzhüte auf den kurz geſcho-
renen Haaren tragend, den Karren inne hatten. Neben
demſelben ritt ein älterer Mann in perſiſcher Dienertracht.
Der Lenker des erſten Geſpanns hatte große Mühe, ſich
für ſeine mit Quaſten und Glöckchen behängten Pferde
einen Weg durch die Volksmenge zu bahnen. Dicht vor
dem Thore mußte er ſtillhalten und einige Peitſchenträger
herbeirufen. „Mach’ uns Platz!“ ſchrie er einem Haupt-
manne der Sicherheitswächter zu, welcher ſich mit ſeinen
Leuten dem Fuhrwerk näherte; „die königliche Poſt hat
keine Zeit zu verlieren, und ich fahre einen vornehmen
Herrn, der dich jede Minute Aufſchub büßen laſſen wird!“
„Gemach, mein Sohn,“ gab der Hauptmann zurück.
„Du ſiehſt, daß es heute leichter iſt, aus Babylon heraus,
als hinein zu kommen. Wen fährſt Du?“
„Einen vornehmen Herrn, der einen Freipaß des
Königs beſitzt. Schnell, mach’ uns Platz!“
„Hm, das Gefolge ſieht nicht eben königlich aus!“
„Was geht’s Dich an? Der Freipaß —“
„Jch muß denſelben ſehen, eh’ ich euch in die Stadt
laſſe!“ — Dieſe Worte richtete er halb an die Reiſenden,
welche er aufmerkſam und mißtrauiſch anſchaute, halb an
den Kutſcher.
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/201>, abgerufen am 22.07.2024.
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